Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.3. BELGIQUE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 335
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7800#1000/1961#93* | |
Old classification | CH-BAR E 7800(-)1000/1961 14 | |
Dossier title | Wirtschaftsverhandlungen mit den BENELUX-Staaten (1940–1952) | |
File reference archive | 01.10.04 |
dodis.ch/47939
Le Chef du Département des Finances et des Douanes, E. Nobs, au Chef du Département de l’Economie Publique, W. Stämpfli1
Die Bundeskanzlei hat uns Ihren Antrag vom 5. Januar 19452 an den Bundesrat über die Gewährung je eines Kredites von 50 Millionen Schweizerfranken an Belgien und Holland zum Mitbericht überwiesen. Der Antrag soll vielleicht an der morgigen Bundesratssitzung behandelt werden3. Wir haben eine Sitzung mit dem Direktorium der Schweizerischen Nationalbank benutzt, um auch dieses Problem zur Sprache zu bringen. Es ergaben sich durchaus übereinstimmende Gesichtspunkte, die wir uns erlauben, Ihnen, Herr Bundesrat, zur Kenntnis zu bringen. Wir verbinden mit diesen Mitteilungen die Bitte, Sie möchten den zuständigen Stellen gestatten, die Angelegenheit in einigen Punkten noch weiter abzuklären, bevor sich der Bundesrat mit ihr befasst.
Angesichts der stark eingeschränkten Zufuhr von Eisen und Kohle aus Deutschland begrüssen wir es, dass das Volkswirtschaftsdepartement nicht nur darauf bedacht ist, unserem Export den Absatz ins Ausland zu erleichtern, sondern auch die Beschaffung von Roh-, Brenn- und Hilfsstoffen zu fördern oder sicherzustellen. Wir verstehen aber, dass es der Schweiz fürs erste kaum gelingen wird, aus vom Krieg heimgesuchten Ländern soviel, für uns dringend nötige Waren hereinzubringen, als wir selbst ihnen unsere Landeserzeugnisse zur Verfügung stellen können. Zum mindesten für eine gewisse Anlaufszeit wird daher unser Handelsverkehr mit dem Ausland stark aktiv sein, was nichts anderes bedeutet, als dass wjr dem Ausland unsern Export-Überschuss für solange kreditieren, bis es erstarkt ist und an eine Schuldentilgung in Form eigener vermehrter Warenexporte denken kann. Nationalbank und Finanzdepartement haben denn auch volles Verständnis dafür, dass, wenn Ihr Departement versucht, die Handelsbeziehungen mit Belgien und Holland wieder anzubahnen und fruchtbar zu gestalten, Warenkredite in dieser oder jener Form hingegeben werden müssen, und sind Ihnen dankbar, wenn Sie darnach trachten, aus dieser Kreditgewährung möglichst grosse handelspolitische Vorteile herauszuholen. Aus naheliegenden Gründen kommt es jedoch unserem Noteninstitut, das die Währung zu hüten und den Geldumlauf zu regulieren hat, sowie dem Bundesfiskus sehr darauf an, wie gross die den einzelnen Ländern eingeräumten Kredite sind und in welcher Form sie verabreicht werden.
Was die Grösse der dem Ausland zur Verfügung gestellten Kredite betrifft, so ist wahrscheinlich, dass es mit den je 50 Millionen Schweizerfranken an Belgien und Holland nicht sein Bewenden haben wird. Einmal werden diese beiden Länder selber den Plafonds mit der Zeit erhöht haben wollen, und ferner wird im Laufe der nächsten Monate und Jahre eine Reihe anderer Staaten das gleiche Begehren namhaft machen. Gleichgültig, ob diese sich drängenden Kredite dann vom Bundesfiskus oder von den Banken gewährt werden, jedenfalls wird der schweizerische Kapitalmarkt entsprechend belastet. Umso schwerer wird es dem Bunde und auch den Kantonen und Gemeinden fallen, ihrerseits die erforderlichen Summen, namentlich zur Finanzierung der früher oder später doch wohl unvermeidlichen Arbeitsbeschaffung und Arbeitslosen-Unterstützung, aufzubringen, ganz abgesehen davon, dass die Industrie in der Finanzierung ihrer Exporte und die landwirtschaftlichen und städtischen Hypothekarschuldner in der Verzinsung ihrer Verpflichtungen erhöhten Schwierigkeiten begegnen. So sehr wir uns bewusst sind, dass die Schweiz schon heute und noch mehr vielleicht in den kommenden Monaten und Jahren auf einen, mit Warenlieferungen verbundenen Kapitalexport angewiesen ist, so sehr sind wir überzeugt, dass ein gewisses Mass nicht überschritten werden kann, und dass es gilt, sich darüber schon in den Anfängen der Krediterteilung an das Ausland Rechenschaft abzugeben.
