Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 339
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#120* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 20 | |
Dossier title | Schweizerische Gesandtschaft, Berlin (1924–1935) | |
File reference archive | 8.2.b • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/44981
Le Chef de la Divison du Commerce du Département de l’Economie publique, E. Wetter, au Ministre de Suisse à Berlin, H. Rüfenacht1
Wir verdanken Ihnen Ihr Schreiben vom 3. Juni2, worin Sie uns die vorläufige Mitteilung des Herrn Legationsrat Smend zur Kenntnis brachten. Wir werden also vorderhand abwarten, ob in der von Ihnen angegebenen Frist die deutsche Regierung zu einer definitiven Stellungnahme kommt.
Dagegen möchten wir nicht unterlassen, auf einige Punkte der Auslassungen des Herrn Dr. Smend zurückzukommen, die immer und immer wiederkehren und von deren wir überzeugt sind, dass Sie ihnen jeweilen entgegentreten.
1. Es wird erklärt, von einem deutschen Dumping könne nicht gesprochen werden. Die Aussagen unserer Produzenten und auch die Zahlen, die sie immer wieder vorweisen können, beweisen eben das Gegenteil. So hat uns gerade jetzt die Schuhindustrie wieder Preisofferten erster deutscher Fabriken mitgeteilt, die zwischen 50–60% der schweizerischen Preise variieren. Wenn man auch dazu noch Fracht und Zoll schlägt, so ist die Unterbietung gegenüber den Inlandpreisen immer noch reichlich 20–50%. Ein analoges Beispiel hat uns der Vertreter der schweizerischen Möbelfabrikanten gegeben, der eben von einer Reise aus Deutschland zurückkehrte. Er nennt als einen weitern Grund der billigeren Preise auch den, dass die deutschen Fabrikanten bei der herrschenden grossen Kreditnot gezwungen sind, in das valutastarke Ausland zu verkaufen, und dass sie, um das zu erreichen, die Auslandpreise wesentlich niedriger als die Inlandpreise anzusetzen bereit sind.
2. Es wird der Schweiz vorgeworfen, sie behandle Deutschland ausnahmsweise, und der Vorwurf erhält seine besondere Schärfe dadurch, dass die meisten Einfuhrbeschränkungen gegenüber Frankreich nicht wirken. Wir haben immer betont – schon in jener ersten Besprechung mit den Deutschen Delegierten in Bern – und halten das heute noch aufrecht, dass wir gegenüber gleichen Verhältnissen gleiche Massnahmen ergreifen. Eigentlich ruinös war und ist für die Schweiz hauptsächlich nur die deutsche Valutakonkurrenz. Heute gibt man das in Deutschland zu für die Zeiten der zusammenbrechenden Valuta, aber nicht mehr für die Gegenwart. Man scheint nicht wissen zu wollen, dass die Arbeitslöhne in Deutschland auch heute noch nur zirka die Hälfte der schweizerischen betragen, und dass die deutsche Industrie fast auf der ganzen Linie bereit ist, nach dem Auslande billiger zu verkaufen als im Inlande selber. Gleiche Verhältnisse von gleich katastrophaler Wirkung bestanden und bestehen auch heute nicht mit Bezug auf die französische und die italienische Einfuhr. Selbst in Zeiten des Sturzes des französischen Frankens ist eine solche Wirkung nie eingetreten, aus dem einfachen Grund, weil Frankreich bei weitem nicht die industrielle Entwicklung Deutschlands aufweist und die französische Industrie es nicht versteht, jede Konjunktur in der Weise auszunützen, wie das die deutsche seit jeher getan hat.
3. Wenn Deutschland sich darauf stützt, dass es semeEinfuhrbeschränkungen gleichmässig nach allen Seiten anwende, so mag das ja dem Buchstaben nach stimmen. Es hat dafür auch nach allen Seiten denselben Grund, indem es sich für Deutschland nicht darum handelt, eine billige Einfuhr fernzuhalten, sondern überhaupt die Einfuhr auf das allernötigste zu beschränken. Eine solche Beschränkung aber wäre nun gerade für die Produkte valutastarker Länder am wenigsten notwendig, weil ihre Valuta und ihre hohen Preise zum vornherein einen gewissen Schutz gegen übermässige Einfuhr bieten. Deutschland wendet also ungleichen Verhältnissen gegenüber das gleiche Mittel an und trifft damit in erster Linie uns. Dies vor allem deswegen, weil es die Einfuhrverbote ausserordentlich streng durchführt auch für Einfuhrpositionen, wo überhaupt nur die schweizerische Einfuhr in Frage kommt; man denke an Uhren, Stickereien, Schokolade und andere.
