Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations financières et commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 105
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13078* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 18.03.-22.03.1935 (1935–1935) |
dodis.ch/46026
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 22 mars 19351
479. Schweizerisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen
Procès-verbal de la séance du 22 mars 19351
Der Direktor der Handelsabteilung, Herr Minister Stucki, erscheint zur Berichterstattung. Er orientiert den Rat über den gegenwärtigen Stand des schweizerisch-deutschen Verrechnungsabkommens2. Dieses hat trotz der im Dezember vorgenommenen Änderungen3 weder für die Schweiz, noch für Deutschland die erwarteten Resultate gezeitigt und zwar vor allem aus deshalb, weil der Import deutscher Waren in die Schweiz4, der noch im vergangenen Jahre monats-durchschnittlich über 32 Millionen Franken ausmachte, im Januar auf 22 Millionen gesunken ist und sich im Februar nur auf 24 Millionen erhöhte. Dieser ausserordentlich grosse und unerwartete Ausfall musste die bei Abschluss des Abkommens aufgestellten Berechnungen und Verteilungsgrundsätze wesentlich stören. Wenn es nicht gelingen sollte, die Einfuhr deutscher Waren in die Schweiz wiederum ganz wesentlich zu steigern, so dürfte es nicht möglich sein, die verschiedenen schweizerischen Gläubigerkategorien, vor allem aus die Finanzgläubiger in bisheriger Weise über das Verrechnungsabkommen zu befriedigen. Die Besprechungen mit Reichswirtschaftsminister Schacht Hessen erkennen, dass dieser eine grosse Abneigung gegen das schweizerisch-deutsche Verrechnungsabkommen zeigt. Die Lage für uns ist ernst. Am 15. März wurde deutscherseits dem Sprechenden folgendes Exposé über eine Abänderung des Verrechnungsabkommens übergeben, mit dem Bemerken, dass Deutschland bereit sei, sofort in Bern in Verhandlungen über diese Vorschläge einzutreten:
«Die zwischen Deutschland und der Schweiz bestehenden Abkommen über den Warenverkehr und über die Regelung des Transfers der Kapitalerträgnisse haben die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern nicht in der gewünschten Weise regeln können. Entgegen den Erwartungen auf Grund der bisherigen Handelsbilanz haben sich die Verrechnungskosten so entwickelt, dass eine starke, von Deutschland nicht tragbare Verschuldung eingetreten ist. Die Verrechnungskosten weisen zur Zeit zulasten Deutschlands einen Passivsaldo von etwa 23 Millionen RM auf, zu denen weitere etwa 23 Millionen RM alte Verbindlichkeiten für Waren nichtschweizerischen Ursprungs und etwa 10 Millionen RM Passivsaldo im Reiseverkehr hinzugerechnet werden müssen. Die Einzahlungen auf schweizerischer Seite haben somit kaum ausgereicht, den Warenverkehr auszugleichen. Für die Transferleistungen haben die schweizer. Bankvereinigung und die schweizer. Postverwaltung bereits 14 Millionen sfrs. vorgelegt, während weitere Zahlungsaufträge aus dem Transferabkommen von insgesamt 26 Millionen sfrs. noch schweben5. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass eine Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes nicht länger verantwortet werden kann, zumal für die Deutsche Verrechnungskasse dadurch ein Kursrisiko entstanden ist, dass sie an Warenschuldner zur Zeit bereits 20 Millionen sfrs. verkauft hat, für die auf dem Sammelkonto noch keine Deckung vorhanden ist. Bei den getroffenen Vereinbarungen ist an ein solches Risiko der Deutschen Verrechnungskasse niemals gedacht worden. Es ist daher notwendig, in kürzester Frist zu einer neuen Regelung zu gelangen, für welche die folgenden Richtlinien Grundlage sein müssen:
