Classement thématique série 1848–1945:
VI. NEUTRALITÉ, POLITIQUE DE NEUTRALITÉ
VI.1. 1866
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 2, Dok. 34
volume linkBern 1985
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2#1000/44#463* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2(-)1000/44 84 | |
Dossiertitel | Deutscher Krieg, 1866 (1866–1866) | |
Aktenzeichen Archiv | B.264 |
dodis.ch/41567 Proposition du Président de la Confédération, J. M. Knüsel, au Conseil fédéral1
Nachdem gestern Abend von Schaffhausen u. Basel beifolgende zwei Depeschen2 betreffend Durchmarsch badischer Truppen eingelangt, [...]langte heute Morgen folgende Zuschrift der Regierung von Baselstadt ein. /...]3
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es an der zeit ist, diese Frage grundsätzlich zu regeln. Der § 32 des Vertrages betreffend die Weiterführung der badischen Eisenbahnen v. 27. Juli 18524 normiert für Friedenszeiten den Durchtransport von badischen Truppen über schweizerisches Gebiet genau. Als daher am 18. Juni abhin von Schaffhausen die telegraphische Einfrage5 gestellt wurde, was bezüglich des angesagten Truppendurchmarsches vorzukehren sei, konnte an diesem Stand u. an Baselstadt die Antwort einfach dahin gegeben werden, dass nach Vorschrift des Vertrages zu verfahren sei. Laut Anzeige des Truppenkommandos sollte das fragliche Regiment von Konstanz nach Durlach gebracht werden. Damals war noch nicht bekannt, dass Baden, welches am Bundestage für eine neutrale Haltung sich ausgesprochen, an den kriegerischen Operationen gegen Preussen Theil nehmen werde. Auch seither erst ist von der preussischen Gesandtschaft dem Bundesrathe die offizielle Mittheilung6 vom Austritt Preussens aus dem Deutschen Bunde u. von der feindlichen Stellung zu demselben gemacht worden, bis aber diese Communication erfolgt war, war für den Bundesrath keine Veranlassung da, bei seinen Schlussnahmen auf aussergewöhnliche Verhältnisse abzustellen, die ihm nicht nach allgemeiner völkerrechtlicher Übung vorher zur Kenntniss zu bringen waren. Seither hat sich aber die Sachlage geändert. Die aktive Theilnahme Badens an den Feindseligkeiten gegen Preussen ist zur notorischen Thatsache geworden, der Bruch Preussens mit dem deutschen Bunde ist dem Bundesrathe amtlich ratifiziert worden. Wenn früher eine Verweigerung des Durchpasses von den südteutschen Staaten u. namentlich von Baden mit Recht als eine gehässige u. nicht nothwendige Massregel hätte gedeutet werden können, so stellt sich die Frage jetzt ganz anderst, nämlich ob nach Schlussatz des oben zitierten Artikels 32 der fernere Durchmarsch badischer Truppen auf die Kriegsdauer u. gestützt auf unsere neutrale Stellung untersagt werden soll. Der Art. 32 lautet in seinem Schlussatz also: «Der Transport von Truppen über die Bahnstreken auf schweizerischem, beziehungsweise grossherzoglichem Gebiete kann von der schweizerischen in gleicher Weise wie von der grossherzoglichen Regierung untersagt werden, wenn dadurch die Neutralität der Schweiz, oder des Grossherzogthums Badens gefährdet würde.» Nach diesem Artikel hat also die Schweiz das Recht die Benützung von Bahnstreken auf schweizerischem Gebiet fremden Truppenkörpern zu untersagen, sie kann deren Durchmarsch verhindern, wenn sie dieses im Interesse ihrer Neutralität hält. Es frägt sich also nur, würde durch eine fernere Gestattung des Durchmarsches nicht schweizerischer Truppen unsere neutrale Stellung wirklich gefährdet? Diese Frage kann nicht unbedingt bejaht werden. Der berühmte Rechtslehrer Dr. Bluntschli legt in seinem Werke über das moderne Kriegsrecht, dass im Allgemeinen der neutrale Staat keiner Kriegsparthei den Durchmarsch gestatten soll, auch wenn dieses auf sonst regelmässigem Wege geschehe. In dem folgenden Artikel 251 fügt er aber bei: «Wenn jedoch eine Verfassungspflicht oder eine Staatsservitut oder eine Vertragspflicht der neutralen Staaten besteht, den Durchzug von Truppen dem anderen Staate zu gestatten, der nun Kriegsparthei ist, so ist die gewachsene Erfüllung dieser Pflicht nicht als eine Unterstützung dieser Kriegsparthei zu betrachten u. es liegt darin keine Verletzung der Neutralitätspflicht.» Wenn aber das politische Departement doch zu der Ansicht kommt, es solle fernerhin der Durchmarsch nicht mehr gestattet werden, so lässt es sich von folgender Anschauung leiten. Die Schweiz als kleiner Staat wird immer gut thun, den Begriff der Neutralitaet nicht laxe sondern strikt zu nehmen, die übrigen Staaten, die uns das Recht der Neutralitaet anerkennen u. respektieren, erwarten auch strikte Handhabung. Bei dem grossen Brande, der zu entstehen droht, könnte sonst leicht eine Macht, der ein Einbruch in unsere Neutralitaet zwekdienlich wäre, davon Veranlassung nehmen, unser Gebiet nicht zu achten: Es soll aber möglichst vermieden werden, Jemandem solche Vorwände zu leihen. Aus dem Bericht der Regierung von Basel geht ferner hervor, dass solche Durchzüge leicht zu allerlei Ausschreitungen Anlass geben, die nur zu leicht einen Charakter annehmen könnten, der die Grenzverhältnisse bedenklich bedrohen würde. Schliesslich ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die Bahnstreke Konstanz–Basel bei weiterer Entwikelung des Krieges eine weit grössere militärische Bedeutung erlangen könnte, als sie gegenwärtig hat. Würde man aber erst dann von dem im Schlusssatz des allegierten Artikel 32 der Schweiz zugestandenen Rechte Gebrauch machen wollen, so müsste dieses viel schwieriger werden, als wenn man den Anfängen wehrt. Gestützt auf diese Betrachtungen stellt das politische Depart, folgende Anträge: 1. Es sei von nun an auf die Zeit der Kriegsdauer in den benachbarten Ländern, gestützt auf Schlussatz des Art. 32 des zwischen der Schweiz u. Baden bestehenden Vertrages vom 27. Juli 1852, der Durchmarsch fremder Truppenkörper u. der Transport von Kriegsmaterial auf den Bahnstreken des schweizerischen Gebiets der Eisenbahn Basel–Konstanz untersagt.
2. Diese Schlussnahme ist der grossherzoglich badischen Regierung in angemessener Weise mitzutheilen.
3. Den Regierungen v. Baselstadt u. Schaffhausen ist sofort telegraphisch Kenntniss hievon zu geben.
4. Den genannten beiden Regierungen ist brieflich die Schlussnahme textuell unter Begründung der Handlungsweise des Bundesrathes mitzutheilen7.