Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 197
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1000/1571#1294* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1000/1571 99 | |
Dossier title | Allgemeine Richtlinien für die Aufnahme und Internierung in der Schweiz (1942–1945) | |
File reference archive | B.51.13.51.1.1.3 • Additional component: Russland |
dodis.ch/47801
Mit Schreiben von 4. August 19442 ersuchen Sie uns um Instruktion für die Anwendung von Ziff. 3 der Beilage zu unsern neuen Weisungen über die Aufnahme und Rückweisung von Flüchtlingen3 für die schweizerisch-deutsche Grenze, damit diese Bestimmungen von den Organen der Grenzwachtkorps und der kantonalen Polizeibehörden sowie der Ter.Pol.Of. in Bezug auf Arbeitsdienstflüchtlinge aus Deutschland in gleicher Weise angewendet werden.
Wie Sie wissen, hat sich der Unterzeichnete vor kurzem nach Schaffhausen begeben und sich über die Verhältnisse orientieren lassen. An einer Besprechung mit den massgebenden kantonalen Behörden in Schaffhausen wurde der Befürchtung Ausdruck gegeben, dass solche Flüchtlinge mit schweren Strafen bedroht seien, wenn sie zurückgewiesen und von der Polizei erwischt würden. Herr Major Zuber, Grenzwachtkommandant des II. Zollkreises, hat dies nicht nur bestätigt, sondern mitgeteilt, dass schwere Misshandlungen vorgekommen seien. Die uns nachträglich zugekommenen schriftlichen Berichte der verantwortlichen Organe betonen ebenfalls, dass zurückgewiesene Flüchtlinge mit schwerer Misshandlung rechnen müssen.
Die neuen Weisungen über die Aufnahme und Rückweisung von Flüchtlingen sehen in Ziffer 3 der Beilage vor, dass Ausländer, die aus politischen oder anderen Gründen wirklich an Leib und Leben gefährdet sind und keinen ändern Ausweg als die Flucht nach der Schweiz haben, um sich dieser Gefahr zu entziehen, aufzunehmen sind. Bei den vorliegenden Verhältnissen müssen wir solche Ausländer, gleich wie alle jüdischen Flüchtlinge, bei der Rückweisung als ernsthaft gefährdet an Leib und Leben betrachten. Der Unterzeichnete hat bereits in Schaffhausen diese Auffassung geäussert. Wir bitten Sie daher, Ihren Organen der in Frage kommenden Zollkreise an der Nord- und Ostgrenze Weisung zu geben, Ausländer, die zur Arbeit nach Deutschland geschickt worden sind und die sich aus dem Arbeitsdienst nach der Schweiz flüchten, nicht zurückzu weisen, wenn sie nicht etwa wegen verwerflicher Handlungen im Sinne von Absatz 2 der Ziffer 3 der Beilage zu den Weisungen als des Asyls unwürdig erscheinen.
Wenn solche Flüchtlinge von den Grenzwachtorganen in der Nähe der Grenze aufgegriffen werden und sich aus einer kurzen Einvernahme an Ort und Stelle ergeben sollte, dass sie ungesehen an deutschen Grenzwachtorganen vorbei zurückkehren können, so sind sie zurückzu weisen, da angenommen werden darf, dass dann keine Gefahr für Leib und Leben für sie besteht. Heute und in allernächster Zeit, solange die Grenze wegen der Fahndung auf die Attentäter gegen den deutschen Reichskanzler besonders scharf bewacht ist, dürften allerdings solche Fälle nicht Vorkommen.
Wir müssen uns jederzeit Rechenschaft ablegen können über die Auswirkungen der neuen Instruktionen, damit ihre Anwendung den Verhältnissen an den verschiedenen Grenzabschnitten angepasst werden kann. Wir bitten Sie deshalb, uns fortlaufend zu orientieren über die Auswirkung dieser Interpretation der Ziffer 3 unserer Weisungen, namentlich über die Zahl der eintreffenden Flüchtlinge und der eventuellen Rückweisungen, sowie über alle besonderen Vorfälle bei solchen.
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Internees and prisoners of war (1939–1946)