dodis.ch/42279
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 28. Mai 1886
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2421. Handelsvertrag mit Deutschland
Handels- und Landwirtschaftsdepartement. Anträge vom 29. April und 20. Mai 1886, Notenentwurf ohne Datum
Zolldepartement. Mitberichte vom 6. und 27. Mai 1886
Nach Einsichtnahme der von den obengenannten Departementen erstatteten Berichten2 wird auf Grundlage des vom Handelsdepartement vorgelegten neuen Notenentwurfes und in Genehmigung der vom Zolldepartement mit Vortrag vom 27. Mai unter 1, 2 und 3 gestellten Anträge beschlossen:
1. Die schweizerische Gesantschaft in Berlin wird beauftragt, dem Auswärtigen Amt des Deutschen Reiches folgende Note zu überreichen:3
«Die Verhältnisse, unter denen am 23. Mai 1881 der deutsch-schweizerische Handelsvertrag auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen wurde, sind heute wesentlich verändert.4
Während für die deutsche Einfuhr nach der Schweiz verhältnissmässig niedrige Tarife, von welchen eine grosse Anzahl durch Verträge mit ändern Staten für eine bestimmte Zeitdauer gebunden sind, zur Anwendung kommen, ist der schweizerische Handel mit Deutschland durch bedeutend höhere Zölle belastet, und zudem gegen die Erhöhungen, welche in neuerer Zeit stattgefunden haben, auch in der Zukunft in keiner Weise geschüzt und damit eine stetige und gedeihliche Entwiklung des Verkehrs unmöglich gemacht.
Die zahlreichen Beschwerden, welche dieser Zustand der Ungleichheit in der Schweiz hervorgerufen hat, mehren sich und werden dringender, seitdem die von der Bundesversammlung angeordneten Untersuchungen den Nachweis geleistet haben, dass seit dem Jahr 1881 die Situation für die Schweiz. Interessen immer ungünstiger geworden ist.
Der schweizerische Bundesrat hat die Überzeugung, dass der Vertrag vom 23. Mai 1881 unter solchen Umständen nicht unverändert fortbestehen kann, und sieht sich daher auf die Bestimmungen des Art. 12 betr. die Kündigung und die Revision des Vertrages angewiesen.
Indem er vorerst den Weg der Verständigung beschreitet, stellt der Bundesrat an die H. Kaiserl. Regierung das Gesuch, sich gefälligst darüber aussprechen zu wollen, ob sie geneigt sei, in Unterhandlungen einzutreten, welche dahin zielen, den bezeichneten Übelständen Rechnung zu tragen und die gegenseitigen Handelsbeziehungen gleichmässig und dauernd zu ordnen.»
2. Es ist die Vereinbarung eines neuen Vertrages und zwar eines Tarifvertrages mit Deutschland anzustreben.
3. Von Seite der Schweiz sind eventuell entsprechende Konzessionen in Aussicht zu nehmen, sei es durch vertragsmässige Bindung von Tarifsäzen auf ihrer dermaligen Höhe, sei es durch Herabsezung einiger Tarifsäze vorzugsweise in Positionen und Beträgen, welche die Schweiz. Produktion und die Bundesfinanzen in erheblichem Masse nicht beeinträchtigen.
4. Behufs Kompensation des eventuellen Ausfalles in den Bundeseinnahmen und sowohl mit Rüksicht auf die bevorstehenden Vertragsunterhandlungen mit Deutschland, Italien und Österreich-Ungarn, als auch im Hinblik auf die eingelaufenen Zollpetitionen5 ist eine partielle Revision des Zolltarifs6 beförderlich vorzubereiten.
5. Das Handels- & Landwirtschaftsdepartement wird eingeladen, den Entwurf einer Mitteilung an die eidgen. Räte über diese Angelegenheit vorzulegen.
6. In dem vom Zolldepartement vorgelegten Entwurf einer Zuschrift an die Bundesversammlung über die Behandlung verschiedener Petitionen auf Abänderung des Zolltarifs ist zu erwähnen, dass der Bundesrat sich Vorbehalte, den Räten mit Rüksicht auf die Zollverhältnisse des Auslandes noch weitere Vorschläge für Tarifänderungen einzureichen.7