Classement thématique série 1848–1945:
IX. QUESTIONS DE DÉFENSE NATIONALE
IX.1 PROBLÈMES GÉNÉRAUX
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 254
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#12794* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 2597 | |
Dossier title | Operative Studie von Oberst Gugger über die Westfront (1938–1938) | |
File reference archive | 06.D.2.b |
dodis.ch/46514 STUDIE ÜBER DIE MÖGLICHKEIT EINES EINBRUCHES FRANZÖSISCHER ARMEEN IN DIE SCHWEIZ
Operative Grundlage
Französische Armeen brechen in die Schweiz ein, um unter Umgehung der deutschen Rheinstellungen und des Schwarzwaldes die Ostschweiz als Ausgangspforte für eine Offensive in den Raum von Ulm zu benützen.
In dieser Studie wird der für Frankreich günstigste Fall angenommen:
Deutschland ist durch einen Krieg im Osten vollständig in Anspruch genommen. Italien ist ebenfalls dort und auch in seinen Kolonien engagiert. England ist mit jeder franz. Politik einverstanden die dahin geht, unter Wahrung seiner eigenen Interessen Deutschland zu schwächen.
Der allgemeine französische Operationsplan verfolgt folgende Ziele:
- durch den Einbruch französischer Armeen den Widerstand der Schweiz. Armee zu brechen und
- so viel Schweiz. Territorium in Besitz zu nehmen, als für die Bereitstellung und Deckung der «Invasionsarmee Deutschland» notwendig ist.
Zur Verwirklichung dieser Grundidee können die folgenden drei Pläne mit Bezug auf die Möglichkeit der Ausführung bewertet werden:
Plan 1
a. Gleichmässig starker Angriff vom Lac de Joux bis Basel. Zerstörung des Schweiz. Grenzschutzes auf der ganzen Front. Zurückwerfen der Schweiz. Armee bis an die Voralpen (Chätel-St-Denis bis Luzern), unter Deckung der linken Flanke von Aarau bis Luzern.
b. Fortsetzung der Offensive über den Ricken und über Zürich in die Ostschweiz.
Wegen des zu Beginn mangelnden Schwergewichtes absorbieren diese Operationen zu viel Kräfte allein nur um den Widerstand der Schweiz. Armee zu brechen.
Dieser Plan kommt folglich für die Ausführung kaum in Betracht.
Plan 2
a. Schwergewicht des Einbruches zwischen Ste. Croix und Lac de Joux und Begleitung des Angriffes zwischen La Chaux-de-Fonds und Basel. Operative Ziele: Moudon, Fribourg, Bern. Damit wird die Umfassung und Umgehung der starken, nur demonstrativ angegriffenen Stellungen La Chaux-de-Fonds-Basel eingeleitet.
b. Fortsetzung der Offensive immer mit Schwergewicht vom rechten Flügel und von der Linie Konolfingen-Aarberg aus in der Richtung auf Luzern-Säckingen.
[...]2 Plan 3
a. Schwergewicht des Durchbruches zwischen la Chaux-de-Fonds und Basel. Direkter Stoss über Biel auf Bern-Burgdorf, später erweitert auf Escholzmatt. Gleichzeitiger direkter Stoss über Önsingen auf Sursee und später bis auf Luzern-Aarau.
b. Fortsetzung der Offensive von der Linie Luzern-Aarau aus über den Ricken und über Zürich in die Ostschweiz. [...] 2Auch unter den für die Franzosen günstigsten Verhältnissen werden ihre Armeen bei der Durchführung ihrer Offensive ausserordentlichen Schwierigkeiten begegnen, die ich hier noch einmal einzeln festlegen möchte.
1. Die franz. oberste Heeresleitung muss mit einem starken Widerstand schon zu Beginn des Krieges rechnen, der vielleicht bereits im Jura zum Stellungskrieg führen kann.
2. Sollte der Durchbruch im Jura dennoch gelingen, so sind neue schwere Kämpfe im Mittelland zu erwarten. An einer für die Schweiz. Armee verkürzten Front muss neuerdings mit der Möglichkeit eines Stellungskrieges gerechnet werden.
3. Es ist anzunehmen, dass, so wie der Zweck des erfolgten Einbruches in die Schweiz durchsichtig wird, die deutsche O.H.L. Vorbereitungen trifft um die Kantone St. Gallen und Appenzell vom Voralberg her schlagartig zu besetzen, bevor die Franzosen auf den dortigen Pässen erscheinen.
Die ständige Bedrohung aus dem Kanton St. Gallen durch deutsche Truppen, auch wenn diese in der Minderzahl sind, zwingt die Franzosen zu der Erkenntnis, dass an die Ausführung des Einbruches nach Deutschland hinein solange nicht zu denken ist, als die Gefahr des deutschen Flankenstosses besteht. Diese Erkenntnis wird eine Umgruppierung zur Folge haben und eine weitere Offensive in die Appenzellerberge wird notwendig werden. Durch diese Zeit und Kräfte fordernde Absplitterung wird der Erfolg der Deutschlandoffensive immer mehr in Frage gestellt und von den ursprünglich und im günstigsten Falle vorhandenen 77 Divisionen stet nur noch ein Bruchteil für die Invasion nach Deutschland zur Verfügung.
Wenn alle diese Nachteile vom französischen Generalstab erwogen werden, so glaube ich kaum, dass sich Frankreich zu dem angeführten Zwecke zu einer Invasion in die Schweiz entschliessen wird.