dodis.ch/47002
Le Chef du Département politique,
J. Baumannn
1, au Chef du Département de l’Economie publique, H.
Obrecht2
Vertraulich
Bern, 4. März 1940
In den Wirtschaftsverhandlungen mit Grossbritannien wird erwogen, ob ein Warenclearing dadurch vermieden werden kann, dass schweizerischerseits ein Kredit von 75 bis 100 Millionen Franken gewährt wird. Diese Idee ist unseres Wissens zuerst vom Vertreter des Bankvereins in der Delegation vorgebracht worden3. Es bestand ursprünglich die Meinung, dass die schweizerischen Grossbanken den Kredit den hauptsächlichsten London er Merchant Bankers gewähren würden. Nunmehr ist die Rede von der Übernahme von auf Schweizerfranken lautenden Schatzwechseln der britischen Regierung, die mit dem Indossament der Merchant Bankers versehen wären. Die Schweizerische Nationalbank würde die Wechsel zum Rediskont annehmen.
In einer konferenziellen Besprechung vom 12. Februar d.J. haben die Vertreter der Grossbanken erklärt, dass sie zu den bis jetzt von der britischen Regierung zugestandenen Bedingungen, insbesondere was den Zinsfuss anbetrifft, den Kredit nicht geben würden4. Die Operation komme nur in Betracht, wenn sie im allgemeinen schweizerischen Interesse liege. Es sei deshalb den Banken erwünscht, eine ausdrückliche Aufforderung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu erhalten, die sie auch vor dem Vorwurf des Kapitalexportes schütze. Der Vorsitzende der Konferenz, Herr Direktor Hotz, wies demgegenüber sofort darauf hin, dass jedenfalls eine schriftliche Aufforderung nicht opportun wäre. Die Kreditoperation liege allerdings im allgemeinen schweizerischen Interesse, indessen auch in dem der Banken. Sie sei aber nur durchführbar, wenn ihr privater Charakter strikte gewahrt bleibe. Die Vertreter des Schweizerischen Handels- und Industrievereins und des Politischen Departements haben sich in gleichem Sinne geäussert und auf die heikle Lage aufmerksam gemacht, die entstehen müsste, wenn der Eindruck erweckt würde, als werde der Kredit auf behördliche Veranlassung hin erteilt. Aus demselben Grunde wurde auch die von den Grossbanken befürwortete Heranziehung der Kantonalbanken abgelehnt.
Durch Zufall kommt uns nun der Text eines Schreibens zu, das von Grossbanken an schweizerische Industrieunternehmen gerichtet worden ist, um sie für die Teilnahme an der Kreditoperation zu gewinnen. In diesem Schreiben wird ausgeführt:
«Da die eidgenössischen Behörden aus Neutralitätsrücksichten der Auffassung sind, dass ein staatlicher Kredit oder ein Kredit unter staatlicher Mitwirkung nicht in Frage kommen könne, sind das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement und die Schweizerische Nationalbank an die Grossbanken mit dem Wunsche herangetreten, sie möchten das Kapital zusammen mit Versicherungsgesellschaften, sowie grösseren Handels- und Industrieunternehmungen aufbringen. Diese wollen sich der ihnen zugedachten Aufgabe nicht entziehen...»
Das Schreiben, dessen vollständigen Wortlaut wir hier anfügen5, ist anscheinend an eine grosse Zahl von Handels- und Industriefirmen versandt worden, auch an solche mit Verwaltungsräten deutscher Staatsangehörigkeit. In diesem Fall kann es kaum ausbleiben, dass die deutschen Behörden davon Kenntnis erhalten. Nun hat aber, wie in den Besprechungen mit den Grossbanken immer wieder betont wurde, die deutsche Delegation für die Wirtschaftsverhandlungen im September/Oktober letzten Jahres wiederholt das formelle Begehren gestellt, dass schweizerischerseits zur Abtragung eines Teils der damaligen Rückstände auf dem Warenkonto des Clearings ein Vorschuss von vielleicht 50 Millionen Franken eingeräumt werde. Dieser Antrag wurde von der schweizerischen Delegation stets mit dem Hinweis auf die Neutralitätspflichten abgelehnt. Die deutsche Regierung könnte an dem Zirkular der Grossbanken umso eher Anstoss nehmen, als die schweizerische Delegation in lange andauernden Verhandlungen mit grösster Hartnäckigkeit auf der Tilgung der deutschen Clearingrückstände bestand und ihr Ziel auch erreicht hat, während der nunmehr an Grossbritannien zu gewährende Kredit effektiv einen Teil des britischen Warenbezuges aus der Schweiz finanzieren soll.
Wir können nicht umhin, das Vorgehen der Banken in dieser Angelegenheit als ungeschickt zu bezeichnen. Es ist geeignet, uns Schwierigkeiten mit der deutschen Regierung zu bereiten, die keineswegs unterschätzt werden dürfen. Wir fragen uns geradezu, ob unter solchen Umständen an dem Plan eines Kredites an Grossbritannien noch festgehalten werden darf.
Sie würden uns zu besonderem Dank verpflichten, wenn Sie die Sachlage einer sorgfältigen Prüfung unterziehen lassen und uns Ihre Auffassung bekanntgeben wollten.