Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.1. ALLEMAGNE
III.1.1. ALLEMAGNE - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 15, doc. 368
volume linkBern 1992
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2801#1967/77#103* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2801(-)1967/77 4 | |
Titolo dossier | Delegation Schnurre (1945–1945) | |
Riferimento archivio | 071 |
dodis.ch/47972
Heute 11.30 besucht mich auf meinen Wunsch der Chef der deutschen Wirtschaftsdelegation, Gesandter Schnurre.
Ich mache ihm folgende Mitteilungen, nachdem ich präzisiert hatte, dass sie für ihn und seine Regierung, keineswegs aber für die Presse bestimmt seien2, was er zusagt:
Sie können sich aus der in- und ausländischen Presse leicht vorstellen, dass die hier anwesenden alliierten Delegationen an die Schweiz sehr weitgehende Forderungen gestellt haben. Sie wissen auch, wie vollständig wir mit Bezug auf unsere Zufuhr und unsern Export von den hier verhandelnden Ländern abhängig sind. Das Hauptbegehren der Alliierten geht dahin, dass die Schweiz «in letzter Stunde» der Welt klipp und klar beweise, auf welcher Seite sie stehe. Man erkenne zwar die schweizerische militärische Neutralität und wolle diese nicht tangieren. Es müsse aber von der Schweiz erwartet und verlangt werden, dass sie sich wirtschaftlich und moralisch in klarer Weise auf die alliierte Seite stelle. Dementsprechend werde verlangt, sofortiger Erlass eines generellen Ausfuhrverbotes gegenüber Deutschland, vollständige Sperrung des Transitverkehrs über den Gotthard, Sperre der Ausfuhr von elektrischem Strom nach Deutschland, weitgehende Massnahmen im Sinne der Empfehlung in § 6 der Konferenz von Bretton Woods.
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Annahme dieser Forderungen mit der Neutralität und der Würde unseres Landes nicht vereinbar sei, obschon er sich natürlich Rechenschaft gibt, dass eine solche Annahme in den Hauptstädten der Alliierten einen sehr günstigen Eindruck gemacht hätte3. Im einzelnen ist zu den alliierten Forderungen folgendes zu sagen:1. Transit durch den Gotthard
Die Lage hat sich insofern wesentlich verändert, als eine Note der italienischen Regierung Bonomi, die von der Schweiz einzig anerkannt ist, einlangte, in welcher dargelegt wird, dass die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse dem Gotthardvertrag nicht nur jede Basis entzogen hätten, sondern dass dessen weitere Anwendung durch die Schweiz mit ihrer Neutralität nicht vereinbar wäre4. Es handle sich gegenwärtig nicht mehr um einen Transit von Deutschland nach Italien, sondern um einen Verkehr zwischen Deutschland und dem von den Feinden Italiens besetzten Teil dieses Landes. Die Weiterführung des Transites würde, statt Italien zu nützen, dieses auf das schwerste schädigen und seine Feinde begünstigen. Der Bundesrat hat diese Note durch seine juristischen Ratgeber prüfen lassen; diese vertreten die Ansicht, dass in der Tat die Rechtsgrundlage verschoben sei. Da von italienischer Seite mit der Anrufung eines Schiedsgerichtes gedroht wurde, so müsse wenigstens für die Dauer des Schiedsgerichtsverfahrens eine Suspension des Transites in Erwägung gezogen werden.
Der Bundesrat selber hat in der Frage noch keinen Beschluss gefasst. Allein selbst wenn er die Auffassung der italienischen Regierung nicht teilen sollte, so müsste er, wie ich es Herrn Schnurre schon vor Wochen mit aller Deutlichkeit gesagt hatte, allermindestens folgende Forderung aufrechterhalten:
Im Januar 1945 sind 53 000 Tonnen Kohle durch die Schweiz nach Italien spediert worden; die Schweiz selber hat nur 12000 Tonnen erhalten. Bis der Transit im Verhältnis von 1:1 zugelassen werden könnte, müsste der Rückstand von 41 000 Tonnen nachgeliefert werden. Dazu kommt aber noch, füge ich bei, dass uns Deutschland auch als Gegenwert für die Ausfuhr elektrischer Energie in den Monaten Januar und Februar ca. 80000 Tonnen schuldig ist. Wir zweifeln sehr daran, dass Deutschland uns bis 1. März ca. 120000 Tonnen Kohle nachliefern kann.
