Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.13. HONGRIE
II.13.1. HONGRIE - RELATIONS POLITIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 184
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#176* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 91 | |
Dossier title | Budapest, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 4 (1944–1945) |
dodis.ch/47788
Durch Kurzbericht hatte ich die Ehre, Ihnen zu melden, dass ich aus meiner erneuten Besprechung mit dem Ungarischen Reichsverweser die Überzeugung gewinnen konnte, dass Admiral Horthy mit der Politik der heute am Ruder befindlichen Regierung nicht in allen Punkten einiggeht und vor allem die bisherige Judenpolitik des Kabinetts Sztöjay desapprobiert2.
Seit Wochen findet ein innenpolitischer Kampf statt um die Beseitigung oder wenigstens um eine wesentliche Modifizierung der jetzigen Regierung. Des Reichsverwesers Plan wäre, an die Spitze des Kabinetts einen Militär zu stellen, der die Portefeuilles an parteilose Fachminister verteilen würde. Diese gegen die politischen Parteien gerichtete Tendenz hat sich bisher nicht durchsetzen können, sondern die politischen Parteien sind zurzeit daran, sich über die Regierungsbildung zu verständigen und eine Koalitionsregierung aufzustellen, in der alle rechtsstehenden Parteien vertreten wären und auch der Pfeilkreuzlerführer Szalassy Platz finden solle.
Die Parteien-Verhandlungen stehen unter dem Druck von verschiedenen Machtfaktoren. Als bedeutendste unter diesen müssen die im Lande anwesenden deutschen Gestapo- und SS Truppen bezeichnet werden. Daneben spielt die ungarische Honvéd, aber auch die ungarische Gendarmerie eine Rolle. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass der Innenminister Jaross und seine zwei Staatssekretäre Endre und Baky, denen die Vollstreckung der Judenverordnungen untersteht, anfangs Juli grössere Gendarmerie-Kräfte in der Hauptstadt zusammengezogen haben, hauptsächlich um die Sammlung und Deportation der Juden zu bewerkstelligen, aber es scheint auch, um ihre eigene Machtstellung zu verstärken und um ihren Anordnungen und Begehren mehr Nachdruck zu verleihen. Die Leitung der Honvéd, die dieses Manöver durchschaute, hat es dadurch durchkreuzt, dass sie Truppen ausrücken liess und es erreichte, dass die Gendarmerie-Truppen wieder abziehen mussten. Man hat diesen Zwischenfall nicht mit Unrecht als kleinen Putschversuch bezeichnet.
Seitdem es die Opposition erreicht hat, dass die Judendeportationen nach Deutschland vorläufig abgestoppt und den Juden allerlei Erleichterungen gewährt wurden, haben die im Lande anwesenden Gestapo- und SS Truppen eine als Drohung aufzufassende Demonstration in der Hauptstadt veranstaltet, indem sie in etwa Divisionsstärke durch die Strassen Budapest’s gezogen sind, um sich in der Umgebung der Hauptstadt zu zerstreuen.
Bei diesem Stand der Dinge ist es das Hauptziel des Reichsverwesers, die tatsächliche Macht im Lande wieder in seine Hand zu bekommen. Und zu diesem Zwecke bemüht er sich unablässig, die immer noch in Russland sich befindlichen ungarischen Divisionen zurückzukriegen. Gemeint sind hier nicht die unmittelbar jenseits der Karpathen stehenden ungarischen Truppen, die das eigene Land im Rücken haben und denen es jederzeit möglich sein wird, nach Ungarn zurückzukehren, sondern jene besten ungarischen Kavallerie-Divisionen, die ins Innere Russlands gezogen sind und nach dem Versprechen der Deutschen eigentlich nur als Polizei- und Etappentruppen hätten Verwendung finden sollen. Diese ungarischen Kräfte stehen heute noch im Sektor von Lemberg an der russischen Front und werden auch gegen Tanks eingesetzt, sodass sie schwerste Verluste erleiden. Ich habe ganz vertraulich vernehmen können, dass diese ungarischen Truppen den Befehl erhalten haben, unbedingt zurückzukehren und sich gegebenenfalls auch gegen Widerstand durchzuhauen.
Der Reichsverweser hat nun als äusserste Massnahme ein Schreiben an Hitler gerichtet und seinen Generaladjutanten mit diesem Brief persönlich zum deutsehen Führer geschickt3. Er soll in seinem Schreiben kategorisch die Rückkehr der erwähnten ungarischen Truppen verlangen.
