Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.11. Etats-Unis d’Amérique
II.11.1. Questions de politique générale
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 306
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#191* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 97 | |
Dossier title | Buenos Aires, Politische Berichte und Briefe, Band 5 (1923–1924) |
dodis.ch/44948 1
Le Ministre de Suisse à Buenos Aires, K. Egger,
au Chef du Département politique, G. Motta
Der kürzlich erfolgte Besuch des spanischen Königspaares in Italien und die Feier in den Vereinigten Staaten des hundertsten Jahrestages der Ausrufung der Monroe-Doktrin haben im gesamten lateinischen Amerika ein lebhaftes Echo gefunden. Die dadurch aufgeführten Fragen betreffen aber keineswegs nur interne Angelegenheiten des amerikanischen Kontinentes, sondern sie stehen mit den gegenwärtigen Problemen der Weltpolitik in so enger Beziehung, dass es sich wohl lohnt, sie von diesem Standpunkt aus einer Betrachtung zu unterziehen.
Mein Kollege in Washington hat Ihnen wohl über die grosse Rede berichtet, die Hughes dim 30. August in Minneapolis über die Monroe-Doktrin hielt. Er hat sich darüber mit einer Einlässlichkeit verbreitet und hat so tiefgehende Fragen amerikanischer Politik gestreift, dass sie nicht übersehen werden kann.
Ein Jahrhundert lang ist die Monroe-Doktrin ein Bollwerk aller amerikanischen Republiken gegen die Eroberungsgelüste europäischer imperialistischer Mächte gewesen. Das mexikanische Abenteuer Napoleon III. war der letzte derartige Versuch, und die Unterstützung der Nordstaaten an die mexikanischen Republikaner kostete dem Kaiser Maximilian Thron und Leben. In der oben erwähnten Rede gab Hughes die Erklärung ab, die auswärtige Politik der Union ziele daraufhin, für die Sicherheit der Republik zu sorgen, ohne aber imperialistische Absichten zu hegen oder an Angriffe zu denken. Ein Protektorat in irgend einer Form sei damit keineswegs verbunden. Diese Betonung war nicht überflüssig, denn die etwas selbstherrliche Sprache, die man öfters von Washington aus zu hören bekam, liess die Vermutung aufkommen, die mittel- und südamerikanischen Staaten seien durch die Monroe-Doktrin in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu den Vereinigten Staaten geraten.
Die neue bedeutsame Rede Hughes vom 30. November in Philadelphia betonte aber in erster Linie, dass die Rechtsgleichheit der amerikanischen Republiken vor den internationalen Gesetzen anerkannt werde, und dann gab er die aufsehenerregende Erklärung ab, die Union verfolge keine Angriffspolitik, sie werde aber auch Angriffen amerikanischer Staaten gegeneinander Widerstand entgegensetzen. Freilich werde sie kein Mittel unversucht lassen, um ihre guten Dienste zur schiedsgerichtlichen Schlichtung der Streitigkeiten anzubieten. Von diesem Gesichtspunkte aus dürfte denn auch die Verweisung des chilenischperuanisch-bolivianischen Streites an einen nordamerikanischen Schiedsrichter erfolgt sein, freilich kaum ohne einen sanften Druck aus Washington.
Die durch Hughes verkündete Auffassung der Monroe-Doktrin hat allenthalben zu lebhaften Kommentaren Anlass gegeben. Vor allem ist geltend gemacht worden, dass nunmehr alle Rüstungen, besonders die der A B C-Staaten, zwecklos geworden seien. Denn einen Angriff von aussen würden die Vereinigten Staaten abzuwehren wissen, und ein Krieg untereinander sei kaum mehr ins Werk zu setzen. Freilich steht dadurch die mächtige nordamerikanische Republik als Schirmherrin des ganzen Kontinentes da und übt ein verschleiertes Protektorat aus, so sehr man dies auch in Washington in Abrede stellt. Übertriebene Nationalisten sehen in dieser neuen Fassung der Monroe-Doktrin eine Gefährdung der Souveränitätsrechte der einzelnen latein-amerikanischen Staatswesen. Diese Befürchtung scheint übertrieben.
