Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.24. UNION SOVIÉTIQUE
II.24.1. UNION SOVIÉTIQUE - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 352
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7001B#1000/1060#631* | |
Old classification | CH-BAR E 7001(B)1000/1060 523 | |
Dossier title | Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland nach Ländern (1938–1955) | |
File reference archive | 4.1 |
dodis.ch/47956 Le Délégué du Conseil fédéral aux Accords commerciaux, H. Ebrard, au Chef du Département de l’Economie publique, W. Stämpfli, au Chef du Département politique, M. Petitpierre, au Directeur de la Division du Commerce du Département de l’Economie publique, J. Hotz, au Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, W. Stucki1 BEZIEHUNGEN ZUR SOWJETUNION
/. Seit dem 19. August 1944, an welchem Tage gemäss Beschluss des Bundesrates vom 16. August 19442 der Unterzeichnete Delegierte ein Telegramm an den sowjetrussischen Kommissar für den Aussenhandel und Chef der russischen Delegation, Mikojan, zum Zwecke der Einführung einer inoffiziellen Industriellen-Mission bei der Sowjetregierung abzusenden hatte, müssen die bis dahin mit der Union aufrecht erhaltenen Wirtschaftsbeziehungen als unterbrochen oder abgebrochen betrachtet werden: Eine Antwort auf dieses Telegramm ist, wie der Unterzeichnete in einem Sonderbericht an die Herren Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements und des Politischen Departements vom 21. Juli 19443 es als durchaus möglich bezeichnet hat, nie eingetroffen. (Ich verweise auf meine Ausführungen auf Seite 3 des Berichts vom 21. Juli 1944, wo ich mich - im Gegensatz zum Vorort des Schweizerischen Handelsund Industrie-Vereins - ausdrücklich dagegen ausgesprochen habe, dass eine derartige inoffizielle Mission durch einen Vertreter des Bundes eingeführt werde, weil dann eine eventuell ablehnende oder nicht eintreffende Antwort die schweizerische Regierung treffe und in ihren Entschliessungen präjudizieren müsse.)
Es ist müssig, darüber Betrachtungen anzustellen, ob der Misserfolg des mit Bundesratsbeschluss vom 16. August 1944 beschlossenen Vorgehens Erwägungen zugeschrieben werden muss, die auf wirtschaftspolitischem Gebiet liegen oder ob die zur gleichen Zeit - ohne Wissen des für wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion verantwortlichen Delegierten - unternommenen Schritte zur Einleitung diplomatischer Beziehungen von der Sowjetunion zum Vorwand genommen worden sind, um die Schweiz die Auswirkungen ihres schlechten Humors oder ihrer negativen Einstellung auf besondere asiatische Art fühlen zu lassen.
Es ist klar, dass sowohl im diplomatischen wie im wirtschaftspolitischen Sektor wir in unseren Bemühungen gegenüber der Sowjetunion ganz offensichtlich auf dem toten Punkte angelangt sind.
Es ist nicht Sache des Unterzeichneten, sich darüber auszusprechen, ob und in welcher Form eventuell erneute Versuche auf diplomatischem Gebiet anzustellen sind. Er hat sich in der Besprechung mit einer bundesrätlichen Delegation vom 27. Juli 1944 auf Befragung des Chefs des Eidg. Politischen Departements ganz eindeutig dahingehend ausgesprochen, dass nach seiner Auffassung und nach verschiedentlicher Fühlungnahme mit sowjetrussischen Botschaftern im Auslande keinesfalls über eine Drittregierung an die Sowjetunion herangetreten werden sollte. Er hält diese Auffassung auch heute, und erst recht nach den nun direkt gewonnenen Erfahrungen, für zutreffend. Abzulehnen sind nach seiner Auffassung desgleichen indirekte Versuche ungeeigneter Persönlichkeiten in der Schweiz, sofern solche Versuche überhaupt verhindert werden können. Aufmerksam gemacht sei lediglich auf die Gefahr, dass zurzeit ein früherer russischer Jude, Lifschitz sen. in Bern4, wie er mitgeteilt hat, nach Frankreich zu reisen beabsichtigt oder schon dorthin ausgereist ist, um angeblich mit dem sowjetrussischen Botschafter in Paris, Bogomolov, und dann persönlich in Moskau, «das zu verbessern, was in London versäumt worden sei». Es bleibt somit lediglich zu erwägen, ob der Bundesrat, wenn ihm innen- und aussenpolitisch der Moment gekommen erscheint, zu gegebener Zeit beschliessen wolle, den Versuch der Wiederaufnahme von Beziehungen auf direktem Wege zu machen. Erfahrungsgemäss wird dieser Weg am ehesten darin bestehen, dass auf dem weniger empfindlichen Gebiete der Wirtschaftsbeziehungen wiederum, wie schon einmal, ein abermaliger Anfang gemacht wird. Er hätte darin zu bestehen, dass in Moskau direkt zu gegebener Zeit angefragt wird, ob und unter welchen Bedingungen dort eine schweizerische Wirtschaftsdelegation empfangen würde.
