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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 6, doc. 275
volume linkBern 1981
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#893* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 394 | |
Titre du dossier | Rom, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 17 (1917–1917) | |
Référence archives | 147 |
dodis.ch/43550
Es scheint mir Pflicht, Ihnen zu berichten, dass der Vorfall in Washington betreffend die Vermittlung des Herrn Minister Ritter zur Herbeiführung einer Verständigung zwischen Deutschland und Amerika hier viel besprochen und nicht gerade günstig beurteilt wird. Die offizielle amerikanische Meldung liess erkennen, dass die Initiative zu diesem Versuche direkt von Deutschland ausgegangen sei, und diese Tatsache hat hier grossen Eindruck gemacht, weil sie allgemein als sicherer Beweis deutscher Schwäche betrachtet wurde. Sie hat auch zu der allgemeinen Verbreitung der Meinung geführt, dass der verschärfte Unterseebootkrieg jetzt schon als Versuch mit untauglichen Mitteln nachgewiesen sei. Aus dieser Schwäche der deutschen Stellung heraus erklärte man sich auch die hochmütige Zurückweisung der Vereinigten Staaten. Nun erscheint heute die amtliche deutsche Darstellung, nach welcher die Initiative zu dieser ganzen Unternehmung von unserem Gesandten ausgegangen wäre und wonach die Instruktionen der deutschen Regierung wesentlich anders gelautet hätten als die Note des schweizerischen Gesandten an die Regierung der Vereinigten Staaten. Man hält sich hier namentlich darüber auf, dass unser Gesandter nur von einem Blocus gegen Grossbritannien gesprochen habe, wogegen Deutschland offiziell mitteilt, dass es immer von der Blockade gegen alle Feinde gesprochen habe. Man ist auch sehr erstaunt darüber, dass der schweizerische Gesandte sich bereitgefunden habe, seine mündlichen Eröffnungen in die hochofFizielle Form einer Note zu kleiden, bevor er die Gewissheit hatte, dass die Antwort zustimmend lauten werde. Ich berichte Ihnen über diese Eindrücke keineswegs, um mich denselben anzuschliessen, sondern nur deshalb, weil es mir notwendig scheint, Sie über die Tatsachen zu unterrichten und weil ich den dringenden Wunsch habe, selbst genau unterrichtet zu werden über die Vorgänge, welche den Gegenstand der Kritik bilden. Die Tatsache, dass Ihr Departement die Anregung des Herrn Ministers Ritter nach Berlin weitergegeben hat, scheint mir zu beweisen, dass Sie mit diesem Vorgehen einverstanden waren, wodurch dem Schritte der Charakter einer rein persönlichen Demarche von vornherein genommen wird. Die hiesige Presse ist natürlich etwas enttäuscht darüber, dass jener unumstössliche Beweis deutscher Schwäche etwas ins Wanken gekommen ist, und sie sucht deshalb die Sache so darzustellen, als entspreche die offizielle deutsche Version den Tatsachen nicht. Es wäre mir sehr wertvoll, über diese Verhältnisse unterrichtet zu werden, da ich den Eindruck habe, dass das letzte Wort über diesen Vorfall noch nicht gesprochen sei.
Die Wichtigkeit, die man der Sache hier beizumessen scheint, ist erklärlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der Triumph über den deutschen Schritt und die Art seiner Abfertigung durch die Vereinigten Staaten hier sehr gross war und dass man diese Vorgänge förmlich als das Präludium zum Ende betrachtet hat.
Ich benütze den Anlass, um mitzuteilen, dass die geplante Offensive auf dem Karst offenbar mit Rücksicht auf die ganz abnormalen Witterungs- und Temperaturverhältnisse zurückgestellt worden ist. So vernehme ich aus der Quelle, die mir seinerzeit den 10. Februar als ersten Angriffstag bezeichnet hatte. Der Zufall hat es gewollt, dass an jenem Tage die kleine österreichische Offensive eingesetzt hat, die wohl nur den Zweck hatte, die italienischen Vorbereitungen zu stören. Ich höre weiter, dass Cadorna in der Römer Konferenz sehr dringend ersucht worden sei, die italienische Offensive soviel als möglich zu beschleunigen; er soll aber geantwortet haben, dass er sich nicht weiter engagieren können als dahin, dass diese Offensive vor Ende März eingeleitet werden solle.
Sehr viel wird geklagt über die Behandlung der unlängst einberufenen Jahrgänge 1873 und 1874. Der Diener des Herrn Lardy, welcher hier in Rom steht, teilte mit, dass die Leute schlecht gekleidet und verpflegt und noch viel schlechter untergebracht seien und dass tatsächlich nichts geschehe für ihre Ausbildung. Die Leute liegen Tage und Wochen in den Unterkunftsräumen herum, ohne einen Offizier zu sehen, ja ohne dass man sich überhaupt um sie kümmert. Die Disziplin unter der Truppe entspricht natürlich auch diesen Lebensbedingungen. Ganz gleiche Auskunft brachte mir gestern ein Herr, der direkt von Turin kam und bitter klagte über die Unordnung, welche herrsche unter den frisch einberufenen Truppen. Kein Mensch verstehe es, weshalb die Einberufung, die so viel böses Blut gemacht hat, erfolgt sei, und daraus ergebe sich wachsender Unwille über die Massnahme selbst.
In der Tat ist es geradezu unbegreiflich, dass die Regierung diese Einberufung offenbar ohne zwingende Not vollzogen hat, und zwar in einem Augenblick, in welchem sich auf allen Seiten die Klage darüber erhebt, dass es dem Lande an den notwendigen Arbeitskräften fehle und in welchem der Landwirtschaftsminister die Versicherung geben musste, dass alles Nötige getan werde, um der Landwirtschaft diejenigen Arbeitskräfte zuzuführen, deren sie im Süden jetzt schon bedarf, um die Ernte vorzubereiten, von deren Ausfall die Lebensmittelversorgung des Landes so wesentlich abhängen wird. Es darf nicht wundern, dass unter diesen Umständen die Ansicht sich im Volke verbreitet, dass die Einberufung der älteren Jahrgänge nur geschehen sei, um einem Drucke der Alliierten nachzugeben.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Rom, Archiv-Nr. 17.↩
Tags
Maintien de la paix (1890–1918)