Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
A. AVEC LES ÉTATS LIMITROPHES
3. Italie
3.2. Affaires économiques
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 223
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1967/32#28791* | |
Old classification | CH-BAR E 7110(-)1967/32 1224 | |
Dossier title | Verhandlungen, Allgemeines (1939–1939) | |
File reference archive | 821 • Additional component: Italien |
dodis.ch/46980
Le Directeur de la Division du Commerce du Département de l’Economie publique, J. Hotz, au Ministre de Suisse à Rome, P. Ruegger1
Wir bestätigen den Empfang Ihres Schreibens vom 29. vorigen Monats (Nr. 39.A.b/5.)2, womit Sie uns benachrichtigen, dass Ihnen am gleichen Tage Herr Senator Giannini anlässlich einer Unterredung in sehr entschiedenem Ton die Frage stellte, wann nun eigentlich die schweizerische Verhandlungsdelegation in Rom erwartet werden könne.
Zu unserm grössten Bedauern sind wir leider auch heute noch nicht in der Lage, zu sagen, wann die schweizerische Verhandlungsdelegation nach Rom abreisen kann.
Wie Sie wissen, ziehen sich die Verhandlungen mit Frankreich und Grossbritannien viel länger hinaus als wir erwartet hatten3. Auch in den Dezember-Unterhandlungen ist es noch nicht gelungen, zu einer Einigung zu gelangen. Der Gegensatz zwischen den beiderseitigen Auffassungen ist noch jetzt sehr gross. Für die Schweiz ist die Regelung der sich aus der Blockade ergebenden Fragen mit den genannten Staaten in einem für sie annehmbaren Sinne eine Lebensfrage, weil sie für viele Erzeugnisse, besonders auch Rohstoffe, auf Lieferungen aus Deutschland und auf die Durchfuhr durch Deutschland angewiesen bleibt. Sie befindet sich demnach sozusagen zwischen Hammer und Amboss.
Die italienischen Behörden und in ihrem Namen auch Herr Senator Giannini haben die Unmöglichkeit der Entsendung einer italienischen Delegation nach der Schweiz damit begründet, dass die Verhandlungsdelegationen in Italien aus Beamten der Verwaltung beständen, die nicht gut auf längere Zeit auswärts gehen könnten. Wir wollten diesem Argument Rechnung tragen, obwohl uns nicht unbekannt war, dass sehr oft Italien Verhandlungen auch im Auslande führt. Auch den schweizerischen Delegationen gehören aber Beamte der Verwaltung, u.a. auch der Unterzeichnete, an, für die die gleichen Argumente geltend gemacht werden können wie für die italienischen Delegationen. Obwohl auch diese Beamten hier in Bern fast unentbehrlich sind, müssen sie nicht selten zu Verhandlungen nach dem Ausland gehen. Auch die meisten Delegationen anderer Länder als Italien, die nach der Schweiz kommen, bestehen aus Beamten, wie ja oft auch - wie bereits erwähnt - die italienischen Delegationen nach dem Ausland entsandt werden. Es geschieht dies im Sinne der Gegenseitigkeit. Italien ist das einzige Land, das von uns verlangt, dass wir immer wieder in Rom verhandeln sollten, während doch früher auch italienische Delegationen turnusgemäss zu Verhandlungen nach der Schweiz kamen.
Wir wollen daraus Italien keinen Vorwurf machen. Wenn wir diese Tatsachen anführen, so geschieht es lediglich, um darzutun, dass Italien von uns etwas verlangt, was uns kein anderer Staat zumutet und dass deshalb die zuständigen Behörden zum mindesten auch Verständnis dafür haben sollten, dass die schweizerischen Delegationen nicht gleichzeitig an verschiedenen Orten sein können und dass, wenn für die schweizerische Wirtschaft lebenswichtige Probleme gelöst werden müssen, diese Probleme nicht hinausgeschoben werden können, indem eine schweizerische Delegation, die jene Probleme behandeln sollte, sich wohlgemut und unbekümmert anderswohin begibt.
