Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 354
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#J1.6#1000/1355#1* | |
Old classification | CH-BAR J 1.6(-)1000/1355 1 | |
Dossier title | Notizen über Besprechungen (1921–1933) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/45371 Aufzeichnung des Vorstehers des Volkswirtschaftsdepartementes, E. Schulthess1 KONFERENZ MIT DEM FRANZÖSISCHEN BOTSCHAFTER UND DEN HERREN SER RU YS UND C OU LONDRE
Die französische Regierung hat, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass die Schweiz im Hinblick auf die Stockung in den Handelsvertragsverhandlungen zur Kündigung des gegenwärtigen Meistbegünstigungsvertrages schreiten werde, die Herren Serruys, directeur des accords commerciaux im Handelsministerium und Coulondre, Direktor für Handelsangelegenheiten im Ministerium des Auswärtigen, nach Bern abgeordnet, um die Lage mit dem Departementsvorsteher zu besprechen und neue Vorschläge vorzulegen.
Die Herren werden ca. 11 Uhr vom französischen Botschafter eingeführt.
Nach der üblichen Begrüssung stellt Herr Serruys an mich die Frage, ob die Schweiz entschlossen sei, auf jeden Fall zur Kündigung zu schreiten. Er könnte es ja verstehen, dass wir durch die öffentliche Meinung zu diesem Schritte gedrängt werden. Wäre dem so, d.h. sei die Kündigung auf alle Fälle zu erwarten, so hätten Besprechungen jetzt keinen Sinn. Sie wären dann nach der Kündigung aufzunehmen.
Ich erkläre Herrn Serruys, dass die Kommission für die Vorbereitung des Handelsvertrages mit Frankreich in Übereinstimmung mit den schweizerischen Unterhändlern dem Departement den Antrag auf Kündigung gestellt hätte, dass ich im Begriffe gewesen sei, diesen Antrag an den Bundesrat zu leiten und dass dieser zweifellos zugestimmt hätte, dass aber eine Beschlussfassung noch nicht vorliege. Die Entscheidung hänge nun davon ab, ob die von Herrn Serruys zu machenden Konzessionen genügende seien, um uns den Abschluss eines Übereinkommens zu ermöglichen. Wenn dies nicht der Fall sei, so wären wir genötigt, zur Kündigung zu schreiten.
Daraufhin erklärte Herr Serruys, die französische Regierung habe den ganz besondern Wunsch, wenn immer möglich, mit uns einig zu werden. Er habe Ordre bekommen, uns Zugeständnisse zu machen, die nicht mehr durch wirtschaftliche Gründe sondern durch politische Erwägungen diktiert seien. Man wünsche in Frankreich einen Konflikt mit der Schweiz zu vermeiden. Wenn wir gekündigt hätten, so wäre er nicht in der Lage gewesen, uns in späteren Verhandlungen so weit entgegenzukommen. Er teile uns nun seine äussersten Zugeständnisse mit, und müsse beifügen, dass, wenn wir nicht einig würden und die Kündigung erfolge, die französische Regierung von weiteren Verhandlungen absehen und den Dingen den Lauf lassen werde.
Ich verwies Herrn Serruys darauf, dass die Schweiz ein ausgezeichneter Kunde Frankreichs sei, auch ihrerseits eine Verständigung begrüssen werde, dass wir aber vom Standpunkt unserer Interessen aus keine Lösung annehmen können, die den Export in wichtigen Gebieten unserer Industrie, wie dies jetzt der Fall sei, verunmöglichen würde. Vor allem müssen nun einmal die Gruppen von Zöllen diskutiert werden, die zufolge des französisch-deutschen Handelsvertrags durch das Dekret vom 30. August 1927 mit Wirkung auf den 6. September des gleichen Jahres erhöht worden seien.
H. Serruys teilt mit, er sei in der Lage, auf diesem Gebiete Konzessionen zu machen und zwar solche, die die französische Industrie, die sich schon über den deutsch-französischen Handelsvertrag beklage, niemals anerkennen werde und ausdrücklich missbillige. Er machte auch geltend, es wäre wünschenswert, wenn die Verhandlungen rasch erledigt werden könnten, denn, wenn die Zugeständnisse bekannt würden, dann würden die Widerstände in den parlamentarischen und Wirtschaftskreisen wachsen. Die Stimmung in den Zollkommissionen des französischen Parlaments sei eine reservierte. Jene Kreise möchten weniger weit gehen als die Regierung.
Der Unterzeichnete und Direktor Stucki betonten wiederholt, dass die bis jetzt gemachten Zugeständnisse für uns unannehmbar seien und dass die Interessen wie die öffentliche Meinung uns verbieten würden, uns damit oder mit Zugeständnissen zu begnügen, die nicht durchgreifende wären.
Nach dieser allgemeinen Aussprache, in der die beidseitigen Standpunkte mit Entschiedenheit vertreten wurden und die in durchaus angenehmen Formen verlief, eröfTnete Herr Serruys zunächst die Zugeständnisse, die /zu machen! er im Gebiet der Maschinenindustrie ermächtigt und willens sei.
Nach 1 Uhr wurde die Besprechung abgebrochen. Für die einzelnen französischen Vorschläge wird auf die Notizen von Direktor Stucki verwiesen.
Der Gesamteindruck der Besprechung ist, was die Absichten der französischen Regierung betrifft, nicht ungünstig. Anderseits lassen sich aber die Vorschläge in ihrer Auswirkung nicht so rasch überblicken und es muss immerhin noch fraglich erscheinen, ob man zu einer Einigung gelangen kann.
- 1
- J.I. 6 1/1.↩