[Darin: Politisches Departement. Antrag vom 22.5.1967 (Beilage).
Darin: Militärdepartement. Mitbericht vom 16.6.1967 (Beilage).
Darin: Finanz- und Zolldepartement. Mitbericht vom 6.7.1967 (Beilage).
Darin: Politisches Departement. Vernehmlassung vom 24.7.1967 (Beilage).
Darin: Justiz- und Polizeidepartement. Mitbericht vom 19.7.1968 (Beilage).
Darin: Politisches Departement. Stellungnahme vom 29.8.1968 (Beilage).]
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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 3. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der UNO 1942–2002, vol. 15, doc. 23
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#738* | |
Old classification | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 737.1 | |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates September 1968 (2 Bände) (1968–1968) | |
File reference archive | 4.11 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2807#1974/12#418* | |
Dossier title | Beteiligung der Schweiz an Friedensoperationen der Vereinten Nationen (1966–1968) | |
File reference archive | 077-02 |
dodis.ch/32907Vernehmlassung des EPD zu den Mitberichten des EMD vom 16. Juni 1967 und des EFZD vom 6. Juli 19671
Beteiligung der Schweiz an Friedensoperationen der Vereinigten Nationen2
Dem Mitbericht des Finanz- und Zolldepartements vom 6. Juli 19673 stimmen wir zu. Auf die finanziellen Überlegungen näher einzutreten, erscheint uns nicht nötig, da die politische Situation zurzeit für eine Verfolgung des Problems nicht günstig ist.4 Es rechtfertigt sich deshalb zuzuwarten.
Wenn wir auch zu diesem Schluss kommen, so können wir der Begründung des Militärdepartements in seinem Mitbericht vom 16. Juni5 nicht beipflichten.
Einmal ist es nicht richtig, in einer prinzipiellen Frage auf ein einziges konkretes Ereignis und auf eine bestimmte politische Situation abzustellen. Die Verhältnisse können sich rasch ändern. Es ist ohne weiteres denkbar, dass in einer andern politischen Lage wiederum Friedensoperationen und mit besseren Erfolgsaussichten durchgeführt werden und dass eine Beteiligung der Schweiz in Frage kommen könnte. Wir waren immer der Auffassung, dass über eine Beteiligung an einer konkreten Aktion von Fall zu Fall entschieden werden müsse, wie das auch alle andern Staaten, die an solchen Operationen mitwirkten, getan hatten. Es geht aber vorerst einmal um die prinzipielle Frage.
Nach wie vor sind wir der Überzeugung, dass eine Verfassungsrevision rechtlich nicht notwendig wäre. Wir teilen voll und ganz die rechtlichen Ausführungen des Finanz- und Zolldepartements in seinem Mitbericht vom 6. Juli 1967.6 Diese Auslegung der Verfassung wird durch eine langjährige Praxis des Bundesrates und der Bundesversammlung bestätigt. So hat sich die Schweiz seit langem durch die Zurverfügungstellung von finanziellen und materiellen Mitteln und durch die Entsendung von Personal an der Entwicklungshilfe beteiligt, im Auftrag der Vereinigten Nationen verschiedene Dienstleistungen erbracht7 und die UN finanziell unterstützt (Zeichnung eines Teiles der UN-Anleihe,8 finanzielle Beiträge an die Cypern-Aktion9), ohne dass hiefür eine ausdrückliche verfassungsmässige Grundlage besteht und dass vorher eine Verfassungsrevision durchgeführt wurde. In der Öffentlichkeit hat sich keine Kritik dagegen erhoben. Es wäre auch sinnwidrig anzunehmen, dass die Bundesverfassung die aussenpolitische Handlungsfähigkeit des Landes hätte beschränken und damit die Wahrung seiner Interessen aufs Spiel setzen wollen.
