Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.12 FRANCE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 28
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#705* | |
Dossier title | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 19 (1866–1866) |
dodis.ch/41561
Ich komme so eben aus dem Ministerium des Äussern u. beeile mich, noch heute über die Audienz, die ich bei Drouyn de L’Huys hatte, Bericht zu erstatten.
Ihrem Aufträge gemäss gab ich dem Herrn Minister Kenntniss von derjenigen Depesche, welche Sie unterm 23. Mai2 an Herrn Pioda u. an Herrn Steiger adressirt haben betreffend Beobachtung stricter Neutralität bei dem in Aussicht stehenden Kriege.
Ich las Herrn Drouyn de L’Huys eine französische Übersetzung jener Depesche vor. Hr. Drouyn de L’Huys verdankte mir diese Mittheilung unter Bezugnahme auf dasjenige, was er mir schon in lezter Audienz gesagt habe, worüber ich Ihnen in meiner Depesche vom 24sten Mai3 umständlich relatirt habe. Er fügte nun auch bei, Frankreich sey gegenwärtig selbst gegenüber dem bevorstehenden Krieg ganz neutral, u. er wolle hoffen, dass es in dieser Stellung verbleiben könne.
Ich fragte ihn, ob wirklich neu eingegangene Depeschen einen sehr baldigen Ausbruch der Feindseligkeiten ankündigen, wie gestern hier allgemein verbreitet wurde? Obwohl bis jezt der Moniteur nur von einer «Verzögerung» der Conferenz gesprochen hat, welche in Folge der bekannten Vorbehalte der Antwort des österreichischen Cabinets eingetreten sey, so nimmt doch auch Drouyn de L’Huys für bekannt an, dass die Conferenz gar nicht zusammentreten werde. Das Objekt für Conferenzverhandlungen sey von vornherein ausgeschlossen, theils durch den Vorbehalt, dass von keinen Territorialveränderungen die Rede seyn soll; (nach dem Begehren Österreichs) theils aber auch dadurch, dass Österreich die Frage der Elbherzogthümer nun dem Entscheide des deutschen Bundes anheimstelle «man könne nicht die gleiche Frage [...]4 zwei ganz verschiedenen Jurisdictionen unterwerfen.»
Die Gerüchte, als ob bereits Feindseligkeiten ausgebrochen oder die Eröffnung derselben positiv angekündigt seyen, haben keinen Grund. Allerdings könne jezt, da die Conferenz als beseitigt angesehen werden müsse, der Ausbruch der Feindseligkeiten nicht mehr vermieden werden; es müsste denn Österreich seine Vorbehalte, welche den Zusammentrit der Conferenz verhindern, in der letzten Stunde noch zurükziehen, was aber keineswegs wahrscheinlich sey. Die französische Regierung sey auch jezt und jederzeit zur Eröffnung von Friedensverhandlungen bereit».
Offenbar nimmt also auch Drouyn de L’Huys für bekannt an, dass die waltenden Conflikte dem Entscheide durch die Waffen unterliegen müssen, wie diess auch die Ansicht ist, welche in politischen wie in finanziellen Kreisen gegenwärtig allgemein getheilt wird. Die Börse, die alle Werthpapiere so bedeutend reduzirt hat und nachträglich reduzirt, folgt dieser gleichen Strömung.
