Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.9. ÉTATS-UNIS
II.9.2. ÉTATS-UNIS - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 105
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1000/1572#978* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1000/1572 92 | |
Dossier title | Allgemeine Transferfragen (1943–1945) | |
File reference archive | C.47.200 • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
dodis.ch/47709
Le Chef de la Section du Contentieux et des Intérêts privés à l’Etranger du Département politique, R. Kohli, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1 FINANZVERHANDLUNGEN MIT DEN U.S.A.
I. Am Montagnachmittag hat mich Herr Bundesrat Nobs zu sich kommen und sich den Standpunkt des Politischen Departements ausführlich darlegen lassen. Ich glaubte ihn davon überzeugt zu haben, dass wir in der Situation, in der wir nun einmal sind, gut beraten wären, wenn wir den Alternativvorschlag der Gesandtschaft annähmen, der uns einen Plafond von 5 Millionen Franken monatlich zugesteht.
Gestern Nachmittag fand nun eine mehrstündige Aussprache zwischen Herrn Bundesrat Nobs und dem Direktorium in Gegenwart des Unterzeichneten statt. Diese Aussprache ist völlig negativ verlaufen, indem es mir nicht gelang, den Standpunkt des Politischen Departements zu Anerkennung zu bringen. Herr Bundesrat Nobs fasste die Ergebnisse dahin zusammen, dass er dem Bundesrate beantragen werde, an den 25 Millionen Franken bis Ende des Jahres festzuhalten. Beschlösse der Bundesrat etwas anderes, so geschehe es gegen seine Anträge2.
II. Der Standpunkt der Nationalbank ist kurz folgender:
1. Herr Minister Bruggmann habe sich auf eine Sache eingelassen, von der er nichts verstehe. Er stehe in der Behandlung der Angelegenheit offenbar stark unter dem Einfluss des Herrn Straessle der vom privaten Bankgewerbe herkomme und die Dinge unter diesem Gesichtswinkel betrachte. Von Herrn Pfenninger habe die Nationalbank den Eindruck, dass er zu den Vorgehen der Gesandtschaft in Opposition stehe. Herr Pfenninger sei übrigens nur Angestellter der Nationalbank und habe nicht die Befugnis, in ihrem Namen verbindlich zu sprechen.
Die Telegramme der Nationalbank seien völlig missverstanden worden. Sie habe stets und zu allen Zeiten die Abgabe von Franken zur Intervention auf dem Dollarmarkt abgelehnt.
Hiezu ist zu sagen, dass die Telegramme sicher in guten Treuen so verstanden werden mussten, wie sie Herr Minister Bruggmann verstanden hat und dass ihn insofern sicher kein Vorwurf treffen kann. Ferner hat nicht Herr Bruggmann die Initiative ergriffen, sondern die amerikanische Regierung, die dem bevollmächtigten Vertreter des Bundesrates gewisse Erröffnungen machte, die dieser weiterleitete, woraufhin er mit der Übermittlung der schweizerischen Antwort beauftragt wurde. Alle wichtigen Telegramme tragen ausdrücklich auch die Unterschrift von Dr. Pfenninger.
2. Die Nationalbank sei in letzter Zeit von der Handelspolitik und der auswärtigen Politik bevormundet und zensuriert worden. Nach dem Nationalbankgesetz sei sie allein verantwortlich für die schweizerische Währung, und der gesetzliche Zustand müsse wieder hergestellt werden.
Der Unterzeichnete erwiderte, dass die Währungspolitik heute nicht gewissermassen in einem abgeschlossenen Laboratorium betrieben werden könne, dass es die Schuld weder des Politischen noch des Volkswirtschaftsdepartements sei, wenn heute fremde Regierungen die Währungspolitik als ein wichtiges Element ihrer Aussenpolitik betrachten (Keynes- und White-Pläne3, alliierte Gespräche mit Russland, alliierte Erklärungen betr. die Goldoperationen Neutraler mit den Achsenmächten usw.). Es könne nur eine schweizerische Währungspolitik geben; diese habe aber zwei Seiten, eine rein währungspolitische und eine aussen- bzw. handelspolitische, wie die zwei Seiten einer Münze. Es sei deshalb unerlässlich, dass man sich verständige, um gegenüber dem Ausland eine einheitliche Front herzustellen.
3. Die Nationalbank hat die Lage bereits insofern präjudiziert, als sie auf ein Gesuch der Federal Reserve Bank, ihr zu gestatten, über die bereits zugesagten Quoten für die Monate April bis Juni (für Regierungsbedürfnisse der amerikanischen Regierung) jetzt schon zu verfügen, eine negative Antwort gab (Beilage 14).
Sie hat wegen dieser Antwort vorher nicht mit dem Politischen Departement Fühlung genommen und damit Hrn. Minister Bruggmann in eine schiefe Lage gebracht. Sie stellt sich auf den Standpunkt, sie habe stets mit ausländischen Notenbanken direkt verkehrt (was richtig ist), und es liege in ihrer Kompetenz, dies zu tun.
Ich konnte hierauf nur erwidern, dass das Politische Departement erwartet hätte, man würde mit ihm Fühlung nehmen, da die aussenpolitische Bedeutung des Telegramms auf der Hand liege und Herr Minister Bruggmann hätte informiert werden müssen.
4. Den verschiedenen amerikanischen Vorschlägen begegnet die Nationalbank mit grösstem Misstrauen. Sie ist überzeugt, dass der Plan, den Dollar im Verhältnis zum Franken zu stabilisieren, zu einem völligen Misserfolg verurteilt ist, solange das Freezing nicht aufgehoben und nicht dazu der freie Warenverkehr wiederhergestellt ist. Infolgedessen müsse es die Nationalbank ablehnen, auf die Vorschläge von Herrn Minister Bruggmann einzutreten. Herr Präsident Weber fügte immerhin bei, wenn der Bund den amerikanischen Wünschen entsprechen wolle, so sei das seine Sache.
