Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VIII. HUMANITÄRES VÖLKERRECHT
1. Die Kodifikation des Kriegsvölkerrechts
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 46
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#311* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 30 | |
Dossier title | Ergänzungsvorschläge Russlands zu Art. 12 der Zusatzartikel vom 20.10.1868 (1870–1894) | |
File reference archive | B.232 |
dodis.ch/42025
Dem Schreiben2, welches heute an Sie abgegangen ist und auf die Frage der Genfer-Convention3 Bezug hat, bin ich im Falle, noch einige weitere Bemerkungen beizufügen.
Sie finden beiliegend Abschrift einer Note4, welche vom Fürsten Gortschacov an den russischen Gesandten in Paris gerichtet ist. Sie wurde mir letzter Tage vom hiessigen russischen Geschäftsträger ad interim im Aufträge seiner Regierung mitgetheilt und ich habe zu ihrer Erklärung nur anzumerken, dass General d’Houdetot Präsident der in Frankreich entstandenen Gesellschaft zur Verbesserung des Looses der Kriegsgefangenen ist.
Aus der Note des Fürsten Gortschacov ist ersichtlich, dass die russische Regierung damit umgeht, eine internationale Convention vorzubereiten, welche den Zwek hätte, die Rechte und Pflichten der Staaten und der Armeen in Kriegszeiten zu präcisiren.
Es ist dieses offenbar ein Project, welches nicht neben der Genfer-Convention Platz hat, sondern welches bestimmt ist, an die Stelle der letztem zu treten.
Der Schweiz. Bundesrath war bis dahin bekanntlich die geschäftsführende Regierung in Sachen der Genfer-Convention. Der letzte Act, den er in dieser Angelegenheit in Empfang nahm, war die Erklärung des deutschen Reichscanzleramtes, wonach Deutschland im Gegensatz zu allen ändern Regierungen die Annahme des später vorgeschlagenen Artikels verweigerte.5 Ich ersuchte Sie nach Empfang dieses Actes über die Gründe der Ablehnung nähere Erkundigungen einzuziehen, um ermessen zu können, wie der Bundesrath weiter vorzugehen haben dürfte. Es lag die Vermuthung nahe, der deutsche Reichscanzier beabsichtige, die Genfer-Convention in ihrer jezigen Gestalt und Einrichtung überhaupt fallen zu lassen. Erzeigte sich diese Vermuthung begründet, so müsste die Hoffnung aufgegeben werden, durch diese oder jene weitern Verhandlungen eine Einigung über die streitigen Punkte zu erzielen und es blieb dann dem Bundesrath nur übrig, sämmtlichen betheiligten Regierungen von der Sachlage Kenntniss zu geben und diese zu abschliessenden Erklärungen zu veranlassen. Da das politische Departement in Ermanglung der nöthigen Orientirung bis dahin nicht in der Lage war, dem Bundesrath Vorschläge betreffend das weitere Vorgehen zu machen, so blieb die Angelegenheit bis heute auf sich beruhen.
Ich habe mir nun in meinem Schreiben von heute erlaubt, Ihnen die Angelegenheit in Erinnerung zu bringen. Wir dürfen mit einer Kundgebung nicht länger zögern.
Sie werden vielleicht in Erfahrung bringen können, ob in der That die letzte Erklärung des Reichscanzlers so zu interpretiren ist, dass er die Genfer-Convention zur Auflösung bringen will; ob er dem Vorgehen der russischen Regierung fremd oder nicht vielmehr dieses von ihm veranlasst ist; ob der Zwek der russischen Regierung wirklich dahin geht, die Genfer-Convention als solche fallen zu lassen und sie durch einen neuen, umfassendren internationalen Staatsvertrag zu ersetzen; welche Gründe sie dazu bestimmt haben und welche Aufnahme die Note von Gortschacov bei der deutschen Regierung gefunden hat.
Indem ich Sie ersuche, der Angelegenheit ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen und mir baldmöglichst Ihren bezüglichen Bericht zukommen zu lassen6, ergreife ich die Gelegenheit, Sie meiner besonderen Hochachtung zu versichern.
Tags
Questions of international law