Ich benuzte sodann diese Audienz auch dazu, um im Sinne Ihres Auftrages vom 23ten Mai5 darüber Aufschluss zu erhalten: was bisher von Seite der französischen Regierung geschehen sey, betreffend den Schaden, welcher dem französischen Handelsstande in Valparaiso durch das neuliche Bombardement jener Stadt von Seite einer spanischen Flottille zugefügt wurde. Hr. Drouyn de L’Huys antwortete mir Folgendes:
Allerdings haben auch Franzosen bei diesem Ereigniss bedeutenden Schaden gelitten. Die Sache sey aber sehr delikater Natur. Nach dem Völkerrechte könne es einer Macht nicht verwehrt werden, nach ausgebrochenem Kriege eine Stadt oder einen Hafen des Feindes anzugreifen u. zu beschiessen; wenn auch allerdings in neuerer Zeit die Praxis milder geworden sey. So haben z.B. England u. Frankreich gerade aus Schonung für den Handelsstand im Krim-Kriege die Beschiessung von Odessa, die ein sehr Leichtes gewesen wäre, unterlassen. Es sey übrigens bei Anlass des Bombardements von Valparaiso von den Neutralen auch gefehlt worden. Längere Zeit vor diesem Bombardement sey dasselbe vom spanischen Admiral angedroht; und einige Tage vor Beginn desselben ganz bestimmt angekündigt worden, so dass die Neutralen alle Zeit gehabt hätten, ihre Waaren in Sicherheit zu bringen. Sie haben es unterlassen, weil sie glaubten, es werde nicht zur Ausführung der Drohung kommen. Vielleicht hat auch die Haltung des englischen u. namentlich des nordamerikanischen Konsuls dazu beigetragen, dieselben in diesem irrigen Glauben zu unterhalten u. zu bestärken. Die spanische Regierung werde darauf ganz besonderen Werth sezen, dass völkerrechtlichem Usus gemäss die Neutralen rechtzeitig von den Folgen des Bombardements gewarnt, und somit in die Möglichkeit versezt worden seyen, ihre Waaren und andere Habseligkeiten gegen Gefahr und Schaden in Sicherheit zu bringen, was sie zum grössten Theile unterlassen haben. Ich konnte aus Allem entnehmen, dass Drouyn de L’Huys wenig Erfolg von diessfälligen Reklamationen erwartet. Doch fügte er bei: «Nous n’avons pas encore pris un parti décisif; la question est très difficile, très délicate, elle est encore à l’étude.»
Diess die Auskunft, welche ich Ihnen über die eben berührte Frage zu ertheilen im Falle bin.
Zur Situation: Ich traf im Vorzimmer mit dem russischen Gesandten Baron de Budberg zusammen. Auch er betrachtet die Conferenz nicht bloss als «retardée» wie der Moniteur ankündigt, sondern «comme échouée». Aber auch er hegt die gleiche Ansicht, die ich in den lezten Depeschen wiederholt geäussert habe, dass, wenn auch ein wirklicher Zusammentrit der Conferenz möglich geworden wäre, dieselbe dennoch zu keinem befriedigenden Resultate hätte führen können. Italien hätte ohne Abtretung von Venedig nie entwaffnet, Ostreich aber könne nun einmal ohne entsprechenden territorialen Ersaz auf Venetien nicht verzichten. Das Objekt zu einer entsprechenden Compensation liege nicht vor, u. könnte ohne neue Verwiklungen nicht erzielt werden. Die französische Regierung giebt in offiziellen u. offiziösen Journal-Artikeln einem gewissen Missmuth (?) darüber, dass die Conferenz in Folge der Vorbehalte Ostreichs vereitelt worden sey, ziemlich bittern Ausdruk, so dass es fast den Anschein hat, als sollte dadurch jezt schon die Stimmung für ein Annähern an Italien u. Preussen vorbereitet werden. Man hört darum in den diplomatischen Kreisen allgemein die Ansicht äussern, es wäre klüger, diplomatischer gewesen, wenn das Kabinet in Wien seinen Minister des Äussern hieher zur Conferenz gesandt hätte, wäre es auch nur gewesen, um wenigstens seinen Gegnern die Waffe aus der Hand zu nehmen, mit welcher man nun die für den Frieden gestimmte öffentliche Meinung gegen Ostreich bearbeitet. Der diplomatische Vertreter Ostreichs hätte den Grundgedanken der bekannten Vorbehalte in der Conferenz geltend machen können. Die Conferenz hätte sich nach wenigen Tagen allerdings unverichteter Dinge auflösen müssen, aber die Stellung Ostreichs wäre eine bessere gewesen als sie jezt sei, wo man das Scheitern der Conferenz nur Ostreich zu Lasten legt, obwohl es eigentlich eine Folge der ganzen Situation ist.
Ich hatte vorgestern den Besuch unsers ehemaligen Geschäftsträgers in Wien Hrn. von Effinger. Er hat erst vor ein Paar Tagen Wien verlassen u. versicherte mich, die Stimmung in der Masse des Volkes zu Stadt & Land sey in Ostreich eigentlich kriegerischer als im Kabinet selbst. Die besten Truppen u. die besten Generale seyen gegen Preussen aufgestellt, theils weil man nach einem Siege über die Preussen bei den vortheilhaften Positionen über die Italiener desto leichter Meister zu werden hoffe. In Preussen ist nach allen Berichten die Stimmung sehr gedrükt. Budberg hat ähnliche Berichte wie die, welche ich Ihnen neulich meldete. Eine Niederlage gegen Ostreich könnte gar leicht Ausbrüche von Insurrektionen zur Folge haben.
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