Besondere Bedeutung kommt unseres Erachtens auch der Form zu, in der dem Ausland Kredite zur Verfügung gestellt werden, und auch in dieser Beziehung ist von Anfang an Vorsicht und Voraussicht nötig, damit wir nicht auf eine falsche Bahn geraten. Abgesehen, vor allem von Deutschland, sind bis jetzt unsere Export-Überschüsse mit Gold bezahlt worden, so im Verkehr mit Amerika und England. Dieses Gold kann zweifellos als eine sichere, wenn auch unverzinsliche Kapitalanlage betrachtet werden, über die einmal wieder nicht nur in den Herkunftsländern, sondern in der ganzen Welt wird verfügt werden können, namentlich zum Ankauf von Waren. Anders steht es mit den in Aussicht genommenen Krediten an Belgien und Holland, deren Sicherheit, soweit wir sehen, ausschliesslich auf dem Zahlungswillen und der Zahlungsfähigkeit des schuldnerischen Staates beruht. Die Amerikaner und Engländer werden sich fragen, wie es kommt, dass die Schweiz gewissen Ländern erhebliche staatliche Kredite gegen eine blosse Schuldanerkennung einräumt, während sie sich ihnen gegenüber, die doch freies oder blockiertes Gold anbieten, eine merkliche Reserve auferlege. Nicht unbedenkliche Rückwirkungen auf die bestehenden Abkommen mit England und den Vereinigten Staaten sind denn auch nicht ausgeschlossen4. Ferner wird durch die Gewährung staatlicher Kredite die sich ohnehin in einem auffallenden Tempo vermehrende Bundesschuld noch weiter erhöht, wodurch der schweizerische Staatskredit nicht gestärkt werden dürfte. Wir haben Bedenken, dass der Bund auf diese Weise sozusagen zum internationalen Bankier wird und damit eine Aufgabe übernimmt, die eigentlich den Handelsbanken zukommt. Wohl wird der schweizerische Kapitalmarkt, wenn der Kredit an das Ausland statt durch den Bund durch die Banken gewährt wird, gleich stark belastet. Auch wissen wir, dass die Banken so oder anders, die Bürgschaft des Bundes beanspruchen werden. Allein, es scheint uns, die Erfahrung langer Jahrzehnte habe gezeigt, dass es sich nicht empfiehlt, Kredite an Staaten durch Staaten einzuräumen. Ein Staat, der ändern Darlehen verabfolgt, kann sich der Kreditforderungen weiterer Staaten nur sehr schwer entziehen. Die Banken können ein Nein eher verantworten, weil sie politisch frei und ungebunden sind, und die Regierung, die nur die Kontrolle des Kapitalexportes hat und nicht selbst exportiert, kann sie leichter veranlassen, auf die Übernahme einer bestimmten ausländischen Anleihe zu verzichten. Da überdies die Schweiz, ein kleines Land mit ewiger Neutralität, keine militärischen und politischen Druckmittel besitzt, um säumige ausländische Staatsschuldner mehr oder weniger drastisch an die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu erinnern, so mag es zweckmässiger sein, die privaten Schuldner und ihre internationalen Verbände die nötigen rechtlichen Schutzmassnahmen ergreifen und Schritte zur Honorierung ihrer Forderungen tun zu lassen. Freilich sind wir uns klar darüber, dass die Einschaltung der Banken den Nachteil hat, die Zinsbedingungen wahrscheinlich etwas zu verteuern, immerhin wohl kaum erheblich, da ja die Banken kein Risiko zu tragen haben, sondern nur eine Entschädigung für ihre Arbeit und Mühe beanspruchen können, und sie für die Beschaffung der fremden Mittel ungefähr die gleichen Kosten aufzuwenden haben wie der Bund.
Indessen wird man es möglichst vermeiden müssen, dass Zahlungs- und Kreditverträge mit dem Ausland, die uns grosse wirtschaftliche Vorteile bringen, an der blossen Form der technischen Abwicklung scheitern. Wenn wir dies zugestehen, wollen wir aber doch auch unsere Zweifel nicht verbergen, ob die uns vom Ausland (vorliegendenfalls von Belgien und Holland) zugesicherten Leistungen von Kohlen, Eisen, Schiffsraum usw. auch wirklich und zeitgerecht ausgeführt werden können. Hat es der ausländische Staat in der Hand, die privaten Eigner dieser Güter zur Lieferung an die Schweiz zu zwingen und wenn ja, zu einem Preise, der für uns vorteilhaft oder zum mindesten annehmbar ist? Gewiss sind die Zusicherungen der beiden Staaten für uns wertvoll; ob sie aber in der Folge, unter vielleicht ganz ändern Verhältnissen eingehalten werden können oder wollen, ist doch einigermassen fraglich. Möglicherweise werden ausser den staatlichen Zusicherungen noch die Verpflichtungen der ausländischen Lieferanten beigebracht werden müssen.
Wir fragen uns, ob der bereits verschiedentlich mit Erfolg beschrittene Weg über die Exportrisiko-Garantie des Bundes in der Form der sogenannten Nachkriegsgeschäfte und mit Hilfe der Banken nicht für alle Teile vorteilhafter wäre und dabei doch gestatten würde, die gleichen Importzusicherungen zu erlangen.
Wir bitten Sie, Herr Bundesrat, die vorstehenden Ausführungen als einen bescheidenen Beitrag zur weitern Abklärung der Frage zu betrachten. Weder die Nationalbank, noch unser Departement ist auf eine bestimmte Meinung festgelegt und beide haben jedenfalls den besten Willen, den handelspolitischen Erfordernissen, für deren Beurteilung Ihr Departement zuständig ist, weitgehend Rechnung zu tragen. Unsere Bedenken dürfen keineswegs als blosse Negation aufgefasst werden. Im Gegenteil ist es unsere Absicht, an einer konstruktiven Lösung des Problems der Krediterteilung an das Ausland unter Mitwirkung des Staates mitzuarbeiten. Wir stellen uns vor, dass weitere mündliche Aussprachen unter den Vertretern der beteiligten Departemente und der Nationalbank, gestützt auf die bisherigen wertvollen Vorarbeiten Ihres Departements, zum Ziele führen werden.
- 1
- Lettre: E 7800/1/4. Zahlungsverkehr mit Belgien und Holland.↩
- 2
- Cf. la proposition du DEP du 29 janvier 1945 E 1001.1/ VD 1.1-31.5.1945.↩
- 3
- Annotation marginale probablement de W. StämpfliKellenberger’s Weisheit.↩
- 4
- Annotation marginale probablement de W. Stampfli Kellenberger’s Weisheit.↩