Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.5. Confédération germanique
I.5.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 72
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#22* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 4 | |
Dossier title | Korrespondenz des Schweizer Abgesandten Killias in Frankfurt/Main mit dem Regierungsrat BE als eidgenössischem Vorort; Korrespondenz des Schweizer Generalkonsuls Hirzel-Lampe in Leipzig über die Verhandlungen mit dem Deutschen Zollverein über Handelssachen, Teilnahme am Kasseler Zollkongress; Anträge des Handels- und Zolldepartements an den Bundesrat, dessen Beschlüsse; Abhaltung einer Konferenz in Karlsruhe 1851 betr. Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten über Handels- und Zollverhältnisse (1848–1851) |
dodis.ch/41071 Le Chef du Département du Commerce et des Péages, F. Frey-Hérosé, au Chargé d’affaires de Prusse à Berne, L. von Wildenbruch1
Mit verehrlichem Schreiben vom 17ten2 haben Euer Hochwohlgebohren dem achtungsvoll Unterzeichneten Vorsteher des schweizerischen Handels- und Zolldepartements eine Abschrift der Zuschrift Übermacht, welche das königliche Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten unterm 12ten dies an Euer Tit. gerichtet hat, verbunden mit dem Wunsch, dass die über das neue Zollgesetz der Schweiz zu gebenden Aufklärungen hinreichen mögen, um Seitens des Zollvereins Massregeln überflüssig zu machen, die nur geeignet erscheinen dürften, für die materiellen Interessen beider Theile unerfreuliche Resultate herbeizuführen.
Gewiss würde niemand mehr als der Unterzeichnete es bedauern, wenn das neue schweizerische Zollgesetz den Anlass zu grösserer Belästigung des Handels und Verkehrs darbieten sollte, während dem gerade eine bedeutende Erleichterung des Verkehrs in Absicht lag. Wirklich bestanden seit unvordenklichen Zeiten in allen Kantonen, theils an deren Grenzen und theils in deren Innerem Hunderte von Einfuhr-, Ausfuhr-, Durchfuhr-, Pfund-, Vieh-, Schmalz- und ändern Zöllen, Hunderte von Weg- und Brükengeldern, von verbindlichen Kaufhaus-, Waag- und dergleichen Gebühren. Ein Fuhrmann, welcher die Schweiz durchreiste, musste fast beständig den Beutel in der Hand tragen, eine Menge kleine Gebühren abherrschen und doch fürchten, da und dort eine Bezahlung zu übersehen und straffällig zu werden. Schon längst lag es im Bestreben der gewerbtreibenden Kantone, diese lästigen Gebühren abzuschaffen oder zu centralisiren. Das erste konnte indessen nicht geschehen, weil die Kantone zum Bezug der fraglichen Gebühren gehörig berechtigt waren und sie sich nicht bemüssigt sahen zu Gunsten des Verkehrs oder eines gewissen Erwerbszweigs auf Einnahmen zu verzichten, die sie zur Herstellung und zum Unterhalt ihrer Strassen bedurften. Es blieb daher bei den Bestrebungen zur Zentralisation der Zölle, und es versuchte eine Reihe von Cantonen durch freiwilliges Einverständnis unter sich zu diesem Zweck zu gelangen. Da erschien die Bundesverfassung von 1848. Sie erklärte das Zollwesen zur Bundessache und gab die Mittel an die Hand, dasselbe zu centralisiren, indem sie den Bund berechtigt, alle Kantonalzollgefälle gegen Entschädigung an sich zu ziehen und an der Grenze Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangszölle zu erheben.
Ohne Zögerung wurde nun das Zollgesetz vom 30. Juni 1849 erlassen und zwar in der in seinem Artikel 563 deutlich ausgesprochenen Absicht, die Zölle und andere den Verkehr belästigenden Gebühren möglichst vollständig im Inneren aufzuheben.
