Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 195
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1501#3291* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1501 95 | |
Dossier title | Wirtschaftsabkommen mit der Entente und Deutschland in den Jahren 1916-1917, I (1915–1916) | |
File reference archive | C.21.51 |
dodis.ch/43470 Le Conseiller de Légation à Berlin, W. Deucher, au Chef du Département politique, A. Hoffmann1
Ich beehre mich, den Empfang Ihrer Telegramme vom 29. v.M. und vom gestrigen Tage sowie mein heutiges Telegramm2 betreffend die Einfuhr von Kohle, Eisen, Eisenblech, Kleinzeug und anderen Eisenwaren aus Deutschland nach der Schweiz zu bestätigen.
Ich sprach in der Angelegenheit soeben beim zuständigen Vortragenden Rate des Auswärtigen Amtes, Wirkl. Geh. Legationsrat von Stockhammern, vor.
Mit Ihnen hatte ich, da die deutsche Antwort auf Ihr Gesuch um Fristverlängerung3 noch aussteht, den Bescheid erwartet, dass die Mitteilungen über die Verhinderung der Ausfuhr dieser Waren tatsächlich in allen Teilen unbegründet seien. Leider entnahm ich den Äusserungen meines Gewährsmannes zu meinem Erstaunen bald, dass ich in dieser Erwartung getäuscht war.
Herr von Stockhammern beteuerte zunächst, dass keine Sperre bezüglich dieser Waren bestehe, sodann aber gab er zu, dass Anordnung getroffen sei, mit der Bestellung von Wagen zu Transporten von Eisenblech, Kleinzeug und anderen Eisenwaren zurückzuhalten. Die Verfügung sei - so sagte er - von den Militärbehörden erlassen, um zu verhüten, dass im Falle es zur Sperre komme, eine Anhäufung von Wagen an der Grenze stattfinde. Dies müsse unter allen Umständen vermieden werden. Den weiteren Erklärungen meines Gewährsmannes zufolge ist mit Bezug auf Kohle noch nichts verfügt. Kohlenlieferungen nach der Schweiz können noch in bisherigem Umfange und so schnell wie bisher vor sich gehen. Dagegen sei Vorsorge getroffen, dass nicht noch rasch mehr Kohle bezogen werden kann. In bezug auf Eisen behielt sich Herr von Stockhammern eine Äusserung in einer schriftlichen Mitteilung vor, die er mir für nächsten Dienstag in Aussicht stellte.
Ich gab meinem Erstaunen und meiner Bestürzung über das Verhalten der deutschen Regierung unzweideutig Ausdruck. Ich hielt meinem Gewährsmanne das Ausserordentliche vor Augen, das darin liegt, dass in einer Angelegenheit Tatsachen geschaffen werden, während ein Gesuch um Fristerstreckung schwebt. Ich wies auf die bedenkliche Wirkung hin, die dieses Vorgehen auf die Stimmung in der Schweiz haben wird.
Herr von Stockhammern führte gegenüber diesen Vorstellungen aus:
Die Schuld an dieser Lage liegt bei Frankreich, das von England scharf gemacht sein mag. Frankreich ist wortbrüchig geworden. Es liefert die Kompensationsobjekte nicht, die es versprach. Kann jemand mit Ernst verlangen, dass Deutschland gebe, während es nichts bekommt? 20000 Menschen arbeiten in Deutschland für die Kohlen Versorgung der Schweiz; ebensoviele für deren Versorgung mit Eisen, Eisenwaren, Chemikalien. Von diesen Erzeugnissen ging zudem ein Teil nach den Ländern des Vierverbandes. Das weiss man hier wohl. Man hat ein Auge zugedrückt, solange Deutschland von dort etwas bekam. Übrigens ist die reelle schweizerische Industrie in diesen Artikeln für etwa 8 Monate eingedeckt. Diese Industrie soll nicht geschädigt werden. Wenn der Handel leidet und Konventionalstrafe zahlen muss, so ist das seine Sache. Er kannte das Risiko. Trotzdem Deutschland jetzt schon ein strenges Regime einführen könnte, wird es immer auf die Interessen der Schweiz Rücksicht nehmen, soweit dies mit den deutschen Interessen noch vereinbar ist. Mehrmals hob mein Gewährsmann hervor, dass die Massnahmen, um die es sich handelt, der Schweizer Regierung bei ihren Verhandlungen in Paris den besten Stand geben. Die Verschlechterung der Stimmung in der Schweiz gegenüber Deutschland fürchtete er nicht, denn einerseits werde man auch im Westen derselben einzusehen beginnen, dass man Deutschland brauche, andererseits werde die Erkenntnis nicht fehlen, dass Frankreich, nicht Deutschland, die Schuld treffe.
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Economic and financial negotiations with the Central Powers (World War I)