Wir wissen, dass die italienische Regierung und besonders auch Herr Giannini ein besonders gutes Empfinden dafür haben, was besonders wichtig ist und was nicht. Wir dürfen deshalb voraussetzen, dass ihnen nicht entgeht, wie schwierig und wichtig für die Schweiz die Fragen sind, die wir mit den übrigen Nachbarländern und mit Grossbritannien dringend regeln sollten. Auf der einen Seite will man uns in den Ring der Blockade in einer Art und Weise einflechten, die für unser Land, das mehr als alle ändern Staaten auf die Ausfuhr angewiesen ist und dessen bedeutendster Abnehmer stets Deutschland gewesen ist, einfach nicht tragbar wäre; anderseits will Deutschland nicht weiterhin die Schweiz mit Rohstoffen und ändern für unser Land unentbehrlichen Waren beliefern, wenn wir nicht auch ihm gegenüber den bisherigen normalen Warenaustausch möglichst unbeschränkt aufrecht erhalten. Zu diesen Problemen hinzu kommen erst noch die Schwierigkeiten, die für unser Land daraus entstehen, dass Frankreich und Grossbritannien Einfuhrbeschränkungen erlassen haben und diese mit Rücksicht auf den Krieg in einer Art und Weise handhaben wollen, die sich auf verschiedene schweizerische Industrien, die nicht anderswo Ersatz finden können, geradezu katastrophal auswirken müsste.
Betrachten wir demgegenüber die italienischen Verhandlungsbegehren. Das für Italien zweifelsohne wichtigste Begehren war dasjenige der Befreiung der Seefrachten von der Pflicht der Einzahlung ins Clearing. In den Verhandlungen von anfang November haben wir diesem Begehren bis auf weiteres zugestimmt, obwohl wir es als einen Fehler betrachteten, dass Italien dem Clearing bisherige Einnahmen entziehen wollte, die dieses zur Sanierung bitter nötig hätte. Abgesehen von einem oder zwei ganz unbedeutenden Abnehmern hat der italienische Export mit keinem einzigen Lande auch nur annähernd derart lange Wartefristen im Clearing wie die Ausfuhr aus der Schweiz nach Italien. Wir sind überzeugt davon, dass in einem ähnlichen Falle die italienische Regierung auf einen Ausgleich dringen würde, wie sie dies beispielsweise schon gegenüber Deutschland und verschiedenen ändern Ländern mit Erfolg getan hat. Statt dieser für die schweizerischen Exporteure höchst ungünstigen Lage Rechnung zu tragen, stellte die italienische Regierung noch Forderungen, die auf eine Mehrbelastung des Clearings hinzielen. Wir können nicht annehmen, dass die massgebenden Behörden, die doch die Clearinglage kennen, ernstlich auf diesem, für das Clearing schädlichen Begehren beharren wollten, und dass sie demgemäss die betreffenden Forderungen als solche betrachten, über die nun unbedingt ohne Verzug verhandelt werden müsste.
Wenig dringlich sind ausserdem auch die italienischen Begehren nach Erhöhung der schweizerischen Kontingente. Soweit wir die Einfuhr über die Kontingente hinaus gestatten können, tun wir dies ja unter den gegenwärtigen Umständen schon jetzt, ohne es an die grosse Glocke zu hängen und ohne jedes Mal an Italien eine Gegenforderung zu stellen. Wir verweisen diesbezüglich auf die Übersicht über die in den ersten drei Vierteljahren 1939 erteilten zusätzlichen Einfuhrbewilligungen, die wir Ihnen kürzlich zugestellt haben. Soweit wir mit Rücksicht auf die Inlandsproduktion oder die Verpflichtung gegenüber ändern Staaten keine Bewilligungen über das Mass der Kontingente hinaus gewähren können, könnten wir selbstverständlich auch den italienischen Begehren nicht entsprechen. Die Verhandlungen werden also in bezug auf die Höhe der Einfuhr aus Italien keine wesentlichen Vermehrungen gegenüber dem gegenwärtigen Zustande bewirken können. Auch in bezug auf die Berücksichtigung des Saisoncharakters von Waren, insbesondere der Früchte und Gemüse, haben wir von uns aus schon bisher stets die nötigen Rücksichten genommen, ohne davon viel Aufhebens zu machen.
