Classement thématique série 1848–1945:
VI. LE RAVITAILLEMENT DE LA SUISSE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 79
volume linkBern 1984
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#11447* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 12.09.-12.09.1919 (1919–1919) |
dodis.ch/44290
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 12 septembre 19191
3167. Beitritt der Schweiz zum Völkerbund
Procès-verbal de la séance du 12 septembre 19191
Der Vorsteher des politischen Departementes referiert über die Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission. Eine erste Minderheit der Kommission beantragt grundsätzliche Ablehnung des Beitritts. Eine zweite Minderheit will den Beitritt zur Zeit ablehnen. Die Mehrheit der Kommission will entgegen dem Antrage des Bundesrates keine Bestimmung über den Beitritt in die Bundesverfassung aufnehmen, sondern die Beitrittserklärung in die Form eines Bundesbeschlusses kleiden, welcher aber doch der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten wäre. Die Mehrheit der Kommission hat ferner einem Antrag zugestimmt, wonach für die Ratifikation der Abänderungen des Völkerbundsvertrages sowie für die Genehmigung von mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkünften jeder Art nicht die in der Verfassung für die Genehmigung von Staatsverträgen aufgestellten Bestimmungen, sondern die für den Erlass von Bundesgesetzen aufgestellten Bestimmungen (Referendum) zur Anwendung kommen müssen. Endlich hat die Kommissionsmehrheit die Aufnahme einer Bestimmung vorgesehen, wonach auch auf die Kündigung des Völkerbundsvertrages und für den Rücktritt vom Völkerbund Art. 121 [der Bundesverfassung] (Initiative) anwendbar sein soll.
Der Vorsteher des politischen Departementes ersucht um die Ermächtigung, diesen Abweichungen von der Vorlage des Bundesrates namens des Bundesrates zuzustimmen.
In der Beratung wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschluss, die Ratifikation von Abänderungen des Völkerbundsvertrages und von Übereinkünften im Zusammenhang mit dem Völkerbund dem Referendum zu unterstellen, einer teilweisen Verwirklichung der Staatsvertragsinitiative gleichkomme und daher schwere Bedenken erregen müsse. Ein negativer Volksentscheid über einen ganz untergeordneten Abänderungsvorschlag könnte den Austritt der Schweiz aus dem Völkerbund zur Folge haben. Damit öffne man der Sabotierung des Völkerbunds Tür und Tor. Alle Staatsverträge wie Gesetze zu behandeln, wäre ein Landesunglück, da es ja bekanntlich unmöglich wäre, einen Handelsvertrag in der Volksabstimmung durchzubringen. Der Bundesrat sollte sich jedenfalls in dieser Hinsicht nicht von vornherein durch Zustimmung zu den Anträgen der Kommission binden. Demgegenüber wird betont, dass die Ablehnung einer Abänderung des Völkerbunds Vertrages noch nicht den Austritt nach sich ziehe. Werde eine solche Abänderung verworfen, so müsse über den Austritt vom Völkerbund nochmals abgestimmt werden, und wenn dieser Entscheid auf Verbleiben im Völkerbund laute, dann werde damit ohne weiteres die ursprünglich abgelehnte Abänderung des Völkerbundsvertrages mit in Kauf genommen.
Auf Grund der Beratung stellt der Vorsteher des politischen Departementes den Antrag, die Frage der Stellungnahme des Bundesrates betr. den Beschluss der Kommission auf Unterstellung der Abänderungen des Völkerbundsvertrages und der mit ihm in Zusammenhang stehenden Übereinkünfte unter das Referendum offen zu lassen, den Antragsteller aber zu ermächtigen, im übrigen den Beschlüssen der Kommissionsmehrheit namens des Bundesrates zuzustimmen.2
Der Rat stimmt diesem Antrag zu.