Herr Schnurre erklärt, ziemlich erregt, bisher sei ihm durch die Handelsdelegation eine ganz andere Rechnung aufgestellt worden:
Transit im Januar: 44000 Tonnen. Die Schweiz beanspruche Nachlieferung der Hälfte, also 22000 Tonnen, habe 12000 Tonnen erhalten, somit noch Anspruch auf eine Nachlieferung von 10000 Tonnen. Zu dieser Nachlieferung sei Deutschland bereit. Von einer Nachlieferung als Gegenwert für die im Januar und Februar gelieferte schweizerische elektrische Energie sei in den Verhandlungen überhaupt nie gesprochen worden.
Ich antworte, dass ich über die Details der Verhandlungen nicht informiert sei. Jedenfalls hätte das Politische Departement ihm gegenüber nie eine andere Auffassung vertreten, und der Bundesrat stehe auf dem Boden, den ich ihm mitgeteilt hätte.2. Ausfuhr elektrischer Energie
Bis jetzt haben wir immer vorgeliefert und die Gegenleistung nicht erhalten5. So kann es unmöglich weitergehen. Wir können ab 1. März die schweizerische elektrische Energie nur dann weiter nach Deutschland ausführen, wenn, wie gesagt, rückwirkend auf 1. Januar die Gegenleistung von ca. 80000 Tonnen Kohle erfolgt ist und für den Monat März ein neues Quantum von 40000 Tonnen Kohle sichergestellt wird. Dabei kann es sich natürlich nicht mehr darum handeln, dass die gleiche Kohle mehrfach kompensiert wird: im Transit 1:1, gegen elektrische Energie und dann noch gegen Maschinen6.3. Wirtschaftsabkommen
[...]7
Der Bundesrat könnte einem neuen Wirtschaftsabkommen mit Deutschland an sich zustimmen, wenn die Frage des Transites und der elektrischen Energie im geschilderten Sinne erledigt wäre und das neue Abkommen auf einer qualitativen Kompensation gegenseitig wichtiger Waren aufgebaut würde, wobei schweizerischerseits wiederum die Kohle absolut in den Vordergrund gestellt werden muss. Hinsichtlich ihrer Gegenleistungen, namentlich was Maschinen anbelangt, müsste sie sich natürlich mit den Alliierten zu verständigen suchen8.4. Finanzfragen
Wenn der Bundesrat, sicherlich in Übereinstimmung mit dem Volkswillen, jede mit der Neutralität und mit der Würde des Landes unvereinbare Zumutung des bestimmtesten ablehnt, so kann er auf dem finanziellen Gebiet ganz unmöglich weiter die Vorwürfe fast der ganzen Welt tatenlos annehmen, wonach in grossem Umfange Güter aller Art aus den von Deutschland besetzt gewesenen Ländern in der Schweiz versteckt seien. Wenn er sich die Mittel schaffe, um diesen Vorwurf der Hehlerei im grossen zu entkräften, so befinde er sich zweifellos in Übereinstimmung mit der ganzen Volksmeinung, die an dieser Frage niemals ein Abkommen, das für die Landesversorgung ausschlaggebend ist, scheitern lassen wolle. Der Bundesrat hat deshalb soeben beschlossen, alle deutschen Guthaben in der Schweiz zu sperren. Nur so kann er dann diese Guthaben untersuchen und weitere Entschlüsse treffen. Diese Massnahme, die sich schon seit langem aufgedrängt hat, ist umso vollständiger mit der Schweizerischen Neutralität vereinbar, als ähnliche Massnahmen wie bekannt schon längst gegen die Guthaben zahlreicher anderer Länder getroffen worden sind und als die schweizerischen Guthaben in Deutschland ja schon lange blockiert wurden9. Diese Massnahme bedeutet keineswegs die Annahme der alliierten Forderungen, die ganz bedeutend weitergehen.