Wesentlicher könnte für Italien das Begehren hinsichtlich der Kontingentsverwaltung sein. Wir glauben aber, annehmen zu dürfen, dass selbst diese Frage für Italien keine sehr hochwichtige sei, weil das System der Grenzkontingente kaum zu Beschwerden Anlass gibt, während wir immer wieder die Mängel in der Erteilung der Einfuhrbewilligungen durch Italien selbst (Verspätungen; Zuteilung von Kontingenten an Leute, die diese gar nicht auszunützen beabsichtigen, usw.) festzustellen haben.
Ob und inwieweit sich unter den Begehren um Entlassung aus der handelsvertraglichen Zollbindung solche befinden, die für Italien besonders dringlich sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Tatsache, dass die italienischen Behörden eine ganze Liste solcher Begehren auflaufen liessen, statt schon vorher Einzelbegehren zu stellen, lässt allerdings eher darauf schliessen, dass keine besonders dringlichen Gesuche vorliegen.
Die Frage der Farbeneinfuhr bildet einstweilen den Gegenstand von Verhandlungen zwischen den beteiligten Industrien.
Auch den übrigen aufgestellten Forderungen kommt kein Dringlichkeitscharakter zu.
Auf alle Fälle werden demnach die in Betracht kommenden italienischen Behörden und insbesondere Herr Giannini sich bewusst sein, wie unverhältnismässig weniger wichtig alle diese Begehren gegenüber den Problemen sind, die wir mit den ändern Nachbarstaaten, die sich im Kriege befinden, behandeln müssen. Man wird deshalb kaum im Ernste von uns verlangen, dass wir diese Probleme zurückstellen, um mit Italien verhandeln zu können.
Selbstverständlich bedauern wir selbst am meisten, dass es uns nicht möglich war, wie vorausgesehen im Dezember die Verhandlungen mit Italien weiter zu führen und dass wir auch heute noch nicht in der Lage sind, zu erklären, wann die schweizerische Delegation nach Rom kommen kann.
Wie schon anfangs Dezember möchten wir Sie jedoch bitten, Herrn Senator Giannini wissen zu lassen, dass wir gerne bereit sind, hier in Bern über diejenigen italienischen Begehren, die italienischerseits als besonders dringlich betrachtet werden, zu unterhandeln. Da unseres Wissens Italien zur Zeit keine derart lebenswichtigen Verhandlungsprobleme hat wie unser Land infolge der Blockade und der französischen und britischen Einfuhrmassnahmen, nehmen wir an, dass es den zuständigen Behörden möglich wäre, nötigenfalls eine für die in Frage stehenden wichtigsten Begehren zuständige kleine Delegation nach Bern zu entsenden, sofern man glaubt, mit der Behandlung jener Fragen nicht noch etwas zu warten zu können, bis unsere Verhandlungen mit den im Kriege stehenden Nachbarstaaten eine Klärung gebracht haben und zu einem gewissen Abschluss gelangt sein werden.
So leid es uns tut, müssen wir Sie nochmals bitten, in unserem Namen an das Verständnis von Herrn Senator Giannini für unsere schwierige Lage zu appellieren. Wir bezweifeln nicht, dass der Genannte verstehen werde, dass auf unserer Seite keine Ausflüchte vorliegen, sondern dass ausschliesslich die geschilderte Lage es uns verunmöglicht, unsere Delegation so rasch nach Rom zu entsenden, wie wir es anfangs November - allerdings mit Vorbehalten - glaubten in Aussicht stellen zu können.
Wir sind besonders ausführlich geworden, um Sie in die Lage zu versetzen, Herrn Giannini die Verhältnisse in aller Offenheit und Gründlichkeit auseinanderzusetzen.
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