III. Trotz dieser Situation bin ich überzeugt, dass wir mit einer negativen Antwort unsere gesamten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten einer starken Belastung aussetzen, die sich auch in der Nachkriegszeit auswirken kann.
Ich beantrage daher, den Alternativvorschlag der Gesandtschaft ohne weiteres Zögern anzunehmen. Dabei weiss ich allerdings nicht einmal sicher, ob dieser Vorschlag nicht durch die seitherigen Telegramme, insbesondere durch Nr. 2275, überholt ist und man in Washington erwartet, die Schweiz werde, entsprechend den Erklärungen des Herrn Minister Bruggmann, den U.S.A. gegen frei exportierbares Gold unlimitierte Frankenbeträge auf Zusehen hin zur Verfügung stellen.
Das beiliegende Telegramm konnte in Anbetracht der Lage mit dem Direktorium der Nationalbank nicht besprochen werden. Es ist aber so gehalten, dass alle technischen Fragen wenn nötig durch die Nationalbank mit der Federal Reserve Bank geregelt werden können.
Die Absendung dieses Telegramms ist äusserst dringlich, sodass nicht mehr Zeit besteht, nochmals eine Besprechung mit dem Direktorium abzuhalten.
Ich darf an folgende grundlegende Überlegungen erinnern:
1. Man mag sich zu der «Schuldfrage» stellen wie man will, so ist Tatsache, dass der Schweizerische Gesandte in Washington der amerikanischen Regierung anerboten hat, die Schweiz werde den U.S.A. unlimitierte Frankenbeträge zur Verfügung stellen, wenn sie den Gegenwert in frei exportierbarem Gold erhalte. Die amerikanische Regierung hat diese Offerte in aller Form angenommen.
2. Nach einem früheren Telegramm der Gesandtschaft (Nr. 220 Ziffer 4)6 scheint sich auch das Treasury Department mit einem Plafond abzufinden. Dieser Plafond darf jedenfalls nicht niedriger sein als 5 Millionen Franken. Herr Bundesrat Nobs wird eventuell seine Zustimmung zu diesem zusätzlichen 5 Millionen geben, aber nur für eine Lösung längstens bis zum 30. Juni. Ich habe ihm bereits in aller Offenheit erklärt, dass es von der Situation am 30. Juni abhänge, ob wir aufhören können oder nicht. Gerade wenn die Regelung günstige Wirkungen zeitigt, wird die Schweiz nicht einfach einseitig erklären können, sie mache nicht mehr mit. Am 30. Juni geht unser Abkommen mit Deutschland zu Ende, und wir werden mit beiden Kriegsparteien wiederum schwierige Verhandlungen zu führen haben. Es hiesse daher sich einer Illusion hingeben, wenn man sich damit trösten wollte, am 30. Juni seien wir unter allen Umständen wieder völlig frei.
3. Was unsere Lage gegenüber der amerikanischen Regierung besonders heikel erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass das Treasury Department im Vertrauen auf die Zusage von Minister Bruggmann auf dem Frankenmarkt in New York seit bald vier Wochen interveniert und die Frankenbeträge, über die es verfügte, bereits verbraucht hat. Dazu käme der empfindliche Prestigeverlust für das Treasury, wenn es die Intervention nun aufgeben müsste.
4. Amerika vergleicht immer wieder mit unseren Exporten nach Deutschland und begreift einfach nicht, weshalb wir so zurückhaltend sind, Franken gegen frei exportierbares Gold zu geben, während wir für den Warenexport nach Deutschland einen Kredit von 850 Millionen Franken zur Verfügung gestellt haben, dessen Gegenwert in Reichsmarkgutschriften besteht. Auch mit England wird verglichen, dessen Abkommen mit uns den Zahlungsverkehr zwischen beiden Ländern sehr erleichtert.
5. Die Summen, um die es sich handelt, sind gering, gemessen an den politischen und wirtschaftlichen Interessen, die auf dem Spiele stehen. Unser neues Abkommen mit Deutschland ist auf dem Prinzip des sich selbst tragenden Clearing aufgebaut. Trotzdem die Budgetgrundlagen mit grösster Sorgfalt berechnet oder geschätzt worden sind, ist es je nach der Entwicklung des schweizerisch-deutschen Warenverkehrs möglich, dass ein Defizit von einigen oder einigen Dutzend Millionen eintritt, so dass die Auszahlungen (aus dem noch nicht voll in Anspruch genommenen Kredit von 850 Millionen Franken) eventuell wieder aufgenommen werden müssen, um die Wartefrist nicht über neun Monate ansteigen zu lassen. Eine solche Überschreitung des Clearingbudgets könnte den Alliierten nicht verheimlicht werden. Tritt sie ein, so müssen wir an ihr Verständnis appellieren. Die Haltung der amerikanischen Regierung wird dabei, weil erfahrungsgemäss die strengere, sehr ins Gewicht fallen. Wir dürfen schon deshalb unter keinen Umständen den Eindruck aufkommen lassen, als würden wir gegenüber Berlin eine offenere Hand haben als gegenüber Washington.
6. Die ständige Delegation für die Wirtschaftsverhandlungen billigt den Standpunkt des Politischen Departements voll und ganz. Sie hat es in Anbetracht der verworrenen Lage als notwendig erachtet, Herrn Bundespräsident Stämpfli gestern abend einlässlich zu orientieren. Ich habe eine Kopie des Telegrammentwurfs in seinen Händen gelassen. Eine zweite Kopie werde ich versuchen, Herrn Bundesrat Nobs heute morgen zuzustellen.
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United States of America (USA) (Economy)