Classement thématique série 1848–1945:
III. AFFAIRE DE NEUCHÂTEL
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 1, Dok. 271
volume linkBern 1990
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#J1.67#1000/1363#220* | |
Alte Signatur | CH-BAR J 1.67(-)1000/1363 12 | |
Dossiertitel | Furrer, Jonas (1847–1861) | |
Aktenzeichen Archiv | 8 |
dodis.ch/41270
Mein lieber Freund!
Du hast mit Deinem Schreiben Wasser in den Rhein getragen. Wir sind nicht nur Deiner Meinung, sondern es herrscht im Bundesrath tiefer Unwille, bey mir persönlich vollendete Entrüstung über die Art, wie der General die Entlassung betreibt. Am 17. Januar2 beschlossen wir, die Entlassung der gesammten Armee sey so schnell als möglich vorzunehmen; am 18. musste der General den Brief3 haben, der sehr bestimmt lautete. Am 21. (eingegangen d. 23.)4 schrieb er wörtlich:
«Quant au licenciement des troupes il va commencer selon vos intentions, mais il faut quelque temps pour préparer les feuilles de route. On ne peut l’exécuter que successivement. Nous commencerons par l’artillerie, qui est ce qui coûte le plus et nous étendrons les cantonnements pour dégager les routes, soulager les soldats et les habitants et rendre l’exécution du licenciement plus facile. Comptez toujours sur mon empressement à entrer dans les vues du Conseil fédéral et de son honorable Président.» Der letzte Satz klingt wie Ironie, wenn man das Handeln damit vergleicht!
Der Bundesrath war von diesem Brief schlecht erbaut und beschloss, sogleich zu antworten, er müsse auf einer schnellen Entlassung der ganzen Armee beharren.5 Unser Präsident fügte privatim noch ein ernstes Wort an Frey-Hérosé bey. Statt seit einer Woche auf dem Bureau zu bleiben und die Entlassung zu organisiren, machen die Herren Reisen, beschauen die Cadetten, lassen sich Ovationen bringen und «Rufst du mein Vaterland» singen. Und dieser Witz kostet den Bund so viel, dass man alle Jäger der Armee mit gezogenen Gewehren für dieses Geld versehen könnte, nicht zu sprechen von dem Druck der Mannschaft und der quartierpflichtigen Bevölkerung. Es ist zum Davonlaufen! Aber was sollen wir machen? Soeben telegraphirt Hr. Fornerod wieder in gleichem Sinn an Hrn. Frey6 und ich will ihm Deinen Brief nebst Senf schicken. Der General hat über seine rechtliche Stellung die Idee, dass er über die Entlassung zu verfügen, dabei aber allerdings auf die Wünsche des Bundesraths Rücksicht zu nehmen habe. Es ist eben ein grosser Fehler in unserer Verfassung, dass nicht die Executive den General wählt, der doch nur ihr rechter Arm ist. Will derselbe eigensinnig seyn, so kann er sich als Gegenregierung so lange festsetzen bis ihm die Bundesversammlung heimwinkt. Bei innern Unruhen könnte diese Stellung des Generals von ernsten Folgen seyn.
Und was thut die Presse? Sie, die beim geringsten Versehen des Bundesraths mit Dreschflegeln auf ihn loshaut, wagt es bis jetzt nicht, den General anders als mit den feinsten Glacé-Handschuhen anzurühren, ungeachtet enorme Interessen in Frage liegen!
Wir können natürlich nicht von uns aus und mit Umgehung des Generals die Truppen entlassen, sondern ihm nur die ernstlichen Vorstellungen machen, und falls die contumacia fortdauern sollte, die Bundesversammlung einberufen, was natürlich einen ganz heillosen Eindruck hervorbrächte. Ich besorge, die Welschen, namentlich die Genfer, stecken auch hinter dem General und erbliken in der fortdauernden Bewaffnung noch eine Art Satisfaction!
Adieu! Ich grüsse Dich herzlich und ersuche Dich, in Deinen Umgebungen die Unschuld des Bundesrathes in dieser Sache zu proclamiren. Dein Dr F.
Soeben circulirt ein Schreiben Dufours, worin er wieder versichert, dass er die Sache möglichst beschleunigen werde und dass Hr. Frey mit seiner bekannten Thätigkeit arbeite; aber es erfordre Zeit, um Confusion zu vermeiden. Allerdings ist Hr. Frey sehr arbeitsam, aber was kann er thun, wenn er beständig reisen muss.
Nächstens schreibe ich Dir über Paris. Du kannst Dir denken, wie Barman und Kern zusammenstehen! Der Kaiser verwundert sich, dass unsre Truppen noch nicht entlassen sind!