Die deutschen Überwachungsstellen werden in Zukunft für die Wareneinfuhr aus der Schweiz Devisenbescheinigungen nur in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Einzahlungen ausstellen können, die im vorletzten Monat auf den Verrechnungskonten der Deutschen Verrechnungskasse bei der schweizer. Nationalbank eingegangen sind. Bei Bemessung des Prozentsatzes wird ein Betrag von 12% sämtlicher Einzahlungen zur freien Verfügung der Deutschen Verrechnungskasse bleiben müssen. Weiterhin wird in jedem Falle die Verzinsung der Stillhaltekredite und der nach dem 15.7.1931 nach Deutschland gegebenen schweizer. Kredite (Neukredite) sicherzustellen sein. Inwieweit für die Abtragung der alten Warenschulden ein Betrag zur Verfügung bleibt, hängt von der Höhe der Einzahlungen bei der Schweiz. Nationalbank, insbesondere von der Steigerung der deutschen Ausfuhr nach der Schweiz ab. – Die für die Reichsbank bestimmten Devisen würden ihr also im Gegensatz zu der bisherigen Regelung nunmehr zur freien Verfügung stehen. Nach der vorgesehenen Regelung kann auch die Verzinsung der Stillhaltekredite in Zukunft nur noch aus den auf dem Sammelkonto eingehenden Exporterlösen erfolgen.
Die Neuregelung wird so gestaltet werden müssen, dass unter allen Umständen eine Erhöhung der deutschen Verschuldung vermieden und darüber hinaus durch eine Steigerung der deutschen Ausfuhr die Tilgung der aufgelaufenen Warenschulden ermöglicht wird. – Wenn der Erlös der deutschen Ausfuhr die für die deutsche Einfuhr und den Kapitaldienst erforderlichen Beträge nicht mehr deckt, wird der Kapitaldienst zunächst zurücktreten müssen. Seine Aufrechterhaltung würde nur bei einer einschneidenden Drosselung der Schweizer Ausfuhr nach Deutschland möglich sein. Damit wäre aber der Weg zu einerweiteren empfindlichen Schrumpfung des beiderseitigen Handelsverkehrs beschritten, der für beide Seiten gleich unerwünscht sein würde. Beide Länder dürften im Gegenteil ein Interesse daran haben, einen nachhaltigen Aufschwung des deutschen Aussenhandels zu ermöglichen, weil dieser allein auch den Zinsgläubigern die Befriedigung ihrer Forderungen gewährleisten könnte. Solange die Überschüsse aus dem Warenverkehr nicht ausreichen, um einen Transfer der Kapitalerträgnisse zu ermöglichen, könnte man an eine Regelung denken, die der für englische Transfer gläubiger gefundenen Lösung entspricht.»
Es fanden letzten Mittwoch Vorbesprechungen statt mit Vertretern des Vorortes des Schweiz. Handels- und Industrievereins, des eidg. Volkswirtschaftsdepartementes und des eidg. Finanzdepartements, der Nationalbank und der Schweiz. Bankiervereinigung. Die Herren konnten sich nicht auf gemeinsame Vorschläge einigen6. Sollten die Warenexporte nach Deutschland gedrosselt und der Fremdenverkehr ebenfalls reduziert werden müssen, sollten auch die Transfergläubiger wesentlich weniger erhalten als bisher, so stellt sich die Frage, ob die Stillhaltegläubiger in der bisherigen Weise privilegiert bleiben können. Je teurer Deutschland wird und je grösser die Krisis in der Schweiz, desto kleiner wird die deutsche Einfuhr werden, was unseren Verrechnungsverkehr mit diesem Lande gefährdet. Der Sprechende hält dafür, dass wir unbedingt auf Verhandlungen mit Deutschland eintreten müssen, da sonst von seiten unseres Nachbarlandes Kündigung erfolgen wird, was einen vertragslosen Zustand und damit noch schlechtere Aussichten für die Gläubiger zur Folge hätte. Es stellt sich übrigens die Frage, ob der Bundesrat die Hand auf die deutschen Kapitalien in der Schweiz legen sollte. In den weiteren Verhandlungen dürfte es angezeigt erscheinen, grundsätzlich am bisherigen System festzuhalten und die Reichsbankquote soweit absolut nötig zu erhöhen.