Die Meinung, das System der Freiwilligkeit bringe früher oder später die Schaffung einer aus unerfreulichen Elementen zusammengesetzte «Legion» mit sich, ist eine reine Annahme. Eine grössere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass gerade die besseren Elemente der Jugend sich an Aktionen der UN beteiligen würden. Die Erfahrungen, die Staaten wie Schweden, Norwegen, Finnland und Irland gemacht haben, weisen alle in diese Richtung.10
Die Frage, wer über einen allfälligen Rückzug einer UN-Truppe zu entscheiden hat, ist vorher zu regeln. Wenn die Aktion von der Zustimmung aller beteiligten Staaten abhängig gemacht wird, so folgt aus der Verweigerung dieser Zustimmung eines Staates die Pflicht, die Truppe zurückzuziehen. Für die Tätigkeit der UNEF war das Einverständnis der Vereinigten Arabischen Republik notwendig. Wurde dieses zurückgezogen, so blieb den UN nichts anderes übrig, als die Aktion abzubrechen. An dieser Rechtslage ändert sich nichts, ob nun der Generalsekretär oder ein anderes Organ den Rückzugsbefehl erteilt. Die gegenwärtige Kontroverse geht lediglich um Fragen der Taktik, vor allem ob es möglich gewesen wäre, Zeit zu gewinnen und die ägyptische Regierung zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen. Wäre dieses Ziel nicht erreicht worden, so wäre auch dem Sicherheitsrat oder der Generalversammlung nichts anderes übrig geblieben, als den Rückzug der Truppe anzuordnen. Sei dem wie ihm wolle, so kann diese Frage in Zukunft klar geregelt werden.
Wenn wir vorsehen, uns aus neutralitätspolitischen Gründen das Recht vorzubehalten, das schweizerische Kontingent unter bestimmten Umständen zurückzuziehen, so hat dies die Meinung, dass ein solcher Vorbehalt von vorneherein gemacht und in die Regelung mit der Organisation einbezogen würde. Eine spätere Zustimmung der UN wäre deshalb nicht nötig. Es geht auch nicht darum, dem Schweizersoldaten jeden Schuss zu ersparen, sondern um eine neutralitätspolitische Bedingung.
Ein angegriffenes Kontingent hat das Recht zur Selbstverteidigung und braucht hiefür weder einen Befehl seiner Regierung noch der UN abzuwarten. Bei allen bisherigen Aktionen bestand dieses Recht. Ein Warten auf weitere Befehle wäre im Falle der Selbstverteidigung gegen einen Angriff, also der Notwehr, sinnlos. Die unparteiische Haltung würde darin bestehen, dass die Truppe sich auf die Verteidigung der von ihr besetzten Stellungen beschränkt. Dass damit ein gewisses Risiko verbunden ist, wurde im Bericht der Arbeitsgruppe gesagt.11 Ohne jedes Risiko wäre die Beteiligung an einer Aktion aber überhaupt unmöglich.
Die Feststellung, eine Beteiligung der Schweiz an Friedensoperationen der UN sei unvereinbar mit unserer Neutralität, ist unrichtig, sofern die aufgestellten Bedingungen eingehalten werden. Wir verweisen hiefür auf den Bericht der Arbeitsgruppe.
Das Militärdepartement schlägt vor, die Frage der Aufstellung von Detachementen zur Katastrophenhilfe weiter zu prüfen. Es würde sich um die Leistung von sanitarischer Hilfe wie auch um technische Unterstützung (Wiederherstellung der öffentlichen Dienste, Übermittlungswesen) handeln. Dazu käme auch die Hilfe an bereits eingeleitete Aktionen, z. B. des IKRK; notwendig wäre vor allem, sprachenkundiges Personal zur Verfügung zu stellen. Dieser Anregung stimmen wir zu.
Ohne auf Einzelheiten jetzt schon eingehen zu wollen, glauben wir, dass es vorzuziehen wäre, derartige Detachemente auf ziviler Basis aufzuziehen. Es müsste sich wiederum um freiwillige Leistungen handeln; ein obligatorischer Dienst wäre rechtlich und faktisch kaum durchführbar. Die Hilfe sollte sowohl den Vereinigten Nationen oder andern internationalen Organisationen wie auch einzelnen Staaten geleistet werden können. Die Schweiz soll in der Lage sein, sich sowohl an kollektiven Aktionen zu beteiligen, wie auch selbständig Hilfe zu leisten.
Da es vorerst um die Abklärung technischer und organisatorischer Probleme geht, sollte das Militärdepartement die Leitung der Studien übernehmen, wobei das Bundesamt für Zivilschutz heranzuziehen wäre. Von grosser Bedeutung ist, sämtliche bereits bestehenden zivilen Organisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz und den Samariterbund beizuziehen. Es sollte möglichst auf dem Bestehenden aufgebaut werden.
Es wäre wünschbar, die Prüfung der Probleme möglichst rasch durchzuführen.
Sofern das Militärdepartement für die weitere Abklärung die Einsetzung einer Arbeitsgruppe vorsieht, so ersuchen wir, dass ein Vertreter der Abteilung für Internationale Organisationen unseres Departements zugezogen wird.
