Unterhaltung mit dem Leiter der Wirtschaftsabteilung des französischen Aussenministeriums über die Frage der schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen zu den Oststaaten und den diesbezüglichen amerikanischen Druck.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 18, Dok. 77
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1967/113#157* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1967/113 13 | |
Dossiertitel | Ost-West-Handel: Lieferung exportverbotener Güter nach Osteuropa auf dem Wege über die Schweiz. Ueberwachung der Ein- und Ausfuhr (1949–1951) | |
Aktenzeichen Archiv | A.14.62.3.0.Uch |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2200.41-05#1000/1694#1341* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2200.41-05(-)1000/1694 67 | |
Dossiertitel | Commerce ouest - est (1949–1951) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.19.1 |
dodis.ch/8710 Der schweizerische Gesandte in Paris, P. A. von Salis, an den Direktor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, J. Hotz1
Ich beehre mich, Bezug zu nehmen auf Ihre schriftlichen Instruktionen vom 25. Januar2 und die mir gestern auf schnellstem Wege zugekommenen Mitteilungen über den Bundesratsbeschluss Nr. 2 betreffend die Überwachung der Einfuhr3. Ich hatte nicht verfehlt, unverzüglich den Leiter der Wirtschaftsabteilung im französischen auswärtigen Amt, Herrn Minister Charpentier, um eine Audienz zu ersuchen, die gestern abend um 18 h. 30 stattfand.
Ich erklärte Herrn Charpentier einlässlich die Gründe, die den Bundesrat veranlasst haben, den Beschluss Nr. 2 zu fassen und legte besonderes Gewicht darauf, ihm auseinanderzusetzen, dass wenn die Westmächte irgendwelche Zweifel hegten über die endgültige Bestimmung von Waren, die für die Schweiz deklariert würden, sie es nunmehr in der Hand hätten, auf Grund der neuen Regelung alle Garantien zu erhalten, dass die Waren nicht aus der Schweiz exportiert würden. Herr Charpentier nahm von meiner Erklärung und vom Memorandum Kenntnis, ohne sich des längeren darüber zu äussern. Er beschränkte sich auf die Feststellung, dass die Massnahme im richtigen Moment komme, da die amerikanische Regierung in immer dringenderer Weise auf die Einstellung der Ausfuhr strategisch wichtiger Materialien nach dem Ostblock dränge.
Eine halbe Stunde vor meiner Besprechung mit Herrn Charpentier erhielt ich auch Ihre weiteren Weisungen in der Frage der Ausfuhr schweizerischer Waren nach dem Osten. Ich legte ihm ebenfalls Ihre Auffassung in dieser Frage dar und machte namentlich geltend, dass der schweizerische Export nach dem Osten nur ca. 7% unserer Gesamtausfuhr ausmache, wobei, wie ja auch Frankreich, die Schweiz bestrebt sei, die Ausfuhrwaren auf die verschiedenen Kategorien zu verteilen. Bei dieser Sachlage könne von einer irgendwie massgebenden Ausfuhr strategischer oder kritischer Waren aus der Schweiz schwerlich die Rede sein. Herr Charpentier nahm von diesen Erklärungen Vormerk und stellte fest, dass seine Regierung bestrebt sei, auch auf diesem Gebiete die amerikanische Tendenz zwecks Einführung strikter Verbote zu bekämpfen. Er wies darauf hin, dass wie die Schweiz, auch Frankreich gewisse Wirtschaftsbeziehungen mit den Oststaaten aufrecht erhalten müsse und dass er Verständnis für unsere These der «courants normaux» habe. Was die französische Regierung jedoch unter allen Umständen nicht wolle, sei, dass auf Grund der Verpflichtungen gegenüber Amerika Frankreich auf die Lieferung gewisser Produkte nach dem Osten verzichten müsse und dass die Schweiz einfach an Frankreichs Stelle trete und die aufgegebenen Märkte des Ostens mit den gleichen Waren beliefere. Verständnis fand ich auch bei Herrn Charpentier in der Frage der Rohmaterialien, die der Osten uns liefert, und er reagierte besonders auf den Hinweis des Bezuges von polnischer Kohle. Ich darf somit annehmen, dass man zumindest im französischen Aussenministerium vorläufig in der Frage der Ausfuhr schweizerischer Waren ein gewisses Verständnis zeigt, wobei selbstverständlich ein zu grosser amerikanischer Druck vielleicht auch hier in der Folge eine Änderung der französischen Einstellung mit sich bringen könnte. Herr Charpentier wies besonders auf die schweizerischen Exporte von Kugellagern hin, bei welchem Anlass ich ihm eine sehr vage Andeutung machte, dass nötigenfalls der Bundesrat prüfen werde, welche Massnahmen gegen ein Überschreiten des Rahmens des «courant normal» ergriffen werden könnten. Ich ging jedoch auf Einzelheiten nicht ein.
Herr Charpentier stellte fest, dass auch die Schweden kürzlich gewisse Angaben über ihren Warenverkehr mit dem Osten zur Verfügung gestellt hätten und behauptete zunächst, dieser Warenaustausch betrage 1% der gesamten schwedischen Ausfuhr. Ich gab meinem Erstaunen über diesen sehr kleinen Prozentsatz Ausdruck, worauf Herr Charpentier seine Erklärung dahin berichtigte, dass es sich bei diesem 1% um eine Schätzung der Ausfuhr strategischer oder kritischer Waren nach dem Osten handle.
Er frug mich zuletzt, ob ich allenfalls bereit wäre, ihm in der Frage der schweizerischen Ausfuhr im Sinne der abgegebenen Erklärungen eine schriftliche Mitteilung zu machen. Ich glaube nicht, dass sich dies als unbedingt notwendig erweist, doch wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihren Standpunkt in der Sache mitteilen wollten4.
Der Generaldirektor der Wirtschaftsangelegenheiten im Quai d’Orsay teilte mir sodann vertraulich mit, dass die französische Regierung sich dafür eingesetzt habe, dass die Schweiz in einem der Rohstoffkomitees in Washington vertreten werde, da sie festgestellt habe, dass weder Skandinavien noch die Schweiz als Mitglied eines solchen Komitees vorgesehen worden sei. Zunächst sei geplant gewesen, der Schweiz im Komitee für Wolfram (Tungsten) und Molybdän einen Sitz einzuräumen, doch habe man beschlossen, sie sei im Komitee für Schwefel zu vertreten. Schweden erhält einen Sitz im Komitee für Wolfram und Molybdän und Norwegen in demjenigen für Nickel. Sofern in dieser Absicht keine Änderung eintritt, soll uns in einigen Tagen eine amtliche Mitteilung darüber zukommen. Über diese Frage erhalten Sie übrigens mit gleichem Kurier einen besonderen zusammenfassenden Bericht5. Ich verdankte Herrn Charpentier das bekundete Interesse, selbstverständlich unter Vorbehalt der Prüfung der Frage, ob allenfalls politische Erwägungen eine solche schweizerische Vertretung als angezeigt erscheinen lasse oder nicht.
- 1
- Schreiben (Kopie): E 2200.41(-)-/37/C/12.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 4
- Um die Haltung der Schweiz im Ost-West-Handel abzuklären, wurden die schweizerischen Gesandten in Washington, London und Paris zu einem einlässlichen Meinungsaustausch nach Bern eingeladen, vgl. dazu DDS, Bd. 18, Dok. 84, dodis.ch/7231.↩
- 5
- Nicht abgedruckt.↩
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