[...]10
Herr Schnurre scheint durch diese Eröffnung nicht übermässig überrascht worden zu sein. Er stellt sofort die Frage, ob die Sperre auch die Guthaben der Reichsbank, der Deutschen Gesandtschaft usw. betreffe. Ich bejahe mit dem Beifügen, dass für die laufenden Geschäftsbedürfnisse eine Ausnahme vorgesehen sei, und dass man hierüber wie auch zum Beispiel über die Finanzierung der deutschen Sanatorien in Davos und im Tessin praktische Lösungen werde finden müssen.
Herr Schnurre erklärt: «Mit diesen Eröffnungen versetzen Sie, der Sie das erste schweizerisch-deutsche Wirtschaftsabkommen und zahlreiche spätere Vereinbarungen verhandelt und abgeschlossen haben, dem schweizerisch-deutschen Wirtschaftsabkommen den Todesstoss».
Ich antworte, dass ich dies tief bedaure, die Verhältnisse aber nicht ändern könne. Weder der Druck der Alliierten, noch der schweizerische Wille sei hier entscheidend: Der Todesstoss gegen das Wirtschaftsabkommen kommt im Grunde ausschliesslich daher, dass uns Deutschland keine Kohle mehr liefern kann.
Schnurre bestreitet dies nicht, so wenig wie, dass wir jedenfalls, im Gegensatz zu Schweden, die Form gewahrt hätten. Materiell komme es aber genau auf dasselbe hinaus, wie wenn wir die Forderungen der Alliierten angenommen hätten.
Herr Schnurre ersucht darum, Dienstag Nachmittag oder Mittwoch mit der schweizerischen Verhandlungsdelegation eine «Abschieds- und Liquidationssitzung» abhalten zu können. Er und seine Delegation hätten ja hier nichts mehr zu suchen. Die eigentlichen Liquidationsarbeiten und allfällige Kompensationsgeschäfte könnten dann von der Deutschen Gesandtschaft besorgt werden11.
Die ganze, ausserordentlich peinliche Unterredung hat sich in sehr ruhiger und korrekter Form abgespielt. Die Stimmung war nicht gewitterhaft, sondern melancholisch.
Um 14.30 orientiere ich Herrn Direktor Hotz einlässlich über die Besprechung12.
- 1
- E 2801/1967/77/4.↩
- 2
- Le jour même, le Conseil fédéral se réunit de 9 h 00 à 10 h 30: il approuve une nouvelle version de l’arrêté bloquant les avoirs allemands en Suisse et le texte d’un communiqué de presse (E 1004.1 1/454).↩
- 3
- Cf. ci-dessus No 358.↩
- 4
- Cf. ci-dessus No 364.↩
- 5
- A ce sujet, cf. la notice de F. Gygax du 14 février 1945 (E 7110/1973/134/2) qui reproduit notamment la statistique suivante sur la production et les exportations suisses d’énergie:[...] Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47972. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47972. For the table, cf. dodis.ch/47972. Per la tabella, cf. dodis.ch/47972.↩
- 6
- Cf. PVCF du 23 février 1945, E 1004.1 1/454.↩
- 7
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47972. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47972. For the table, cf. dodis.ch/47972. Per la tabella, cf. dodis.ch/47972.↩
- 8
- Cf. PVCF ° 562 du 9 mars 1945, E 1004.1 1/455.↩
- 9
- Sur le blocage des avoirs suisses en Allemagne, cf. DDS, vol. 11, table méthodique: II. 1.1. Allemagne. Relations financières et commerciales.↩
- 10
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47972. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47972. For the table, cf. dodis.ch/47972. Per la tabella, cf. dodis.ch/47972.↩
- 11
- Sur la suite des négociations économiques avec V Allemagne, cf. E 2001 (E) 2/576, E 2800/1967/59/65-66, E 7110/1967/32/900Deutschland/14.↩
- 12
- Cf. E 7800/1/16.↩
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