Language: ns
1938-1944
StABS; SK-REG 10-3-0; "Kontrollbüro, Allgemeines" (darin: "Ausländer- und Flüchtlingsfragen")
Betrifft Flüchtlingspolitik Kanton Basel-Stadt.
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Der Bestand enthält einige zentrale Dokumente zur Basler Flüchtlingspolitik, v. a. der Jahre 1938-41. Darunter befinden sich das Protokoll einer vertraulichen Flüchtlingskonferenz vom 23.11.1938 zwischen Polizeidirektor Brechbühl, kant. Fremdenpolizei, Hilfswerken und jüd. Gemeinde, das über die "large Praxis" und die bewusste Missachtung der Politik des EJPD durch die Basler Behörden Auskunft gibt. Ferner finden sich eine deutliche Stellungnahme der Regierung gegenüber der Intervention des EJPD von 1939 und eine Petition der Liga für Menschenrechte für eine humane kantonale Flüchtlingspolitik (inkl. Unterschriftenbögen), welche mit dem Regierungsratsbeschluss (RRB) vom 30.3.1940 beantwortet wurde.
Der Bestand wurde bereits ausgewertet; vgl. Jean-Claude Wacker, Humaner als Bern!, 1992, S. 111-141.

Im folgenden sind v. a. Informationen zur Finanzierung der Flüchtlingspolitik wiedergegeben.


"Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt an den Regierungsrat. Protokoll der Flüchtlingskonferenz vom 23.11.1938", 2.12.1938
Alfred Goetschel, Präsident der jüdischen Gemeinde und Leiter der Israelitischen Fürsorge, erklärt in der Diskussion (zum Hintergrund - Flüchtlingsempfangsstelle Sommercasino etc. - vgl. Wacker, S. 127):
"Unsere bisherige Hilfsaktion kostete ca. 1 Million Franken. Wir werden aber trotz dieser finanziellen grossen Opfer auch in Zukunft unser möglichstes tun." Jeder Auswanderungsfall kostet nach seinen Angaben durchschnittlich Fr. 1000.-; nach Australien betragen die Kosten sogar Fr. 5000.- pro Emigrant.


"Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt an den Regierungsrat", 29.10.1940
Mit RRB vom 23.8.1940 wurden dem VSJF für zwei Emigranten aus dem Lotteriefonds je Fr. 400.- Auswanderungsbeiträge für die Reise nach San Domingo gewährt.
Das EJPD gewährt für 1 Person 250 bis 400, für 2 Personen 500 bis 600, für Familien max. 1000 Franken Auswanderungsbeiträge.
"Der Kanton Zürich leistet für den gleichen Zweck entsprechende Subventionen."
Antrag, für zwei weitere Gesuche wiederum je 400 Franken aus dem Lotteriefonds zu gewähren.
(Konsultation des Regierungsratsprotokolls 1940, VERTRAULICH/PERSONENSCHUTZ:)
23.8.1940, S. 387: Die vom VSJF für die Auswanderung von Ernst Laufer (1919) und Alois Schwarz (1913) gestellten Gesuche werden bewilligt. Das EJPD zahlte ebenfalls Fr. 400.- pro Person. Das kant. Polizeidepartement beantragt zudem die Ermächtigung, derartigen Gesuchen in Zukunft durch Subventionierung aus dem Lotteriefonds zu entsprechen. RRB: Das PD wird beauftragt, "über künftige derartige Subventionsgesuche erneut zu berichten".
15.11.1940, S. 537: Die Gesuche für die Auswanderung von Ernst Salinger (1920) und Chloma Rosenkranz (1887) nach San Domingo werden bewilligt.)

"Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt an den Regierungsrat", 1.10.1941.
Laut RRB vom 4.7.1941 soll das Polizeidepartement der Regierung über die grundsätzliche Behandlung von besonderen Toleranzbewilligungen Antrag stellen. Das PD holt dazu die Meinung des kant. Arbeitsamtes (!) ein und schliesst sich dieser Meinung kommentarlos an.
Stellungnahme des Arbeitsamtes:
"Mit dem Verlust der Niederlassungsbewilligung verliert der Ausländer auch das Recht der freien Erwerbstätigkeit", und er kann je nach Arbeitsmarktlage mit vollständigem Erwerbsverbot belegt werden. "Ausländer, die sich bisher während längerer Zeit einwandfrei aufgeführt haben und die eventuell schon mehr oder weniger asssimiliert sind", sollen jedoch keinen "unnötig schweren Bedingungen" unterworfen werden. Anders verhält es sich mit "unerwünschten Elementen" (dazu Randnotiz: "Wer beurteilt das?").
Es werden folgende Richtlinien beantragt:
1. Männer und alleinstehende Frauen können in der bisherigen Stellung bleiben. Eingehend zu prüfen sind jedoch alle Wechsel, insbesondere der Wechsel von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit und umgekehrt, der Berufswechsel und der Antritt einer Stelle in Vorgesetztenfunktion.
2. Verheiratete Frauen dürfen nur arbeiten, falls dies für die Familie absolut notwendig ist; dabei sind sie auf Haushaltungsstellen zu verweisen.

"Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt an den Regierungsrat", 17.9.1942.
Aus dem Lotteriefonds wird ein weiterer Auswanderungsbeitrag von Fr. 400.- gewährt.

"Finanzdepartement des Kantons Basel-Stadt an den Regierungsrat", 7.3.1944.
RR Carl Ludwig bemüht sich im Auftrag der Regierung bei BR v. Steiger während längerer Zeit darum, 6 Professoren der Universität Basel aus der strengen Kontrolle durch die eidg. Fremdenpolizei zu entlassen. Dies wird für 3 deutsche und 1 franz. Professor bewilligt; für Edgar Salin und Karl Ludwig Schmidt wird dies wegen ihrer Staatenlosigkeit verweigert.
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