Wir beehren uns deshalb, dem Bundesrat zu beantragen:12
1. Die Frage einer Beteiligung der Schweiz an Friedensoperationen der UN wird vorläufig nicht weiter verfolgt.
2. Das Militärdepartement wird beauftragt, zusammen mit dem Bundesamt für Zivilschutz und unter Mitwirkung der bestehenden zivilen Organisationen das Problem der Katastrophenhilfe zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten.
- 1
- CH-BAR#E1004.1#1000/9#738* (4.11). Diese Vernehmlassung wurde vom Rechtsberater des EPD, Minister Rudolf Bindschedler, verfasst. Sie wurde vom EPD als Reaktion auf die Mitberichte des EMD vom 16. Juni 1967 und des EFZD vom 6. Juli 1967 zum Antrag des EPD an den Bundesrat vom 22. Mai 1967 ausgearbeitet. Der Antrag des EPD trägt fälschlicherweise das Datum des Begleitschreibens, welches die interdepartementale Studienkommission am 24. April 1967 ihrem Bericht über eine schweizerische Beteiligung an den Friedensoperationen der UNO (dodis.ch/32908) beigelegt hatte. Das Datum wurde auf den Kopien des Antrags handschriftlich auf den 22. Mai 1967 korrigiert. Am 19. Dezember 1967 wurde laut einer Aktennotiz der Abteilung für internationale Organisationen des EPD beschlossen, das Geschäft vorläufig nicht weiterzuverfolgen, vgl. das Dossier CH-BAR#E2003A#1980/85#2000* (o.715.81). Am 19. Juli 1968 verfasste das EJPD schliesslich einen Mitbericht, den das EPD am 29. August 1968 in einer Stellungnahme beantwortete. Der Bundesrat nahm in seiner Sitzung vom 11. September 1968 Kenntnis vom Bericht der interdepartementalen Studienkommission, beschloss jedoch, die Frage einer Beteiligung der Schweiz an Friedensoperationen der UNO nicht weiterzuverfolgen. Für Antrag, Mitberichte, Stellungnahme, Vernehmlassung und das BR-Prot. Nr. 1404 vom 11. September 1968 vgl. das Faksimile dodis.ch/32907. ↩
- 2
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Beteiligung an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen (Blauhelme), dodis.ch/T2038.↩
- 3
- Vgl. das Faksimile dodis.ch/32907.↩
- 4
- Im Mai 1967 erteilte der UNO-Generalsekretär Sithu U Thant auf Drängen des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser den international umstrittenen Befehl zum Abzug der Noteinsatztruppe I der UNO (UNEF I) aus Ägypten.↩
- 5
- Vgl. das Faksimile dodis.ch/32907.↩
- 6
- Vgl. das Faksimile dodis.ch/32907.↩
- 7
- Vgl. die thematische Zusammenstellung Neutrale Überwachungskommission des Waffenstillstands in Korea (NNSC), dodis.ch/T2067 sowie QdD 15, Dok. 12, dodis.ch/9638. Zur Unterstützung der Friedenstruppen der UNO während der Suezkrise vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2262 und QdD 15, Dok. 16, dodis.ch/9575. Zu den Aktivitäten der Schweiz zugunsten der UNO-Aktion im Kongo vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2228, insbesondere dodis.ch/15341. Zur Mitwirkung der Schweiz an der UN-Untersuchungskommission für Vietnam vgl. QdD 15, Dok. 19, dodis.ch/18900.↩
- 8
- Vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2270, insbesondere QdD 15, Dok. 18, dodis.ch/30220.↩
- 9
- Zu den Beiträgen an die UNFICYP vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2203.↩
- 10
- Vgl. dazu das Dossier CH-BAR#E2003A#1980/85#2000* (o.715.81).↩
- 11
- Der Bundesrat beauftragte im Herbst 1965 das EPD und das EMD unter der Leitung von Minister Bindschedler, ihm eine gemeinsame Studie zur Frage eines schweizerischen Blauhelm-Truppenkontingents zu unterbreiten, vgl. den Antrag des EPD vom 22. Mai 1967, Faksimile dodis.ch/32907. Für den Bericht der interdepartementalen Studienkommission über eine Beteiligung der Schweiz an den Friedensoperationen der UNO vom 24. April 1967 vgl. dodis.ch/32908.↩
- 12
- Für den Entscheid des Bundesrats vgl. das Faksimile dodis.ch/32907.↩
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Participation in the United Nations peacekeeping forces (Blue Helmets)
Neutrality policy Military policy UNO – General