Der Sprechende bittet um Weisung über folgende Hauptpunkte: Soll bezüglich des Fremdenverkehrs der jetzige Zustand beibehalten werden, was er bejahen möchte?7 Sollen die Warenexportforderungen gegenüber den Kapitalforderungen weitgehend privilegiert werden? Sollen die Stillhalteforderungen ebenfalls in das Clearingabkommen einbezogen werden, um die Zinsen hierfür ebenfalls herabsetzen zu können? Was soll mit den gegenwärtig in der Schweiz liegenden deutschen Kapitalien geschehen?
Was die schweizerische Delegation anbetrifft, so schlägt Herr Minister Stucki vor, er möchte ermächtigt werden als Experten beizuziehen je einen Vertreter der Nationalbank, des Handels- und Industrievereins, der Schweiz. Bankiervereinigung, in der Meinung, dass es diesen Stellen überlassen bliebe, die Person ihres Vertreters zu bezeichnen.
– In der Beratung stimmt der Rat nach verschiedenen Ansichtsäusserungen und Fragen der Herren Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, des Finanzdepartements, des Post- und Eisenbahndepartements, des Militärdepartements und des Departements des Innern an Herrn Stucki dessen Vorschläge in folgendem Sinne zu:
Es ist auf neue Verhandlungen mit Deutschland einzutreten, wobei am bisherigen System grundsätzlich festzuhalten wäre; dies gilt insbesondere auch für den Fremdenverkehr. Den Warenexportforderungen soll im reduzierten Masse von 14,5 Millionen Franken die Priorität eingeräumt werden. Die schweizerische Delegation sollte dahin streben, dass die Zinsen für die Stillehalteguthaben nicht unter das Verrechnungsabkommen fallen, sondern dass dafür der bisherige Modus beibehalten werde; sollte sich dies nicht erreichen lassen und müssten die Stillehalteguthaben angesichts der starren Forderung Deutschlands unter das Verrechnungsabkommen gebracht werden, so hätte ein Ausgleich der Zinsen zwischen den lang- und mittelfristigen und den kurzfristigen Forderungen stattzufinden; unserer Delegation soll zur Regelung dieser Frage ein genügender Spielraum gelassen werden. Eine Beschlagnahme deutscher Kapitalien wäre nur durchführbar mittels einer allgemeinen Beschlagnahme ausländischer Kapitalien; diese Frage ist noch zu wenig abgeklärt um bereits Gegenstand einer Beschlussfassung bilden zu können. Bezüglich des Beizuges von Experten wird dem Antrage ohne weiteres Folge gegeben.
