Darin: Antrag des Justiz-und Polizeidepartements an den Bundesrat vom 5.4.1879 (Beilage).
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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 1. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Internationalismus 1863–1914, vol. 13, doc. 10
volume linkBern 2023
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#221* | |
Dossier title | Frage betr. Unterstellung der Schweizer in Japan unter Schutz und Gerichtsbarkeit der Schweiz, Japans oder fremder Vertretungen in Japan (1879–1879) | |
File reference archive | D.123.03 |
dodis.ch/63966Der interimistische Honorar-Generalkonsul in Yokohama, Wolff, an den Bundesrat1
[Schutz von Schweizern in Japan und schweizerische Rechtssprechung]
Ein Schweizer in Hiogo, der einzige Schutzbefohlene des dortigen Viceconsuls,2 ist durch Verweigerung der Bezahlung der Rente auf seinen Grundstücken, und durch persönliche schlechte Aufführung in Conflict mit seinem Consul gekommen. Er erklärt nun, dass er auf seine Rechte als Schweizerbürger in Japan verzichte, sich unter japanischen Schutz stelle, und die schweizerische Jurisdiction nicht mehr anerkenne, und hat ihn der Viceconsul, Herr C. Favre-Brandt, in diesem Verlangen unterstüzt, wohl in der Absicht diesen lästigen Gesellen los zu werden, während der andere durch dieses Maneuver augenscheinlich sich nur dem Arme des Gesezes entziehen will. Abgesehen von dem Risico, einen Schweizer unter die japanischen «Geseze» zu stellen, glaubte ich schon in Hinsicht auf Art. 44 der Bundesverfassung3 dieses Ansuchen abweisen zu müssen, und habe daher den Viceconsul in Hiogo-Osaka instruirt, die gegen das erwähnte Individuum verhängenden Klagen in Hand zu nehmen und zu beurtheilen. Auch über diesen Punkt erbitte ich mir Ihre positive Ansicht, da verschiedene der hiesigen Schweizer zu glauben scheinen, dass sie sich zu jeder Zeit unter den Schutz einer beliebigen anderen Macht stellen können.4
Antrag des Justiz- und Polizeidepartements an den Bundesrat5
Bern, 5. April 1879
Es sei zu antworten, dass im Allgemeinen dem freiwilligen Verzichte auf das schweizerische Kantons- und Gemeindebürgerrecht nichts im Wege stehe, aber es müsse dieses ganz und im vollen Umfange geschehen, unter Beobachtung der Vorschriften der Art. 6, 7 und 8 des Bundesgesezes, betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe vom 3. Heumonat 1876 (off. S. neue Folge Bd: II. S. 510.). Ein bloss theilweiser oder nur temporärer Verzicht auf die Rechte eines Schweizers sei nicht statthaft.
Allerdings sei auch gedenkbar, daß ein Schweizer die Nationalität eines andern Staates erwerbe, während er doch noch Schweizer bleibe; allein in diesem Falle finde Art. 5 des erwähnten Bundesgesezes Anwendung, wonach der betreffende, so lange er in jenem anderen Staate wohne, keinen Anspruch habe auf die Rechte und den Schutz eines Schweizerbürgers.6
Die weitere Frage, ob es den in Japan wohnenden Schweizern zustehe, freiwillig zu wählen, ob sie dem Schutze der Schweizerischen Konsulate oder demjenigen der Repräsentation eines beliebigen anderen Staates, oder der japanesischen Gesezgebung sich unterstellen wollen, müsse verneinend beantwortet werden.
Der Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Japan von 18647 habe nicht bloss den Zweck, die Rechte und Interessen der Schweizer in Japan zu schützen, sondern auch den Umfang der Rechte der schweizerischen Konsulate zu normieren, denen sie bedürfen, um jenen Schutz wirksam auszuüben. Deshalb seien in Art. 5 dieses Vertrages alle Streitigkeiten zwischen Schweizern in Japan und zwischen einem Japanesen als Kläger gegen einen Schweizer als Beklagten der Jurisdiktion der in Japan eingesezten schweizerischen Behörde unterstellt. Die übrigen in den Art. 6 und 7 des Vertrages ausgestellten Kompetenzen der schweizerischen Konsularbeamten beruhen auf dem gleichen Grundsaze.
Auch das Reglement für die schweizerischen Konsularbeamten vom 26. Mai 18758 beruhe auf dem Prinzipe, dass die im Gebiete eines Konsulates wohnenden Schweizer dem Schutze derselben unterstellt bleiben, denn nur aus diesem Grunde sei den Konsulaten die Anlage und Fortführung der Matrikel-Register (Art. 48 Ziff. 5 und Art. 49–52) aufgetragen.
- 1
- CH-BAR#E2#1000/44#221* (D.123.03). Dieses an den Bundesrat gerichtete Schreiben wurde vom interimistischen schweizerischen Honorar-Generalkonsul in Yokohama, Arnold Wolff, unterzeichnet. Das im Schreiben geäusserte Anliegen wurde vom Justiz- und Polizeidepartement in einem Antrag an den Bundesrat vom 5. April 1879 aufgenommen, vgl. das Faksimile dodis.ch/63966, und am 8. April 1879 im Bundesrat behandelt, vgl. das BR-Prot. Nr. 1920 vom 8. April 1879, CH-BAR#E1004.1#1000/9#6523*.↩
- 2
- Charles Favre-Brandt.↩
- 3
- Art. 44, Abs. 2: «Die Bedingungen für die Ertheilung des Bürgerrechtes an Ausländer, sowie diejenigen, unter welchen ein Schweizer zum Zweke der Erwerbung eines ausländischen Bürgerrechtes auf sein Bürgerrecht verzichten kann, werden durch die Bundesgesezgebung geordnet.» AS, 1874–1875, S. 14.↩
- 4
- Vgl. zu dieser Thematik auch das Rundschreiben des Bundesrats an die schweizerischen Vertretungen im Ausland vom 8. Juli 1871, QdD 13, Dok. 7, dodis.ch/41905.↩
- 5
- Dieser Antrag des Justiz- und Polizeidepartements an den Bundesrat vom 5. April 1879 wurde auf der Rückseite des Schreibens von Wolff verfasst und vom Vorsteher des Politischen Departements, Bundespräsident Bernhard Hammer, in seiner Funktion als Stellvertreter des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartements, Bundesrat Fridolin Anderwert, unterzeichnet. Der Antrag wurde am 8. April 1879 im Bundesrat behandelt, vgl. das BR-Prot. Nr. 1920 vom 8. April 1879, CH-BAR#E1004.1#1000/9#6523*.↩
- 6
- Für die Art. 5, 6, 7 und 8 des Bundesgesetzes betreffend die Erteilung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe vom 3. Juli 1876 vgl. BBl, 1876, III, S. 446–447.↩
- 7
- Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem schweizerischen Bundesrathe und Seiner Majestät dem Taïkun von Japan vom 6. Februar 1864, BBl, 1864, II, S. 209–222. Vgl. dazu auch DDS, Bd. 1, Dok. 509, dodis.ch/41508, sowie Dok. 520, dodis.ch/41519.↩
- 8
- Reglement für die schweizerischen Konsularbeamten vom 26. Mai 1875, AS, 1874–1875, S. 528–564. Vgl. dazu auch das Kreisschreiben des Bundesrats an die diplomatischen und Konsular-Beamten der Eidgenossenschaft im Ausland vom 4. Juni 1875, BBl, 1875, III, S. 779–796.↩
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Taxation issues Swiss citizens from abroad