dodis.ch/41174

Aide-mémoire du Président de la Confédération, W. Naeff1

Neuenburger Angelegenheit

Der englische Geschäftsträger Herr Christie hat dem Unterzeichneten bei einem Besuche am 16. d. Mts. eröffnet, dass der König von Preussen schon im September v. J. bei dem englischen Ministerium insistirt habe, dass dem Protokoll von London vom 24. Mai 18522 weitere Folge gegeben werde. In neuester Zeit habe Österreich in Berlin wieder Schritte gethan, um Preussen aufzumuntern, die Sache weiter zu verfolgen. Es sey vorauszusehen, dass nächstens die Reklamationen sich erneuern werden. Unter diesen Umständen wünsche das gegenwärtige englische Ministerium sehr, einen Weg zu finden, um die Angelegenheit auf gütlichem Wege zu erledigen. Mit einer Entschädigungssumme in Geld werde sich der König von Preussen sehr wahrscheinlich nicht abfinden lassen. Das Ministerium beabsichtige, den Vorschlag zu machen, dass im Kanton Neuenburg eine Abstimmung vorgenommen werde über die Frage, ob Neuenburg die Hochheit des Königs von Preussen anerkennen oder eine Republik bleiben wolle. Dasselbe wünsche jedoch vorher die Ansichten des Präsidiums über einen solchen Vorschlag [zu vernehmen. Der englische Geschäftsträger ersuchte ihm hierüber am folgenden Tage eine Antwort zu ertheilen. Nach genommener Rücksprache mit einigen Mitgliedern des Bundesrathes eröffnete der Unterzeichnete dem englischen Geschäftsträger am folgenden Tag, den 17. April: Lieber wäre es gesehen, wenn England im gegenwärtigen Augenblik einen solchen Schritt nicht thun würde. Sollte ein Vorschlag dieser Art dem Bundesrath gemacht werden, so müsste einerseits die Regierung von Neuenburg und anderseits auch die Bundesversammlung hierüber angefragt werden. Die Bundesversammlung trete erst im Heumonat wieder zusammen. Eine ausserordentliche Einberufung vor dieser Zeit wäre mit mehrfachen Übelständen verbunden. Übrigens habe über die angeregte Frage im Jahr 1848 eine Abstimmung bereits stattgefunden, den Bericht hierüber könne der Unterzeichnete dem englischen Geschäftsträger mittheilen. Auch habe der Bundesrath bereits die Materialien zu einem Memorandum über die Neuenburger Angelegenheit gesammelt und beabsichtige, dasselbe im Laufe einiger Wochen ausarbeiten zu lassen3, um es auch England mitzutheilen. Um so mehr sey zu wünschen, dass England keine Schritte vorkehre4, ehe diese Mittheilung gemacht werden könne.