Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
A. AVEC LES ÉTATS LIMITROPHES
1. Allemagne
1.2. Affaires économiques.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 351
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7329* | |
Old classification | CH-BAR E 2001 (D) 2 229 | |
Dossier title | H.A. von BR Pilet-Golat über Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland (1940–1942) | |
File reference archive | C.21.21.01 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/47108 Compte-rendu des négociations économiques germano-suisses1 NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE UNTERREDUNG VOM 29. JULI 1940, NACHM. 16-18 UHR, IN DER BLOCKADEFRAGE.
Anwesend: Herr Direktor Dr. Hotz, Herr Ministerialrat Seyboth,
Herr Direktor Hornberger, Herr Geheimrat Sabath.
der Unterzeichnete2.
I. Ausfuhr nach England und Frankreich.
Herr Ministerialrat Seyboth: Die deutsche Delegation habe Auftrag, von der schweizerischen Delegation zu verlangen, dass sich die Schweiz verpflichte, nach Grossbritannien nur noch mit deutscher Genehmigung Waren auszuführen. Die schweizerische Delegation habe in vorangegangenen Erörterungen über die Blockadefrage daraufhingewiesen, dass die Ausfuhr der Schweiz nach England praktisch bereits völlig unterbunden sei. Das treffe aber nach den Informationen, die den deutschen Behörden vorlägen, nicht zu. Es gingen nun wieder regelmässig Camionzüge von Genf über Frankreich nach Spanien und Portugal. Das deutsche Begehren sei daher nicht gegenstandslos.
Herr Direktor Hotz begründet einlässlich den schweizerischen Standpunkt. Die schweizerische Ausfuhr nach Grossbritannien sei in Tat und Wahrheit völlig belanglos. Deutschland habe es zudem in der Hand, diese Ausfuhr zu kontrollieren. Die schweizerische Delegation müsse die dringende Bitte an die deutsche Delegation richten, der ganz besondern, völlig einzigartigen Lage der Schweiz und ihrer überlieferten Neutralitätspolitik Rechnung zu tragen. Wenn die Schweiz auf das deutsche Begehren nicht eintreten könne, so gehe es ihr dabei nicht um die Wahrung wirtschaftlicher Vorteile durch einen noch so geringfügigen Güteraustausch mit England. Worauf es ihr ankomme, sei die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs mit den überseeischen Neutralen. Es bestehe begründete Hoffnung, dass England die von der schweizerischen Regierung auf Zeit gecharterten griechischen Schiffe in Gibraltar durchlasse. Diese Möglichkeit sich offen zu halten, sei für die schweizerische Versorgung von grösster Bedeutung und könne auch Deutschland nur willkommen sein. Die Schiffe sollen sodann auch die schweizerische Ausfuhrware nach den überseeischen Neutralen aufnehmen.
Herr Geheimrat Sabath: Es ist Deutschland in der Tat lieber, eine wirtschaftlich gesunde Schweiz als Nachbar zu haben, statt eines geschwächten Landes, das Deutschland nicht beliefern kann. Im Entscheidungskampf mit England muss Deutschland aber andererseits alles daran setzen, das Kriegspotential des Gegners zu schwächen. Diesem Ziel müssen gegenwärtig alle ändern Interessen untergeordnet werden.
Deutschland hatte sich bei Kriegsausbruch vorgestellt, dass die neutralen Staaten ihren Handelsverkehr mit beiden Kriegsparteien völlig unbehindert fortsetzen könnten und sich Beschränkungen ihrer Rechte nicht gefallen lassen würden. Die Schweiz hat sich aber mit dem Vertrag, den sie mit Frankreich und Grossbritannien schloss, in die Blockadebestrebungen der Gegner Deutschlands einordnen lassen. Deutschland liess in der Blockadefrage England zunächst vorangehen, holt jetzt aber auf. Die deutsche Regierung muss verlangen, dass die Schweiz ihrer Lage Rechnung trägt. Sie ist Aufmarschgebiet, und Deutschland kann nicht dulden, dass England weiterhin von der Schweiz aus mit kriegswichtigen Gütern versorgt wird. Die Schweiz kann sich England gegenüber ruhig darauf berufen, dass sie sich in einer Zwangslage befunden habe. Sie kann ja auch gar nicht anders, als dem deutschen Begehren zu entsprechen, da sie völlig in deutscher Hand ist.