3189. Wirtschaftsabkommen mit Belgien
Da im Vergleich zu den amerikanischen Kohlen die belgischen Kohlenlieferungen relativ sehr billig sind, so hat die Schweiz das allergrösste Interesse, sich möglichst viel belgische Kohlen zu verschaffen. Der Schweizerischen Kohlen-Genossenschaft in Basel war es vor einiger Zeit auch gelungen, Zusicherungen für die Lieferung von monatlich ca. 120000 Tonnen bis Ende des Jahres zu erhalten. Allerdings verlangte Belgien Gegenleistungen in Form eines Valutakredites einerseits und der Lieferung von Lebensmitteln anderseits.3 Die Verhandlungen über diese Gegenleistungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten, als die belgische Regierung plötzlich, anfangs August, dem Drängen der öffentlichen Meinung nachgebend, die Kohlenausfuhr vollständig einstellte. Damit wurde für die Schweiz eine ausserordentlich schwierige Situation geschaffen, denn Belgien ist namentlich mit Bezug auf diejenigen Kohlenqualitäten, die für die Hausbrandversorgung benötigt werden, das einzige in erheblichem Umfange in Betracht kommende Lieferungsland.
Es gelang schliesslich, vorläufig eine weitere Ausfuhrbewilligung für 10000 Tonnen zu erhalten, ein Quantum, dessen Erhöhung und Sicherstellung mindestens bis Ende des Jahres mit allen Mitteln angestrebt werden musste. Die zu diesem Zweck eingeleiteten Verhandlungen haben zum Entwurf eines Abkommens geführt, mit dem sich das Volkswirtschaftsdepartement bereits einverstanden erklärt hat, dessen Ratifikation durch den Bundesrat jedoch Vorbehalten ist.
Nach diesem Abkommen verpflichtet sich die belgische Regierung, für die Monate September bis Dezember dieses Jahres monatlich ein Quantum von 30 000 Tonnen Kohle zur Lieferung in die Schweiz freizugeben und dieses Quantum zu erhöhen, falls die belgische Kohlenproduktion gesteigert werden kann. Soweit der Transport nicht auf dem Wasserwege erfolgen kann, müssen die nötigen Wagen durch die Schweiz. Bundesbahnen gestellt werden.
Dieser Verpflichtung Belgiens gegenüber sind folgende Gegenleistungen der Schweiz vorgesehen:
1.) Belgien hatte ursprünglich verlangt, dass für überseeische Bezüge von Schweizerwaren an Stelle des Hafens von Rotterdam derjenige von Antwerpen ausschliesslich oder doch vorwiegend berücksichtigt werde. Dieser belgischen Forderung kann unmöglich ohne weiteres Folge gegeben werden; denn nicht nur wurde von englischen und amerikanischen Lieferanten die Benutzung des Hafens von Rotterdam für gewisse Waren direkt vorgeschrieben, sondern es ist die Spedition über Antwerpen im allgemeinen wesentlich teurer und zeitraubender als die über Rotterdam. Immerhin kann ohne wesentliche Schwierigkeiten den belgischen Wünschen durch vermehrte Benützung des Hafens von Antwerpen entgegengekommen werden. Der Vertrag sieht deshalb vor, dass der Bundesrat die belgischen Wünsche wohlwollend prüfen und ihnen im einzelnen Falle entsprechen werde, sofern die Transportbedingungen es gestatten. Diese Formulierung wird ohne Bedenken angenommen werden können.
2.) Belgien hatte ursprünglich von der Schweiz einen Valutakredit von 70 Millionen Franken verlangt, die Forderung jedoch später auf 35 Millionen Franken reduziert. Eine so hohe Summe hätte aber lediglich dann in Betracht kommen können, wenn Belgien der Schweiz die vorgesehenen Monatsquantitäten von 120000 Tonnen geliefert hätte. Mit Rücksicht auf die erhebliche Verminderung der belgischen Kohlenlieferungen erschien deshalb ohne weiteres auch eine wesentliche Reduktion des Kredites angezeigt. Art. 3 des Vertragsprojektes sieht nun vor, dass der Bundesrat die Schweiz. Finanzgesellschaft in Luzern ermächtigt, einem Konsortium von belgischen Banken unter Führung der belgischen Nationalbank einen Kredit zu gewähren, welcher der Hälfte des Wertes der eingeführten belgischen Kohlen entspricht. Für die Monate Juni, Juli und August ist dieser Kredit bereits fixiert worden auf 9 Millionen Franken. Unter der Voraussetzung, dass, wie vorgesehen, in den letzten 4 Monaten des Jahres je 30000 Tonnen Kohle geliefert werden, käme für diese Zeit – unter der Annahme eines durchschnittlichen Kohlenpreises von Fr. 100 per Tonne – ein weiterer Kredit von 6 Millionen Franken in Betracht, bis Ende des Jahres somit total 15 Millionen Franken. Art. 4 des Entwurfes beschränkt die Kreditsumme auf maximal 38 Millionen Franken. Diese Summe, resp. eine Erhöhung des Betrages von 15 Millionen Franken, käme jedoch nur dann in Betracht, wenn Belgien seine Kohlenlieferungen über das vorgesehene Mass von 30000 Tonnen monatlich ganz wesentlich erhöhen würde, was selbstverständlich ja im grössten Interesse der Schweiz läge.