Eine Finanzoperation wollte man mit dem neuen Zollsystem nicht machen; die Schweiz fand noch nicht für nothwendig, von ihrem längst befolgten Grundsatz des möglichst freien Handels abzugehen, aber die Dekung derjenigen Summen, welche der Bund den Kantonen für die Abtretung ihrer Gefälle bezahlen muss, war vorerst erforderlich. Dann weist die Bundesverfassung in ihrem Artikel 394 allerdings auch auf den Ertrag der schweizerischen Grenzzölle als eine der Quellen zur Bestreitung der Ausgaben des Bundes hin, allein die daherige Einnahme suchte der Gesetzgeber weniger auf einer Belästigung des Verkehrs, als vielmehr in den bedeutenden Ersparnissen, welche durch Unterdrükung von einer Anzahl innerer Zollstätten, Anstellungen und Verwaltungen sich ergeben. Auch standen Ersparnisse bei der Einlösung der Zölle und Gebühren in Aussicht, weil man auf billige Verabfindung mit den Kantonen zählen durfte, die in einer Vereinfachung des Zollwesens auch wieder Vortheile fanden.
Die ersten Forderungen der Kantone für Abtretung ihrer Zölle und Gebühren stiegen an auf die Summe von ungefähr 2314725 Schweizerfranken, nach mittlerm Ertrag. Dazu kommen noch durchschnittlich 300000 schweizerische Eingangsgebühr. Der bisherige Nettoertrag der Zölle stieg demnach auf 2614725 Schweizerfranken an. Die Bezugskosten möchten durchschnittlich 17 1/2% betragen haben, somit im Ganzen 457 575 Franken, was dann als bisherige Belästigung des Verkehrs durch Zölle, Weggelder, Brükengelder, u.s.w., eine Summe von 3 072300 Schweizerfranken jährlich herausstellt.
Zu Festsezung der durch die Grenzzölle im Allgemeinen zu erhebenden Summen nahm man an, dass der Verkehr der Schweiz nicht sinken werde und dass Verminderungen, wie sie in den lezten zwei Jahren wirklich vorkamen, nur zufällig seien und sich bald wieder ausgleichen. Man legte daher als Zentnerzahl des Verkehrs den Durchschnitt der Jahre 1842 bis und mit 1846 zu Grunde, berechnete dann aber, um der eidgenössischen Kasse nicht Verluste zuzuziehen, statt einige Überschüsse zuzuwenden, dass diese Zentnerzahl jährlich eine Gebühr von 3 200 000 Franken brutto abwerfen sollte, was durchschnittlich einen Franken auf den eingeführten Zentner ausmacht, und wie oben bemerkt, die Lasten, welche bisher auf dem Verkehr ruhten, nicht einmal um 4% übersteigt.
Bei der Vertheilung der einzelnen Waaren in die verschiedenen Tarifklassen wurden die Verhältnisse, in denen die Schweiz zu den Nachbarstaaten und namentlich zu dem Zollverein steht, so wenig aus den Augen verlohren, als ihre eigenen Bedürfnisse. So wurde, ungeachtet manigfaltiger Begehren von Landund Weinbauern, das Getreide nicht mit einer höhern Gebühr als 1 btz., der Wein nicht mit einer höhern als 1 Franken belegt. Die Gebühr von 1 btz. auf den Zentner Getreide ist fast nur als blosse Controlgebühr zu betrachten, wenn man bedenkt, dass gegen alle inneren Zölle und Weggelder wegfallen, welche früher weit mehr als einen Batzen betrugen, wenn das Getreide, wie das wirklich mit dem grössten Theil des aus dem Ausland in die Schweiz gekommenen stets der Fall war, nur einigermassen ins Innere geführt wurde.
Weit eher als das Ausland über diese minime Gebühr, hätte sich die Schweiz über die grossen Ausfuhrzölle zu beklagen, welche in den lezten Jahren vom nahen Ausland auf das Getreide gelegt wurden, und welche die Schweiz nöthigten, sich theilweise nach ändern Quellen für dieses Lebensmittel umzusehen.
Und doch erscheint unter den Begünstigungen des Verkehrs der Schweiz mit den Zollvereinsstaaten die zollfreie Einfuhr und Ausfuhr von Getreide und Hülsenfrüchten!