Die von der schweizerischen Delegation angeregte Lösung der tatsächlichen Kontrolle des schweizerischen Aussenhandels wäre unbequem. Es müsste an der ganzen schweizerisch-französischen Grenze ein deutsches Zollkordon eingesetzt werden. Das ist nicht die deutsche Absicht. Es ist daher viel einfacher, sich direkt mit der Schweiz zu verständigen, dass ohne deutsche Genehmigung nichts mehr nach Grossbritannien ausgeführt werden darf.
Der Unterzeichnete stellt fest, dass sich die Schweiz je und je bereit erklärt hat, mit Deutschland ein gleiches Abkommen zu schliessen wie mit Frankreich und Grossbritannien. Es handelt sich nicht darum, wie die Schweiz ihre Haltung gegenüber England rechtfertigen könnte, wenn sie dem deutschen Begehren entsprechen würde. Das sei eine Verkennung der schweizerischen Neutralität. Die schweizerische Delegation müsse vielmehr ihre Haltung gegenüber dem Bundesrat und dieser die von ihm eingegangenen Verpflichtungen vor dem Volke rechtfertigen können. Der Bundesrat sei auf die Verfassung vereidigt. Sie mache es ihm zur Pflicht, die Neutralität des Landes zu wahren. Der General sei ausdrücklich ausser auf die Verfassung auch auf die Wahrung der Neutralität vereidigt worden. Die Schweiz habe ihre Neutralität stets und nach allen Seiten aufrechterhalten.
Herr Dr. Hornberger: Die schweizerische Delegation kann nicht anerkennen, dass die Blockadevereinbarungen mit Frankreich und Grossbritannien den schweizerischen Neutralitätspflichten zuwiderlaufen. Die Schweiz hat sich keineswegs den britischen Zumutungen gefügt. Das Gegenteil war der Fall. Sie hat sich gegen das britisch-französische Begehren, die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland abzubrechen, mit grösster Energie zur Wehr gesetzt und hat dabei Erfolg gehabt. Dies hat auch der Vorsitzende der deutschen Delegation, Herr Gesandter Hemmen, in aller Form anerkannt. Die Vereinbarungen haben der Schweiz das Recht gegeben, nicht nur Textilerzeugnisse nach Deutschland zu liefern, sondern sogar Nickel und Kupfer. Sie haben es der Schweiz ermöglicht, den bisherigen Wirtschaftsverkehr mit Deutschland aufrechtzuerhalten. Was Deutschland nun von der Schweiz verlangt, ist grundsätzlich etwas völlig anderes. Wir sollen uns rechtlich verpflichten, mit einem der Kriegführenden den Wirtschaftsverkehr völlig abzubrechen. Das können wir nicht, ohne unsere staatspolitischen Grundsätze zu verleugnen und eine Haltung einzunehmen, die der bisherigen, auch gegenüber Grossbritannien und Frankreich eingenommenen, diametral entgegengesetzt ist.
In der Sache selbst bestehen keine Divergenzen. Eine schweizerische Ausfuhr nach Grossbritannien ist derzeit gar nicht möglich. Man sieht nicht, wie sie verwirklicht werden könnte. Deutschland verlangt einen Text, dessen Inhalt bereits erfüllt ist. Es sollte daher nicht schwer fallen, eine Form zu finden, die unsern staatsrechtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Es handelt sich nicht darum, an der Grenze Zollkordons einzusetzen. Deutschland wird der französischen Regierung bezüglich der Aus- und Durchfuhr gewisse Verpflichtungen auferlegen. Es wäre daher z.B. denkbar, dass Frankreich die Durchfuhr schweizerischer Exportware nur noch gestatten würde, wenn die Ware von einem Papier begleitet wäre, das die Beglaubigung eines deutschen Konsulats tragen würde.
