Classement thématique série 1848–1945:
VII. AFFAIRES SOCIALES ET HUMANITAIRES
1. Questions de travail
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 13, doc. 97
volume linkBern 1991
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13500* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 02.06.-05.06.1939 (1939–1939) |
dodis.ch/46854 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 5 juin 19391 1145. Vermittlung von Arbeitskräften nach Deutschland
Procès-verbal de la séance du 5 juin 19391
In einem Aide-Mémoire, das am 29. Dezember 1938 von der Deutschen Gesandtschaft dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit überreicht worden ist2, wurde unter Hinweis auf den in Deutschland bestehenden grossen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften die Frage aufgeworfen, ob die Möglichkeit bestünde, die in Deutschland fehlenden Arbeitskräfte für Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe und Handel auch aus der Schweiz und Liechtenstein zu erhalten, und zur Erwägung gestellt, ob diese Frage nicht Gegenstand einer zwischenstaatlichen Vereinbarung bilden könnte.II.
Die Anregung ist vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit nach allen Richtungen hin geprüft worden3. Die befragten führenden Arbeitgeberkreise empfehlen eine gewisse Zurückhaltung, glauben aber, dass eine in bescheidenem Rahmen sorgfältig vorgenommene Vermittlung solcher schweizerischer Stellensuchenden, die sich für eine Stelle in Deutschland interessieren, ohne allzu grosse Bedenken ermöglicht werden könnte. Diese Auffassung wird auch von den Arbeitsämtern vertreten. Von Seiten der Gewerkschaften wird eine noch weitergehende Zurückhaltung an den Tag gelegt; wenn sie auch eine auf völlig freiwilliger Basis vorzunehmende Vermittlung schweizerischer Arbeitskräfte im allgemeinen nicht grundsätzlich ablehnen, so mahnen sie doch zu äusserster Vorsicht. Alle erwähnten Kreise erachten es aber als logisch und zweckmässig, dass in erster Linie in der Schweiz ansässige arbeitssuchende deutsche Staatsangehörige zur Deckung des Bedarfes an Arbeitskräften in Deutschland angeboten werden sollten, sofern ihre Rückwanderung in die Heimat für sie nicht mit politischen Gefahren verbunden wäre. Die Gewerkschaften zeigen zwar auch in Bezug auf die Vermittlung Deutscher eine gewisse Zurückhaltung, im Gegensatz zu dem in der «Tagwacht» vom 20. April 1939 erschienenen Artikel.III.
In Berücksichtigung der kurz dargelegten Auffassungen, die im grossen und ganzen der herrschenden Volksmeinung entsprechen dürften, wurde dieser heikle Fragenkomplex zwischen Vertretern der Abteilung für Auswärtiges, der Polizeiabteilung und des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit eingehend beraten. Die hiefür zugezogenen Sachverständigen sind zu folgenden Überlegungen und Schlüssen gelangt:
Der Abschluss eines Abkommens zwecks Zurverfügungstellung einer nach dem jeweiligen Bedarf in Deutschland sich richtenden, mehr oder weniger bestimmten Anzahl schweizerischer Arbeitskräfte, wie von der Deutschen Gesandtschaft angeregt wird, erscheint weder erwünscht noch angezeigt zu sein. Abgesehen von naheliegenden Erwägungen allgemeinen Charakters wäre es praktisch schwierig, sich auf eine bestimmte Zahl von Schweizerkräften festzulegen, die je nach Bedarf Deutschland zur Verfügung gestellt werden könnten, weil die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte in der Schweiz weitgehend vom saisonmässigen Bedarf abhängt und unvermeidlichen wirtschaftlichen Schwankungen unterworfen ist. Da jeglicher Zwang gegenüber schweizerischen Arbeitskräften unterbleiben müsste, könnte auch beim besten Willen nicht vorausbestimmt werden, wieviele der in einem noch unbestimmten Zeitpunkt allfällig verfügbaren Arbeitskräfte sich tatsächlich für eine Stelle in Deutschland interessieren würden.