4. Wenn die deutsche Industrie – wie es im Berichte Smend heisst – erbittert sei wegen der unterschiedlichen Behandlung Deutschland s, so ist unsere Industrie ebenso erbittert darüber, dass Deutschland seine Einfuhrverbote der Schweiz gegenüber so rigoros handhabt, während wir die Einfuhrbeschränkungen sehr large zur Durchführung bringen. Man würde es nicht verstehen, wenn wir die Einfuhrbeschränkungen gegenüber Deutschland ganz oder teilweise fallen Hessen, ohne dass deutscherseits auf gleicher Basis vorgegangen wird, und man verlangt tagtäglich neue Einfuhrbeschränkungen mit der Begründung, dass Deutschland die gleichen Artikel nicht hereinlasse. Unsere Industriellen interessieren sich nicht dafür, ob Deutschland alle Staaten auf gleichem Fusse behandle, sondern sie interessieren sich für die Ungleichheit, die in den Einfuhrverhältnissen der Schweiz und Deutschlands bestehen. Man kann von uns im Ernste nicht verlangen, dass wir, um der Gleicheit zu genügen, die Einfuhrbeschränkungen gegenüber Deutschland fallen lassen, um uns dann unverändert einer unübersteiglichen Barriere deutscher Einfuhr verböte gegenüber zu sehen.
Wie es mit den deutschen Weltmarktpreisen beschaffen ist, möge Ihnen auch noch folgende Tatsache zeigen, die uns aus Kreisen der Maschinenindustrie vertraulich zur Kenntnis gebracht wurde:
Bei einem Wettbewerb in Norwegen für eine grössere elektrische Anlage wurden verlangt von Brown Boveri (Schweiz)
von Oerlikon von Westinghouse (England)
von Siemens Schuckert (Deutschland)332 100 Kronen
330000 Kronen
340000 Kronen
200000 Kronen
Indem wir Ihren weitern Berichten in der Angelegenheit3 gerne entgegensehen, verbleiben wir, [...]
- 1
- Lettre (Copie): 7110 1/20.↩
- 2
- Cf. no 338, note I.↩
- 3
- Dans une notice de la Légation de Suisse à Berlin, datéedu 15 juillet, on lit à ce sujet: Mündliche Mitteilung des Herrn Legationsrat von Bülo w im Auftrag von Ministerialdirektor Köpke als Antwort auf meine mündliche Anfrage an letzteren zwecks mündlicher Berichterstattung durch mich in Bern, im Hinblick auf meine bevorstehende Abreise telephonisch: Das Reichswirtschaftsministerium ist grundsätzlich bereit, über die Frage der Ein- und Ausfuhren zu verhandeln. Es würde selbst schon Schritte nach dieser Richtung getan haben, wenn auf den Besuch von Legationsrat Smend in Bern hin von dort aus bezügliche Anregungen gemacht worden wären. (Bemerkung: Letzteres ist ja geschehen, aber allerdings in dem Sinne, dass Deutschland zuerst seinen Verständigungswillen durch Entgegenkommen in der Uhrenfrage ohne Kompensation beweisen solle). Mehrere der für die Frage zuständigen Beamten sind zur Zeit durch die Bearbeitung der Erlasse aus dem Gutachten Dawes in Anspruch genommen; andere befinden sich im Urlaub. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Verhandlungen erst anfangs Septembers führen. Dabei kann aber vorerst nur über solche Fragen verhandelt werden, die für die Schweiz von besonderem Interesse sind, ohne das Verhältnis Deutschlands zu anderen Staaten wegen der Meistbegünstigung zu schädigen, also z. B. über die Golduhren. Die anderen Punkte müssten zurückgelegt werden bis anfangs nächsten Jahres, auf welchen Zeitpunkt Deutschland seine Handlungsfreiheit wieder besitzen wird (E 7110 1/20).↩
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