Herr Ministerialrat Seyboth: Als England der Schweiz zumutete, dass sie den Verkehr mit Deutschland abbreche, war die Lage für die Schweiz eine gänzlich andere als jetzt. Ein solcher Abbruch hätte einen casus belli begründet. England hätte der Schweiz einen wirksamen Schutz gegen Deutschland nicht gewähren können. Anders ist es jetzt.
Herr Seyboth will die schweizerische Anregung immerhin prüfen. Die Lösung würde darin bestehen, dass Deutschland von Frankreich verlangen müsste, schweizerische Ausfuhrsendungen über französisches Gebiet nur noch durchzulassen, wenn sie von einem Papier begleitet wären, das die Beglaubigung eines deutschen Konsulats tragen müsste. Das Schwergewicht der Kontrolle würde damit auf das schweizerische Gebiet verlegt. Es müsste eine Verständigung mit Italien getroffen werden, damit für die Durchfuhr durch Italien ebenfalls ein von einem italienischen Konsulat beglaubigtes Begleitpapier verlangt würde.
Herr Direktor Hotz und Herr Dr. Hornberger weisen darauf hin, das sich die Tätigkeit der deutschen Konsulate auf die Erteilung der Beglaubigungen zu beschränken hätte. Soweit Nachprüfungen erforderlich wären, müsste die Mitwirkung der schweizerischen Behörden in Anspruch genommen werden. Die Schweiz hat die Ausübung direkter Kontrollmassnahmen durch britische Konsulate ebenfalls nicht zugelassen. (Dies wird von den beiden deutschen Herren anerkannt.)
Bezüglich der Ausfuhr nach Frankreich wird auch deutscherseits festgestellt, dass sich das Problem wesentlich anders darstelle. Die deutsch-französischen Verhandlungen werden zum Abschluss kommen, bevor der schweizerischfranzösische Verkehr staatsvertraglich neu geregelt werden kann. Herr Seyboth bemerkt, es sei beabsichtigt, von Frankreich zu verlangen, dass es den künftigen Wirtschaftsvertrag mit der Schweiz den deutschen Behörden zur Gutheissung vorlege.
77. Ausfuhr nach neutralen Staaten.
Herr Direktor Hotz äussert sich auch zum Problem der Beschränkung der schweizerischen Ausfuhr nach neutralen Staaten. Deutschland wünscht, dass diese Ausfuhr auf den normalen Umfang des Jahres 1938 oder 1937, sofern die Zahlen für die Schweiz günstiger sind, beschränkt werde. Dieses Begehren trägt den schweizerischen Bedürfnissen nicht genügend Rechnung. Es besteht kein Grund, die Ausfuhr nach Ländern zu beschränken, die für die Wiederausfuhr nach Grossbritannien in keiner Weise in Betracht kommen, wie z.B. Dänemark, Schweden, Finnland, Bulgarien, Ungarn, Rumänien usw. Für Spanien waren die Ausfuhrzahlen von 1937 und 1938 ungenügend; damals war die schweizerische Ausfuhr infolge des Bürgerkrieges fast inexistent. Ähnliches gilt für Griechenland; infolge des schlechten Clearingstandes blieb in den beiden Stichjahren auch unsere Ausfuhr nach diesem Lande weit unter dem Durchschnitt.
Herr Ministerialrat Seyboth: Für die Monate Juli bis Dezember würde zunächst die Hälfte der Ausfuhrmengen des Jahres 1938 oder 1937 genügen. Es ist zu hoffen, dass der Krieg bald beendigt ist. Für die kurze Zeit ist es nicht notwendig, eine Regelung aufzustellen, die auf lange Sicht berechnet wäre. Die Verpflichtungen der Schweiz auf dem Gebiete der Blockade müssten bis auf weiteres Geltung haben, unabhängig von der Dauer des Verrechnungsabkommens. Sollte die Schweiz mit den betreffenden Ausfuhrmengen nicht auskommen, so ist die deutsche Regierung bereit, schweizerische Anträge auf Überschreitung dieser Mengen zur Prüfung entgegenzunehmen.