- 1
- E 1004 1/351.↩
- 2
- Cf. no 53, n. 13.↩
- 3
- Cf. no 84.↩
- 4
- Cf. no75.↩
- 5
- C’est à la suite de la conclusion de l’accord du 26 juillet 1934 que s'est mis en place le système d’une avance consentie par l’Administration des Postes et un consortium de banques. Cf. la lettre d’A.Jöhr à Schulthess du 12 décembre 1934: Unter dem schweizerisch-deutschen Verrechnungsabkommen vom 26. Juli 1934 hat sich neben der Post ein unter unser Führung stehendes Konsortium von schweizerischen Banken und Versicherungsgesellschaften zur Verfügung gestellt, um die Auszahlung der reduzierten Zinsen an die schweizerischen lang- und mittelfristigen Gläubiger durch Vorschüsse bis zu einem Höchstbetrage von 20 Millionen Franken sicherzustellen. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat uns damals mit Schreiben vom 30. Juli 1934 zu Händen des Konsortiums erklärt, dass es durch Sicherung genügender Einzahlungen für schweizerische Warenimporte aus Deutschland die Rückzahlung dieser Vorschüsse innert angemessener Frist garantiere. Gestützt hierauf hat das schweizerische Bankenkonsortium bis zum 30. November d. J. ausbezahlt: für Rückstände aus dem Transferabkommen vom 16. Februar 1934 Fr. 6917500. für laufende Zinsen unter dem neuen Abkommen vom 26. Juli 1934 Fr. 9 820000.-. Fr.16737 500.-. Die von der Schweizerischen Nationalbank aus Verrechnungskonto geleisteten Rückzahlungen belaufen sich bisher auf Fr. 8 645 100.- sodass heute das Bankenkonsortium noch in Vorschuss ist mit Fr. 8092400.- Nach dem Verrechnungsabkommen vom 26. Juli steht dem Bankenkonsortium wie der Post das Recht zu: a) für die Vorschüsse, welche den laufenden Zinsen entsprechen, im gleichen Rang mit dem schweizerischen Warenexport und den Forderungen im Reiseverkehr zurückbezahlt zu werden (Art. V Ziff. 1 des Verrechnungsabkommens); b) für die Vorschüsse zur Auszahlung von Rückständen aus dem alten Transferabkommen vom 16. Februar 1934 unmittelbar nachher aus dem sonst der Reichsbank zustehenden Überschuss von 5 Millionen Franken befriedigt zu werden (Ziffer 34 der Anlage C). Normalerweise hätte die Post und das Bankenkonsortium, wenn die Voraussetzungen, unter welchen das Abkommen abgeschlossen wurde, eingetroffen wären, bereits völlig gedeckt sein müssen. Zu unserem Bedauern müssen wir feststellen, dass das nicht der Fall ist und dass die Zahlungen unter dem Verrechnungsabkommen ganz anders gelaufen sind als erwartet wurde. Bis Ende November haben die Einzahlungen nur 120 Millionen Franken erreicht statt 140 Millionen Franken, wie vorgesehen. Das hätte nach dem Abkommen zwar verunmöglicht, die Speisung der Amortisationsfonds vorzunehmen und den Transithandel mit nicht-schweizerischen Waren zu bezahlen; die Zinsengläubiger sowohl als auch das zu ihren Gunsten in Vorschuss getretene Bankenkonsortium wie auch die im gleichen Falle befindliche Post hätten indessen für laufende Zinsen und Rückstände voll bedient werden können. Wenn das nicht geschehen ist, so liegt die Schuld daran, dass ändern eigentlich gleichberechtigten Kategorien bei der Auszahlung ein ungerechtfertigter Vorrang eingeräumt worden ist. Für Warenexport und Nebenkosten sind statt 56 Millionen 79,3 Millionen Franken ausbezahlt worden (worin allerdings 6,2 Millionen Franken für nichtvorgesehene Lizenzen, Provisionen etc. inbegriffen sind); im Reiseverkehr gingen statt 12 Millionen 17,6 Millionen Franken aus. Diese Mehrauszahlungen von zusammen fast 29 Millionen Franken haben es verhindert, dass dem Bankenkonsortium und der Post die geleisteten Vorschüsse voll zurückbezahlt wurden und dass der Reichsbank noch ein gewisser, wenn auch nicht der volle Überschuss hätte ausgerichtet werden können. Sie wollen gestatten, dass wir diese Tatsachen hier festhalten, um daraus späterhin die für unsere Haltung notwendigen Konsequenzen zu ziehen.[...] (E 7110 1/39).↩
- 6
- La Direction générale de l’Administration des postes, télégraphe et téléphone a été oubliée dans cette énumération; cf. le procès-verbal de la séance du 20 mars 1934 in J.1.131/22–24.↩
- 7
- Cf. no 84.↩
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