Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.9. France
I.9.5. Question de Savoie
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 380
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#3335* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 23.03.-24.03.1860 (1860–1860) |
dodis.ch/41379 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 23 mars 18601
1382. Einberufung der Bundesversammlung zur ausserordentlichen Sizung auf den 29. März
Procès-verbal de la séance du 23 mars 18601
Mit Rüksicht auf die heute zur Berathung angesezte Frage über die Einberufung einer ausserordentlichen Bundesversammlung bezüglich der Savoyerfrage spricht sich das politische Departement mit Folgendem dahin aus: [...]
Die Einberufung der Bundesversammlung wird unbedingt nöthig, wenn der Savoyerfrage wegen Truppenaufstellungen in Aussicht stehen. In diesem Fall muss der Bundesrath die Motive für die Wahrscheinlichkeit einer solchen Aufstellung klar darlegen, das Zwekmässige und Unvermeidliche derselben nachweisen und sich Kredit und Vollmachten geben lassen, um im geeigneten Augenblik handeln zu können.
Hat nun der Bundesrath bereits genügende Motive an der Hand, welche eine Truppenaufstellung in Aussicht stellen?
Mir scheint dieses nicht der Fall zu sein. Die Savoyerfrage spielt noch immer auf dem diplomatischen Terrain, es wird unterhandelt, verlangt, protestirt, und noch haben wir keine Antwort auf unsere Zirkularnote und von den zunächst betreffenden Mächten keinen ganz bestimmten Abschlag bezüglich unserer Forderungen erhalten; im Gegentheil lautete die Antwort, welche der Kaiser von Frankreich bei der gestrigen Audienz den Hrn. Kern und Dufour gab, dahin, dass von einer militärischen Besezung des neutralisirten Savoiens durch französische Truppen nicht die Rede sei, und dass der Kaiser trachten werde, die etwas schlimmer gewordene Situation wieder zu verbessern. Eine Gefahr für uns, sei es durch materielle Bedrohung unserer Gränzen oder durch Missachtung unserer angesprochenen Rechte und behaupteten Interessen liegt daher nicht vor. Unverkennbar ist aber die Gefahr, welche die Schweiz für sich durch provozirende Handlungen erzeugt. Hr. v. Thouvenel hat lezthin Hrn. Kern erklärt, dass, wenn die Mächte aus der Savoyerfrage einen Casus belli machen wollen, Frankreich den Streit aufnehme.
Wir haben also auch unsererseits zu gewärtigen, dass gegen uns der Krieg geführt werde, wenn wir provozirend auftreten. Die französische Armee ist unbeschäftigt und man wird da vielleicht ganz gerne den Anlass benuzen, ihr Arbeit zu geben. Wären wir dann gegen diese Armee glüklich, würde von einer Seite uns Neid, von der ändern Sympathie, kaum aber von irgend einer thatsächliche Hülfe zu Theil; wären wir unglüklich, so dürften wir für Spott und Tadel nicht sorgen.
Stünde nun wirklich das Vaterland in Gefahr, so dürfte diese leztere Betrachtung uns nicht abhalten, sofort alle Anstrengungen zu machen; aber diese Gefahr scheint nicht vorhanden. Sie kann kommen, aber sparen wir unsere Kräfte auf jene Zeit.
Um Aussicht zu haben, mit Glük die Waffen führen zu können, muss der Gegenstand, für den man kämpft, populär sein. Dass nun ein Krieg für Chablais und Faucigny im gegenwärtigen Moment in der Schweiz populär wäre, wird im Ernst nicht behauptet werden können. Wohl spricht Genf so, wohl auch theilweise der Kanton Bern, aber die Regierung von Waadt spricht in ihrer Zuschrift vom 21. an den Bundesrath3 gerade das Gegentheil aus. In der Zentralschweiz ist man über diese Frage noch indifferent, aus der Ostschweiz hört man noch gar nichts besonderes. Es scheint somit weder die Nähe einer Gefahr, noch die Sympathie des Schweizervolkes für die Sache erwiesen.
Welche Anträge sollten nun unter derartigen Umständen an die Bundesversammlung gestellt, und wie sollten sie begründet werden?
Eine Einberufung der Räthe ohne sehr dringende und klare Motive aber würde, wir haben darüber Erfahrungen, wohl kaum ein anderes Ergebnis haben, als den Unmuth der Versammlung zu erregen und eine Weisung zu provoziren, dahingehend: «Ihr hättet für eine Einberufung der Räthe triftigere Gründe Vorbringen sollen als Ihr habt; wenn die Verhältnisse sich ernster gestalten, so ruft uns wieder ein und wir werden dannzumal hören und entscheiden; jezt ist nichts zu beschliessen als, es wird Euch Vorsicht und Achtsamkeit empfohlen.
Dass eine solche Schlussnahme wahrscheinlich sei, dafür spricht ganz besonders das oben zitirte Schreiben von Waadt.
Und wenn nun eine solche oder eine ähnliche Schlussnahme gefasst wird, welche dem Bundesrath nicht unbedingte Vollmachten und Kredit ertheilt, wie steht der Bundesrath dann da? Ist dannzumal nicht seine Kraft und sein Ansehen gelähmt und besonders auch im Ausland, wo wir noch unterhandeln müssen, auf das Bedenklichste erschüttert?
Würde es sich darum handeln, das Volk zu beruhigen, so könnte dieser Grund noch mit in die Wagschale für die Einberufung gelegt werden, aber wie die Verhältnisse jezt liegen, dürfte diese Einberufung eher beunruhigen als beruhigen, findet sich Waadt ja schon durch das vom Militärdepartement erlassene Schreiben beunruhigt.
In Umfassung des Gesagten kommt daher der Unterzeichnete zu dem Schluss, es sei heute – morgen können die Verhältnisse sich ändern – eine ausserordentliche Einberufung der schweizerischen Bundesversammlung nicht zu beschliessen.
(gez.) Frey-Herosé
Diesem gegenüber ist von Hrn. Stämpfli der positive Antrag auf Einberufung gestellt und sodann nach einlässlicher Diskussion der Angelegenheit beschlossen worden: es sei die Bundesversammlung zur ausserordentlichen Sizung auf Donnerstag den 29. dies., Morgens 10 Uhr, nach Bern einzuberufen.