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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 122
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#280* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 40 | |
Dossier title | China (1962–1963) | |
File reference archive | 051 |
dodis.ch/18927 Aktennotiz des Vorstehers des Politischen Departements, F. T. Wahlen1 Unterredung mit dem chinesischen Botschafter, Herrn Li Ching-Chuan, vom 15. Januar 1963
Der chinesische Botschafter überbrachte mir die Wünsche seiner Regierung zum neuen Jahr und sprach sich sehr befriedigt über die Beziehungen zwischen den beiden Ländern aus.
Er erwähnte namentlich seine Begegnung mit Herrn Botschafter Naville in Peking, verbreitete sich über die Verdienste unseres Botschafters und erklärte, die Regierung sei sehr glücklich, in der Person von Herrn Keller einen ebenso kompetenten Vertreter der Schweiz begrüssen zu können.
Er sagte dann, die einzige trübe Stelle in den schweizerisch-chinesischen Beziehungen sei die starke Verminderung des Handelsverkehrs in den letzten Jahren. Ich erwartete, dass er damit auf die Osthandelskampagne zu sprechen kommen wolle. Nachdem er sich längere Zeit in allgemeinen Ausführungen ergangen hatte, fragte ich ihn direkt, auf welche Ursachen er diesen Rückgang zurückführe. Der Botschafter sagte dann zu meiner Überraschung, dass es eine einzige Erklärung gebe, nämlich die gewaltigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor die sich die Chinesische Volksrepublik gestellt sehe. Er verbreitete sich eingehend über den industriellen Rückschlag, über die Stillegung der Konstruktion von Fabrikneubauten, die Schwierigkeiten in der Beschaffung von Investitionsgütern usw. und kam dann insbesondere auf die Agrarkrise zu sprechen, die er nicht ausdrücklich auf klimatische Schwierigkeiten allein zurückführte. Die Agrarkrise hätte zur Folge, dass nicht nur die chinesischen Agrarexporte zum Stillstand gekommen seien, sondern dass sehr grosse Mengen von Nahrungsmitteln, namentlich Getreide, eingeführt werden müssten, was es der Volksrepublik verunmögliche, in der Schweiz Investitionsgüter zu kaufen.
Auf meine Frage, auf welchen Zeitpunkt er die Überwindung dieser Schwierigkeiten für möglich halte, sagte er, dies sollte in wenigen Jahren möglich sein und er hoffe, dass die Schweiz trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten den potentiellen Wert des immensen chinesischen Marktes nicht aus den Augen verliere. Als Beispiel führte er an, dass es wohl seiner Regierung nicht möglich sein werde, in kurzer Frist jedem Chinesen die Anschaffung einer Uhr zu ermöglichen, dass aber für den wahrscheinlichen Fall, dass eine solche Anschaffung für jede Familie möglich werde, ein Absatz von 100 Millionen Uhren in Frage käme. Um den Faden der Beziehungen nicht abreissen zu lassen, hätte die Chinesische Regierung Herrn alt Bundesrat Petitpierre zu einem Besuch eingeladen, den er leider im Moment nicht ausführen könne.
Der Botschafter kam dann kurz auf den Grenzkonflikt China – Indien zu sprechen. Er bezog sich auf die Überreichung des Briefes von Chou en-Lai durch den Geschäftsträger2. Ohne jede polemische Note stellte er fest, dass China die militärischen Operationen abgebrochen hätte und dass eine Lösung in Aussicht stehe, die sicher auch von einer friedliebenden Nation wie der Schweiz begrüsst werde. Die Colombo-Konferenz der Neutralisten hätte eine Basis geschaffen, die für Peking durchaus annehmbar sei, aber von New Delhi noch nicht angenommen wurde. Peking sei aber gewillt, auf der Suche nach Frieden zu bestehen trotz gewisser Flugzeugprovokationen von Seite Indiens, die sich in den letzten Tagen ereignet hätten.
In den Darlegungen des Botschafters fiel der grosse Unterschied auf mit den seinerzeitigen äusserst polemischen Ausführungen des Geschäftsträgers.
- 1
- E 2804(-)1971/2/40.↩
- 2
- Vgl. das Schreiben von Zhou Enlai an die indische Regierung vom 15. November 1962, resp. die französische Übersetzung desselben, E 2200.174(-)1981/200/19.↩