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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1, doc. 438
volume linkBern 1990
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#J1.67#1000/1363#171* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR J 1.67(-)1000/1363 11 | |
Titolo dossier | Dubs, Jakob (1849–1868) | |
Riferimento archivio | 8 |
dodis.ch/41437
Mein lieber Freund!
Wahrscheinlich interessirt es Dich, über die neueste Verwicklung mit Frankreich im Dappenthal etwas Näheres zu hören. Es ist Dir wahrscheinlich bekannt, dass der Kt. Waadt bis dahin die Hochheitsrechte in diesem Thal in Anspruch genommen und ausgeübt hat, wobei immerhin bisweilen auch französischer Seits dann und wann hineingegriffen wurde und überhaupt von dieser Seite die Hochheit des Kts. Waadt nicht anerkannt war.
In neuerer Zeit vernahm nun der Bundesrath zuerst, es haben die Gensdarmen des benachbarten französischen Postens erklärt, sie haben Auftrag bekommen, die Waadtländer an fernerer Ausübung der Justizhochheit gewaltsam zu hindern und zu diesem Behuf die Mannschaft des Fort les Rousses in Anspruch zu nehmen. Der BR. wollte auf das Gensdarmeriegeschwätz keine Schritte thun, sondern avisirte darüber nur H. Kern.
In den letzten Monaten hatten die Waadtländer Gensdarmen im Dappenthal einige Jagdfrevler verfolgt und es entstanden dabei Thätlichkeiten mit den Jägern. Auch war ein Mann, der im Dappenthal eine Frau misshandelt hatte, in Nyon bestraft und der Polizei zur Fahndung aufgegeben worden.
Vor ca. 8–10 Tagen kam nun M. Turgot zum Bundespräsidenten und machte ihm die mündliche Mittheilung, dass das Ministerium wirklich denjenigen Befehl ertheilt habe, welcher von den Gensdarmen rapportirt worden war. Der BPräs. verlangte eine schriftliche Mittheilung, zu der sich Turgot nicht autorisirt erklärte. Der BR. beschloss dann, keine weitere Notiz von jener Mittheilung zu nehmen, wies aber gestern Waadt an, den Status quo festzuhalten.
Heute kam nun durch ein Schreiben des Staatsraths von Waadt die Mittheilung2, dass wirklich ein Detaschement Truppen des Fort les Rousses mit Gensdarmerie den Weiler Cressonières besetzt habe, um die Waadtländische Gensdarmerie zu verhindern, dortseits eine Arrestation vorzunehmen. Dabei erlaubten sich die Soldaten einige Exzesse, sie nahmen einige Cigarren u. dgl. Dies geschah am 28. October. Das Nähere werden die Zeitungen bringen.
Der BPräs. rief sofort den Rath zusammen und man beschloss 1. Absendung 2er Commissäre zur nähern Constatirung des Factums, 2. Reklamation bei der französischen Regierung mit dem Begehren um Rücknahme und Satifaction.3 Als spätere Schritte wurden vorläufig angekündigt vom H. Präsidenten: eine Protestation bei den Wienerkongressmächten; von H. Stämpfli: gewaltsames Zurücktreiben; von H. Fornerod: eine allgemeine Beschwerde an die Kongressmächte über die neuen Vexationen Frankreichs. Wahrscheinlich wird es beim Erstem sein Bewenden haben.
Die Position Frankreichs ist die, dass es verlangt, es sollte kein Theil Hochheitsakte in dem bestrittenen Thal ausüben, wodurch wir freilich aus dem Besitz entsetzt würden: abgesehen noch von ändern Schwierigkeiten, welche die Schöpfung einer solchen Freistatt mit sich brächte. Wir sagen: Festhalten des Status quo, allfällig mit einem provisorischen modus vivendi, dessen Regulirung aber seine grossen Schwierigkeiten haben dürfte. Ich sprach vor einiger Zeit mit Turgot über die Frage. Er sagte mir, er wünsche diese Frage noch vor Neujahr zu regeln, weil nach Neujahr sich darüber nicht mehr verkehren lasse mit dem dannzumaligen Präsidenten. Ich bemerkte ihm, es scheine mir unmöglich, diesen alten Streit so rasch abthun zu können, und mittlerweile müssen wir am Status quo festhalten.
Die Hauptfrage ist aber vorläufig die: was will Frankreich mit diesem neuen Handel; warum jetzt auf einmal dieses gewaltthätige Auftreten?
Darauf kann es verschiedene Antworten geben. Die St[ämpfli]Partei sagt: es ist die Einleitung zu einem grossen bewaffneten Konflikt; man häuft vorläufig Beschwerden. Unmöglich ist das nicht. Eine gereizte Stimmung scheint in den gouvernementalen Kreisen gegen die Schweiz vorzuwalten.
Auf der ändern Seite will mir das doch nicht recht einleuchten. Es mag schon sein, dass eine Partei in Frankreich annexionistische Absichten auf einzelne Gebietstheile der Schweiz hat. Allein sehr nahe scheint mir denn doch diese Gefahr nicht zu sein. Frankreich kann doch die Schweiz nicht mitten im tiefsten Frieden überfallen und wenn es Kriege mit ändern Mächten vorhat, so wird es schwerlich gleichzeitig mit der Schweiz anbinden wollen.
Es wollte mir sogar sehr scheinen, Frankreich wolle mit diesem neuen Handel mehr die Aufmerksamkeit von den ändern Händeln ablenken, in welchen es den Rückzug angetreten hat. Die Versetzung Grandguillots, die Erklärung im heutigen Moniteur über die Stellung der offiziösen Blätter, das uns von ziemlich zuverlässiger Seite mitgetheilte Gerücht, dass Napoléon in der Ville-la-Grand-Affaire sehr nachgiebig gestimmt sei – sind eher Anzeichen einer friedlichen Gesinnung. Das Dappenthal ist hinwieder ein Punkt, wo man ohne besondere Gefahr ein bisschen mit einander streiten kann.
Aber Alles das ist blosse Conjektur. Wir werden den weiteren Gang der Dinge abwarten müssen. Ich denke indes, Du werdest ebenfalls damit einverstanden sein, dass wir um dieser Sache willen noch nicht zu Truppenaufgeboten schreiten. Oder was denkst Du von der Sache? Es wäre mir werthvoll, Deine Ansicht kennen zu lernen.
Inzwischen grüsst Dich freundschaftlich
Dein Jb. Dubs
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Francia (Altro)
Questione della valle di Dappes (1857–1863)