Herr Dr. Hornberger setzt sich erneut dafür ein, dass die schweizerische Ausfuhr nach neutralen Ländern nicht stärkeren Einschränkungen unterworfen werde als unbedingt notwendig sei. Wenn Deutschland bezüglich gewisser Länder besondere Wünsche habe, so könne ihnen durch Warenlisten und durch besondere Länderlisten Rechnung getragen werden. (Deutscherseits werden Portugal und die Türkei, aber auch Griechenland genannt, letzteres namentlich wegen seines Exportes nach Ägypten.)
Herr Ministerialrat Seyboth: Es ist den deutschen Behörden zugekommen, dass der Plan bestehe, Fabrikeinrichtungen der Rüstungsindustrie in der Schweiz aufzukaufen, sie abmontieren zu lassen und nach den Vereinigten Staaten zu verbringen. Dort würden sie wieder aufgestellt und von schweizerischen Spezialarbeitern, die zu diesem Zweck angeworben würden, wieder in Betrieb gesetzt, um Grossbritannien zu beliefern. Dies muss verhindert werden.
Schweizerischerseits weist man darauf hin, dass ein solcher Transport an sich ein Ding der Unmöglichkeit wäre, da er entweder über Frankreich oder über Italien gehen müsste. In Betracht kämen nur einige wenige, genau bekannte Fabriken. Offenbar habe man es mit einem blossen Plan zu tun, der nie auch nur einen Anfang der Verwirklichung fand. (Aus den weitern deutschen Bemerkungen geht hervor, dass die Hispano-Suiza gemeint ist.)
III. Kriegsmaterial.
Herr Ministerialrat Seyboth stellt die Frage, wie es sich mit der Ausfuhr des Kriegsmaterials verhalte, das seinerzeit von den Gegnern Deutschlands bestellt wurde, fertig gestellt ist und von Deutschland nicht abgenommen wird. Er erkundigt sich, ob die Schweiz für solches Material Ausfuhrbewilligungen nach dritten Ländern erteilen würde.
Herr Direktor Hotz bejaht, dass grundsätzlich solche Ausfuhrbewilligungen in Betracht kommen könnten, weist aber gleichzeitig auf die Unmöglichkeit eines Transportes ohne deutsche oder italienische Kontrolle hin. Es sind seit der Rückkehr des Herrn Oberst Fierz von seinen Berliner Besprechungen nur vereinzelte unbedeutende Ausfuhrgenehmigungen erteilt worden.
Der Unterzeichnete benützt die Gelegenheit, um klarzustellen, dass die Schweiz seit Beginn des Krieges bereit war, deutsche Kriegsmaterialbestellungen entgegenzunehmen und solche Bestellungen auch erwartet hatte. Deutschland hat erst sehr spät einen Auftrag von 8 Millionen Franken vergeben. Es ist nicht so, dass die Kriegsmaterialverordnung des Bundesrates Deutschland an Bezügen gehindert hätte. Die Schweiz habe Material aus eigenen Vorräten zugeliefert.
IV. Zusammenfassung.
Herr Ministerialrat Seyboth fasst das Ergebnis der Aussprache - die er ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet - dahin zusammen, dass die schweizerische Delegation es weiterhin ablehne, für die Schweiz eine formelle Verpflichtung einzugehen, nur mit deutscher Genehmigung nach Grossbritannien zu exportieren. Schweizerischerseits werde in Vorschlag gebracht, das Blockadeproblem von der Durchfuhrseite her zu lösen. Er ersucht Herrn Geheimrat Sabath, dieses Ergebnis im Auswärtigen Amt zu besprechen. Da Herr Gesandter Hemmen derzeit in Berlin sei, werde deutscherseits die Angelegenheit auch noch mit ihm besprochen werden können.
Herr Geheimrat Sabath teilt mit, er sei telephonisch benachrichtigt worden, dass im Auswärtigen Amt neue deutsche Vorschläge vorliegen.
- 1
- E 2001 (D) 2/229.↩
- 2
- L’auteur de ce compte-rendu est le Conseiller de légation Robert Kohli, Chef du Bureau du Contentieux du Département politique.↩
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