Wäre Reichsverweser Horthy in der Lage, über diese seine bestausgerüsteten und ertüchtigten Truppen im Lande zu verfügen, so könnte er auf die Politik des Landes einen ganz ändern, ja einen entscheidenden Einfluss nehmen. Es steht dem Reichsverweser fern, etwa Verrat zu üben und die Deutschen im Lande mit den Waffen anzugehen, dagegen würde er es nicht dulden, dass Gestapo- und SS Truppen in seinem Lande agressiv werden sollten. In diesem Falle könnte die Situation in Ungarn von einem Tag auf den ändern evoluieren, d.h. Ungarn könnte noch in letzter Stunde in das andere Lager zu stehen kommen4. Ich brauche hier nicht näher auf diesen Punkt einzugehen, dessen Bedeutung Sie ohne weiteres erkannt haben werden. Die vorstehende Skizzierung soll auch die Bemerkung meines Kurzberichtes erklärlich machen, dass auch die Innenpolitik und insbesondere die Judenpolitik Ungarns eine Machtfrage geworden ist.
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- Au sujet des mesures antisémites en Hongrie, cf. ci-dessus le No 171. La lettre signée par le Chef du DPF le 7 juillet ne part qu’avec le courrier du 17 juillet. Un télégramme résumant les instructions de Pilet-Golaz est expédié le 12 juillet et Jaeger y répond par un télégramme du 18 juillet (expédié à 23 h 12 et reçu à Berne le 19 juillet à 15 h 30): Nummer 220. Ihr 229, Judenverordnungen in Ungarn. Habe sofort bei Reichsverweser und Ministerpräsident persönlich interveniert. Als vorläufiges Resultat der Demarche, die auch vom Heiligen Stuhl, vom schwedischen Roten Kreuz und namens War Refuge Board unternommen wurden, kann ich Ihnen durch Kurier Bericht ganze Reihe von Milderungen und Begünstigungen melden, von denen die wichtigste die einstweilige vollständige Unterbrechung der Judenverschickung nach Deutschland ist. In einstündiger Besprechung mit Staatschef konnte ich Überzeugung gewinnen, dass Reichsverweser Horthy ein absoluter Gegner der bisherigen Judenpolitik des Kabinetts Sztojay ist, er trachtet danach dieses Kabinett zu beseitigen. Ein hoher Militär soll an die Spitze der Regierung treten und die Portefeuilles an parteilose Fachminister vergeben. Solange dies nicht möglich, geht Horthys Bestreben darauf, den das Judenressort verwaltenden Innenminister und besonders seine zwei anrüchigen Staatssekretäre Endre und Baky zu entfernen. Die Durchsetzung dieser Vorhaben ist eine Machtfrage, die sich heute verästelt durch die Partei bis in die Machtsphären der daran politisch stark interessierten deutschen Verbündeten. Darüber werde ich noch besonders berichten und bitte diesen Punkt stets vor Augen zu halten in der Beurteilung der Judenfrage in Ungarn (E 2001 (D) 3/172). De plus, Pilet-Golaz adresse le 13 juillet, la notice suivante à de Haller: On annonce - les journaux - qu’on évacuerait les enfants de Budapest. Ce serait peut-être l’occasion d’offrir d’en hospitaliser en Suisse et notamment de préciser que nous sommes disposés à recevoir quelques milliers d’enfants juifs, ceux qui en ont plus particulièrement besoin et ceux qui seraient sans parents. Je suis persuadé que vous en avez déjà discuté avec la Croix-Rouge suisse. Même si les chances d’acceptation sont minimes, nous devons essayer de tout tenter pour venir en aide à ces malheureux. Dans une conversation que j’ai eue avec le Ministre des Etats-Unis vendredi le 8 juillet, je lui ai déclaré que si nous pouvions hospitaliser 5000 enfants juifs, je n’hésiterais pas une seconde à les accueillir, persuadé d’ailleurs que, plus tard, Angleterre et Amérique nous aideraient ou à les renvoyer chez eux, ou à les transporter en Palestine, ou les conduire aux Etats-Unis. Mais, bien entendu, je n’ai pas manqué d’ajouter que je croyais très peu à un consentement de la part de ceux qui, en fait, peuvent dire oui (E 2001 (D) 1968/74/17). Par une lettre du 15 juillet et un télégramme du 19 juillet, le DPF transmet à la Légation de Suisse à Budapest des instructions afin de déterminer la possibilité d’accueillir des enfants hongrois en Suisse (Cf. E 2001 (D) 3/172).↩
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