Für die Vermittlung von schweizerischen Arbeitskräften nach Deutschland ist übrigens ein Abkommen keineswegs notwendig. Der seit einiger Zeit wachsende Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland hat schon eine Anzahl von Schweizern der verschiedensten Berufe zur Stellenannahme in diesem Lande bewogen. Sowohl einzelne Arbeitsämter als auch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit wurden und werden heute noch von einzelnen Mitbürgern angefragt, ob ihnen nicht eine Stelle in Deutschland vermittelt werden könnte. Soweit Schweizer aus freiwilligem Entschluss sich für eine Stelle in Deutschland interessieren, kann es der öffentliche Arbeitsnachweis kaum ablehnen, sie auf ihm allfällig bekannte geeignete Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland aufmerksam zu machen. Allein, es liegt wohl im allgemeinen Interesse, dass jegliche Propaganda und persönliche Aufforderung unterbleibt.
Logischerweise sollte in erster Linie versucht werden, die stellensuchenden Deutschen in ihre Heimat zu vermitteln. Eventuell könnten nach Verständigung mit den deutschen Behörden auch Angehörige anderer Staaten in die Vermittlungsaktion einbezogen werden, sofern sie sich zur Annahme einer konkreten Arbeitsmöglichkeit in Deutschland bereit erklären würden.
Erfolgt eine Arbeitsvermittlung schweizerischer Arbeitsloser nach Deutschland oder nach ändern Ländern, so hat diese einen rein freiwilligen Charakter, und es ist eine Ablehnung dieser Arbeit im Ausland auf keinen Fall als Verweigerung einer angemessenen Arbeit mit den in der Arbeitslosenversicherung vorgesehenen Folgen des Entzugs des Taggeldes zu betrachten.
Wohl darf aber für in der Schweiz ansässige, gegen Arbeitslosigkeit versicherte deutsche Arbeitslose eine in Deutschland zur Vermittlung angebotene Arbeit im Sinne der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung vom 17. Oktober 1924 und der Vollziehungsverordnung VI vom 19. Januar 19374 als angemessen und zumutbar betrachtet werden, wenn diese Arbeit zu dem in Deutschland berufsüblichen Lohn und den berufsüblichen Bedingungen angeboten wird. Die Versetzbarkeit bei dieser ausserwohnörtlichen Arbeit wäre nicht nur für ledige, beziehungsweise nichtunterstützungspflichtige, sondern auch für verheiratete, beziehungsweise unterstützungspflichtige deutsche Arbeitslose zu bejahen. Ausnahmen in Bezug auf die Anwendung der versicherungsrechtlichen Sanktionen wären nur bei Vorliegen besonderer Umstände zulässig. Emigranten und politische Flüchtlinge kämen von vornherein für die Vermittlung nicht in Frage.
Die Organisation der Vermittlung wäre von den kantonalen Arbeitsämtern in Verbindung mit den in Frage kommenden deutschen Arbeitsämtern auf Grund von Richtlinien zu treffen, die vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zu erlassen sind. Die Vermittlung einer angemessenen, zumutbaren Arbeit müsste individuellen Charakter haben, d.h. es müsste den Arbeitslosen eine nach Beruf, Arbeitsort und Arbeitsbedingungen näher spezifizierte Arbeit durch den schweizerischen Arbeitsnachweis offeriert werden, der in jedem Fall eine allfällige Verweigerung der Arbeitsannahme zuhanden der Kassenorgane gemäss Art. 28 und 29 der erwähnten Verordnung VI zu beurteilen hätte. Da die deutsche Volkswirtschaft, wie aus dem Aide-Mémoire vom 29. Dezember 1938 hervorgeht, einen grossen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften hat, sollte die Vermittlung von deutschen Arbeitskräften, insbesonders solcher, die gegen Arbeitslosigkeit versichert und zur Zeit der Vermittlung arbeitslos sind, keine Schwierigkeiten bieten. Nach den bisherigen Wahrnehmungen scheint die Deutsche Gesandtschaft der Vermittlung von in der Schweiz ansässigen arbeitslosen Deutschen in ihre Heimat sympathisch gegenüberzustehen.
Auf Grund dieser Darlegungen wird antragsgemäss1. Das unter Ziffer III in Aussicht genommene Vorgehen wird gebilligt;
2. Die praktische Verwirklichung dieses Vorgehens ist in geeigneter Form mit der deutschen Gesandtschaft zu besprechen und entsprechend den gegebenen Möglichkeiten vorzunehmen5.