Der Kredit wird sichergestellt durch Solidarhaftung von 10 der bedeutendsten belgischen Banken, worunter die Belgische Nationalbank. Überdies besteht für die Verpflichtungen dieser Banken gemäss einem belgischen Gesetz vom 16. März 1919 eine Haftung des belgischen Staates. Damit kann die Sicherstellung als eine befriedigende betrachtet werden. Der Kredit soll durch Erneuerung von Dreimonatswechseln gewährt werden und zwar auf eine Maximaldauer von 11/2 Jahren, d.h. bis spätestens den 26. Juni 1921. Der Zinsfuss ist auf 6% festgesetzt. Da jedoch dieser Satz den üblichen Bedingungen der Finanzgesellschaft nicht entsprechen würde, eine Erhöhung bei Belgien aber nicht erreichbar war, so wird die Kohlen-Genossenschaft in Basel der Finanzgesellschaft die von dieser verlangte Kommission von 1/4% per Trimester entrichten. Die Finanzgesellschaft hat damit effektiv ihr Geld zu 7% ausgegeben, während die Kohlen-Genossenschaft ein Opfer auf sich nimmt, das mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Transaktion für die Kohlenversorgung ohne weiteres gerechtfertigt erscheint.
3.) Als weitere Gegenleistung hatte Belgien die Lieferung von Lebensmitteln, namentlich von Vieh und Käse, verlangt. Es gelang aber, Belgien zum Verzicht auf diese Bedingungen zu bewegen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass dafür ein besonderer Kredit von 3 Millionen Franken seitens der Finanzgesellschaft gewährt werde (Art. 3, lit. c, des Vertragsentwurfes). Die Bedingungen dieses Kredites sind die gleichen wie die bereits erwähnten des eigentlichen Kohlenkredites.
Die Kohlenversorgung der Schweiz gibt für den kommenden Winter zu so schweren Bedenken Anlass, dass nichts versäumt werden darf, um Kohle ins Land zu bringen, namentlich wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, um Hausbrandkohle handelt, die billiger ist als diejenige jeder ändern Provenienz. Trotzdem die Gewährung eines Valutakredites ans Ausland bei der gespannten Finanzlage der Schweiz nur im äussersten Falle gerechtfertigt ist, kann diese Massnahme im vorliegenden Falle durchaus verantwortet werden. Die Finanzgesellschaft in Luzern, die bekanntlich zur Durchführung solcher Kreditgeschäfte mit dem Ausland gegründet worden ist, hat sich bereit erklärt, diese Finanztransaktion gemäss einem Spezialabkommen zwischen ihr und dem belgischen Bankkonsortium durchzuführen. Sie ist hiezu ohne besondere Mittel in der Lage, indem einerseits Gelder, die für Italien vorgesehen waren, von diesem Lande nicht beansprucht worden sind und anderseits Frankreich kürzlich bedeutende Rückzahlungen an die Finanzgesellschaft geleistet hat. Zudem liegt diese Kreditgewährung auch im Interesse von Handel und Industrie, indem sich in Art. 8 des Vertragsentwurfes die belgische Regierung verpflichtet, aus dem Kredit die nötigen Devisen für Bezüge von Schweizerwaren zur Verfügung zu stellen.
Antragsgemäss wird beschlossen:
Der Entwurf eines «Accord économique et financier entre la Belgique et la Suisse», wie er von Delegierten der beiden Regierungen in Brüssel aufgesetzt worden ist, wird ratifiziert und das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, der belgischen Regierung diese Ratifikation zur Kenntnis zu bringen.4
Tags
League of Nations Energy and raw materials Coal