Gleiche Bemerkungen gelten bezüglich der rohen Farbkräuter, des gedörrten Obstes, wofür die bisher bezahlten Gebühren sich meist bedeutend höher stellten, als die jezige äusserst mässige Einfuhrgebühr. Das Wachs, das übrigens in sehr unbedeutender Menge aus den Vereinsstaaten in die Schweiz kommt, zahlt wenig mehr als die bisherige mittlere Gebühr von zehn Batzen. Der Wein wurde auch, obgleich Luxusartikel, mit keiner höhern Gebühr belegt als zehn Batzen oder 40 Kreuzer, weil die Einfuhr des Zollzentners schweizerischer Seeweine in die Zollvereinsstaaten ausnahmsweise gegen einen Zoll von 50 Kreuzer gestattet ist, ein Zollansatz, der noch um 25% höher ist, als der schweizerische.
Was nun das Eisen betrifft, so wurde entgegen den zahlreichen Begehren der schweizerischen Eisenproduzenten dasselbe mit einem so geringen Eingangszoll belegt, dass derselbe nur bei wenigen Sorten den Betrag der mittleren Gebühr von zehn Batzen vom Zentner erreicht, und in gar keinen Vergleich mit demjenigen Eingangszoll gestellt werden kann, welchen der deutsche Zollverein auf dem Eisen erhebt, und der für rohes Gusseisen 1 RThlr., für geschmiedetes und gewalztes Stabeisen 1 RThlr. 15 Sgr. bis 2 RThlr. 15 Sgr. beträgt, für façonnirtes Stabeisen, roh vorgeschmiedetes Eisen und schwarzes Eisenblech 3 RThlr., für weisses Eisenblech 4 RThlr., u.s.w.
Über die besonders hervorgehobene Bevorzugung von englischem Eisen ist zu bemerken, dass, wenn die Eidgenossenschaft in keiner Weise der schweizerischen Industrie durch ihr Zollsystem besondere Vortheile zuweisen wollte, sie dagegen auch Nachtheile fern zu halten hatte, welche ihr dadurch zugefügt werden könnten. Ein solcher Nachtheil wäre für mehrere Industriezweige eine zu hohe Gebühr auf denjenigen Eisensorten, welche unter dem Namen englisches Eisen bekannt sind, weil sie fast ausschliesslich in England verfertigt werden. Es sind dies entweder Stücke von ungewöhnlicher Form oder grösste wie Krummzopfen für grosse Dampfmaschinen, grosse Bleche für Dampfschiffe u. dgl., bei welchen mehr die Form oder Grösse die Tarifklasse bestimmt als die Herkunft, oder dann sehr geringe und wohlfeile Eisensorten, deren Ankaufspreis kaum die Hälfte desjenigen des deutschen, französischen oder schwedischen Eisens beträgt, und welches beim Maschinenbau in vielen Fällen statt Gusseisen verwendet wird. Bei solchen Eisen- Sorten ist es der Ankaufspreis und die geringe Sorte, welche die Tarifklasse bestimmt, wobei zu bemerken ist, dass gewöhnliches, aber theueres Eisen der bedeutenden Transportkosten wegen nicht aus England bezogen werden kann.
Ein Differentialzoll zu Gunsten eines Landes besteht daher in der Wirklichkeit nicht, obgleich ein solcher von der Schweiz wohl am ersten zu Gunsten Englands zugegeben werden könnte, da man sich nicht über besondere Zollbelästigungen von englischer Seite zu beschweren hat und die englische Marine der schweizerischen Industrie wesentliche Dienste leistet.
Eine überstürzte Einführung des neuen Zollgesetzes kann wohl nicht im Ernst gesehen werden, da zwischen dem Tag der Erlassung 30. Juni 1849 und demjenigen der Einführung 1. Februar 1850 nicht weniger als sieben Monate liegen, welche man noch reichlich benutzte, um die Schweiz mit einigen höher tarifierten Gegenständen anzufüllen.
Der Unterzeichnete hofft, dass die vorstehenden Aufschlüsse genügen sollten um alle Missverständnisse zu beseitigen, welche bezüglich des schweizerischen Zollgesezes bei dem königlichen Ministerium des Äussern obzuwalten scheinen, und er würde es unendlich bedauern, wenn die Bestrebungen der zahlreichen Freunde von Schutzzöllen in der Schweiz durch Massregeln des Auslandes unterstüzt würden, welche nur zum Schaden des gegenseitigen Verkehrs ausschlagen könnten.