Die Ankündigung, die Vereinigten Staaten würden sich in Zukunft nicht mehr mit der Rolle des passiven Zuschauers begnügen, wenn ein Krieg zwischen amerikanischen Freistaaten ausbrechen sollte, ist an und für sich wohl von sehr ernster grundsätzlicher Bedeutung, sie soll aber in diesem Augenblicke wohl auch ein deutlicher Fingerzeig an gewisse mittelamerikanische Staaten sein, dass sie sich dem entscheidenden Wort des Schiedsrichters zu fügen hätten, wenn sie nicht das Wagnis eines Konfliktes mit den Vereinigten Staaten auf sich nehmen wollen.
Auf die Kriegshetzer und Rüstungseiferer in den ABC-Staaten mögen die Erklärungen Hughes wohl etwas ernüchternd wirken; denn wohl oder übel werden sie sich mit der neuen Orientierung abfinden müssen, sich nur gegen einen gemeinsamen Feind in die Waffen zu stürzen. Dies aber brächte eine sehr erwünschte und heilsame Annäherung unter den feindlichen Brüdern.
Wenn die Erklärungen Hughes eine solche Auswirkung haben, dann wird die Monroe- Doktrin auch im zweiten Jahrhundert den amerikanischen Völkern die Segnungen bringen, die sie ihnen in den ersten hundert Jahren ihres Bestehens beschied. Diese segensreichen Folgen greifen aber auch weit hinein in die grosse Weltpolitik.
Es ist selbstverständlich, dass bei diesem Anlass auch die Stellung Argentiniens zum Völkerbund wieder eingehend erörtert wurde und seine Gegner verkünden, er bilde überhaupt keine Völkergemeinschaft, sondern sei bloss «una alianza de traficantes diplomâticos que en ella se disputan los mejores puestos». Dieser Satz steht heute auf dem Titelblatt der «Naciön». Es ist dies aber durchaus nicht die Gesinnung der gegenwärtigen Regierung. Der Unterstaatssekretär sagte mir gestern, die ausstehenden Quoten würden in den nächsten Tagen nach Genf angewiesen, und obschon die Frage der Beschickung der nächsten Konferenz noch nicht erörtert worden sei, befinde sich Argentinien, nach dem Willen seines Präsidenten, wenigstens «dentro de la ley».
Den oben erwähnten Äusserungen Hughes über «affirmative Politik», wie er sie nennt, hat man hier die Reden gegenübergestellt, die anlässlich des Besuchs des spanischen Königspaares in Rom ausgetauscht wurden. Dabei mag viel Kulissengeschwätz und Hofklatsch mitgelaufen sein, jedenfalls aber hat man es in Argentinien nötig erachtet, auch gegen allfällige Vermutungen und Andeutungen Stellung zu nehmen. In erster Linie betrifft dies die Frage des lateinischen Völkerbundes.
Der Gedanke einer lateinischen Union begegnet hier grosser Sympathie, was allein schon in dem mächtigen oft ans Lächerliche streifenden Rassebewusstsein seine Ursache hat. Als Einwanderland, das in überwiegender Mehrzahl Leute lateinischer Rasse aufnimmt, kann Argentinien an diesem Problem nicht vorübergehen. Breite Kreise haben sich aber hier etwas gekränkt gefühlt, dass die Regenten und Regierenden in Rom die La Plata-Staaten nur von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet haben, und sofort erfolgte die Parade: ihn können wir nicht für die Anwendung irgendeiner ausländischen Politik annehmen, ohne uns in die minderwertige oder wenigstens passive Lage eines Versuchslandes zu begeben; dagegen wären wir gerne bereit, die Angelegenheit in unserer Eigenschaft als lateinischer Gesamtheit zu betrachten, vorausgesetzt, dass dies nicht die Gesamtheit einschränken hiesse, die wir auf der panamerikanischen Zusammenkunft festgesetzt haben. Aber dieser einzige Vorbehalt bezieht sich noch auf einen ändern Irrtum, den wir gleichfalls erwähnen wollen, und zwar nicht nur wegen seiner Hartnäckigkeit, sondern weil er einen tiefeingewurzelten europäischen Irrtum bildet, nämlich die Annahme, dass jeder Beliebige uns als Lockspeise für den Widerstand oder als Abwehr gegen die Vereinigten Staaten an tragen darf, die als die Eroberer des Landes hingestellt werden. Das aber heisst gerade die Natur der panamerikanischen Vereinigung von Grund aus verkennen; denn der Panamerikanismus ist nicht das Werk der Vereinigten Staaten noch sonst jemandes, sondern ein natürlicher Zustand, dessen Dauer uns Vorteile jeder Art bringt, ohne uns in die Verwirrung und die Abenteuer zu verwickeln, die man in Europa unter internationaler Politik versteht.