II. Als eine nächste Etappe, die sofort zum Gegenstand eines Beschlusses des Bundesrates nach unserer Auffassung gemacht werden könnte, betrachte ich die Beseitigung derjenigen Schwierigkeiten, die seit dem Ausbruch des sowjetrussisch-deutschen Krieges für unser Land entstanden sind. Es handelt sich darum, die mit Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 19415 ausgesprochene Sperre der sowjetrussischen Guthaben in der Schweiz raschmöglichst zu beseitigen.
Dies erscheint umso notwendiger, als der Unterzeichnete Delegierte nach Beschluss des Bundesrates vom 16. August 1944 dem sowjetrussischen Kommissar für den Aussenhandel u.a. folgendes telegraphierte:
«Die schweizerische Regierung hegt nach wie vor den Wunsch, baldmöglichst wieder den Wirtschaftsverkehr zwischen den beiden Ländern aufzunehmen. Sie prüft deshalb zurzeit alle Möglichkeiten, die ihr gestatten würden, ohne vorgängige zwischenstaatliche Verhandlungen die auf dem Gebiete des Wirtschaftsverkehrs bestehenden Hindernisse zu beseitigen. So beehre ich mich, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, dass der Bundesrat beabsichtigt, den Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1941 schon vorgängig von in Aussicht genommenen zwischenstaatlichen Verhandlungen aufzuheben...»
Unter Hinweis auf meinen Antrag vom 10. Januar 1944, mit dem ich ein Exposé über die Bedeutung dieser gesperrten sowjetrussischen Guthaben für die Sicherstellung der schweizerischen Forderungen unterbreitet habe, beantrage ich Ihnen - vorgängig einem dem Bundesrate zu stellenden Antrag - es sei der Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1941 betreffend die Sperre der sowjetrussischen Guthaben in der Schweiz sofort aufzuheben und durch den Unterzeichneten ein weiteres Telegramm an den Kommissar für den Aussenhandel zu richten, worin ihm von diesem Aufhebungsbeschluss Kenntnis gegeben wird.
Da dieses Telegramm eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung ist, kann nach meiner Auffassung ohne Bedenken eine solche Mitteilung erfolgen, da sie sowjetrussischerseits lediglich zur Kenntnis genommen zu werden braucht. Angesichts der unwesentlichen Bedeutung der beschlagnahmten Guthaben, verglichen mit dem Wert, den die Herstellung wieder geordneter Beziehungen zur Sowjetunion unter den heutigen Verhältnissen für die Schweiz darstellt, habe ich keinerlei Bedenken, einen derartigen Antrag zu stellen.
Der Bundesrat wird gleichzeitig zu erwägen haben, ob nicht in Verbindung mit einem solchen Telegramm und nach dessen Absendung ein offizielles Communiqué zu erlassen ist, worin die Aufhebung der Sperre bekanntgegeben und allenfalls eine weitere allgemeine Erklärung an die Adresse der Sowjetunion beigefügt werden kann.
III. Ich verhehle mir keineswegs, dass so wie die Dinge nun einmal liegen, die Aufhebung der Sperre nur einen unbedeutenden Beitrag zur Flurbereinigung mit der Sowjetunion zu bilden vermag. Aber es müssen auch unwesentliche Hindernisse beseitigt werden, sobald dies möglich erscheint.
Der Antrag auf Entsendung einer schweizerischen Delegation wird diesem Schritte bald folgen müssen.
Dabei wird man sich vollkommen darüber im klaren sein, dass alle diese schweizerischen Bemühungen heute weitgehend Gefahr laufen, wenig Interesse beim sowjetrussischen Partner zu finden, da sich mit der Änderung in der politischen und militärischen Situation der Sowjetunion auch das Interesse zweifellos grundsätzlich gewandelt hat, das noch bis zum Jahre 1943 der Schweiz entgegengebracht worden ist. Damals noch war die Schweiz nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch auf politischem Gebiete ein willkommener Partner für die Sowjetunion gewesen, die vor noch nicht langer Zeit für die Anerkennung durch die Schweiz einen bedeutenden Preis zu bezahlen bereit war. Es wird ausserordentlich schwer halten, bei diesem heute so tief gesunkenen Interesse auch wirtschaftlicher Art, das die Schweiz für die Sowjetunion zu bieten vermag, wieder mit ihr ins Gespräch zu kommen.
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