So tönt es Hieb auf Hieb gegen die Kabelnachrichten aus dem Vatikan und dem Quirinal.
Mit ganz besonderer Betonung ist die Zumutung abgelehnt worden, die südamerikanischen Länder als anziehenden und abstossenden Block im Völkerbund zu benützen, wobei Frankreich ausgeschlossen bleiben solle. Die widersprechendsten Gerüchte sind hier ausgestreut worden. Aber auch blossen Gerüchten, wenn es wirklich nur solche sind, tritt man hier mit der Begründung entgegen, dass eine solche Geistesverfassung nur der neuen Mittelmeerpolitik entspringen könne, die eine europäische Verwicklung sei, mit der man hier nichts zu schaffen habe. Sie auch nur indirekt annehmen, hiesse, mit sich wie mit Schachfiguren in fremder Hand spielen lassen. Und wenn man gar noch die Absicht hätte, die ausländischen Bewohner des Landes hereinzuziehen, dann würde ein solcher Vorsatz die äusserste Gegnerschaft hervorrufen.
Vom argentinischen Standpunkt aus, und zweifellos ist es auch derjenige aller amerikanischen Republiken, ist eine lateinische Union nur zwischen souveränen Gesamtheiten möglich. König Alphons und sein Paladin haben hier einen wunden Punkt berührt; fast könnte man meinen, es habe der Regent gesprochen, in dessen Reich die Sonne nie unterging.
Mit aller wünschbaren Deutlichkeit ist bei diesem Anlass gesagt worden, und dies ist auch für uns bedeutungsvoll, die ausländischen Volksgenossenschaften, die hier ansässig sind, seien keineswegs Kolonien, das Aufenthaltsrecht der Ausländer sei politisch, daher könne es für sämtliche Bewohner des Landes, Eingeborne wie Fremde, keine andere souveräne Gesamtheit geben als die argentinische Republik, und jeder gutgesinnte Ausländer könne keine andere innere oder äussere Politik haben als die argentinische. Mussolini und Primo de Rivera sollen sich darüber nicht täuschen.
Eine führende Tageszeitung in Buenos-Aires schliesst ihre Glossen zu den römischen Tischreden mit dem Hinweis, es wäre weit besser, wenn die europäischen Freunde und Gönner, die sich so sehr um die Annäherung der lateinischen Rassen bekümmern, und denen das Wohl der amerikanischen Brüder so sehr am Herzen liege, lieber darauf hinwirkten, dass man grosse Bestellungen an Fleisch und Getreide übers Meer sende: mit einer überzeugenden Propaganda in diesem Sinne würden hierseits in Wohlgefallen und Uneigennützigkeit alle die Ehrungen quittiert, die man heute von allen Seiten den amerikanischen Republiken zuteil werden lasse.
Die warme Fürsprache Alphons XIII. beim Heiligen Vater für eine Vermehrung des spanisch-amerikanischen Elementes im Heiligen Kollegium hat man hier sehr kühl aufgenommen, zumal der Investiturstreit zwischen Pius XI. und Präsident Alvear wegen der Ernennung von Monsenor Dandreu zum Erzbischof von Buenos-Aires noch keine Lösung gefunden hat und die katholischen Gemüter andauernd in peinlicher Spannung hält.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Buenos Aires 5.↩
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United States of America (USA) (General)