Classement thématique série 1848–1945:
VII. AFFAIRES SOCIALES ET HUMANITAIRES
2. Réfugiés, émigrés
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 13, doc. 81
volume linkBern 1991
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E4800.1#1967/111#206* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 4800.1(-)1967/111 48 | |
Titre du dossier | Zum Flüchtlingsbericht Prof. Ludwig: Unterlagen zur Stellungnahme von Herrn BR von Steiger, verschiedene Dokumentationen (1938–1944) | |
Référence archives | 1.015 |
dodis.ch/46838
Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Haut-Commissaire adjoint pour les réfugiés sous la protection de la Société des Nations, G. Kullmann1
Mein lieber Kullmann,
Mit Ihrem Brief von 16. Februar2 hatten Sie die Liebenswürdigkeit, mir den vertraulichen Bericht des Herrn Rublee über seine Verhandlungen mit Deutschland über die Auswanderung der Juden, sowie die Resolution der Konferenz des Comité Intergouvememental vom 13. und 14. Februar 1939 zu übersenden. Zugleich regten Sie an, die Schweiz möchte ihre bisherige Einstellung zum Comité Intergouvememental einer neuen Prüfung unterziehen.
Ich habe die Beantwortung dieses Schreibens, sowie Ihres weiteren Schreibens vom 20. März3 zurückgestellt, weil wir zunächst die weiter Entwicklung des Problems der Emigranten beobachten wollten4, und beehre mich, Ihnen heute meine Auffassung bekanntzugeben.
Sie kennen mein Schreiben vom 28. Juli 1938 an Herrn Taylor, den damaligen Präsidenten des Comité Intergouvememental. Wenn es auch, in Bestätigung dessen was ich Herrn Taylor nach Abschluss der Konferenz in Evian mündlich mitgeteilt hatte, die Eröffnung enthielt, dass der Bundesrat sich an der Zusammenkunft des Comité Intergouvememental in London vom 3. August 1938 nicht vertreten lassen könne, so war doch hervorgehoben, dass der Bundesrat durchaus bereit sei, die Möglichkeit zu prüfen, sich an einer späteren Konferenz vertreten zu lassen, wenn technische, die besondere Lage der Schweiz als Transitland für die Emigranten aus Deutschland berührende Fragen vorliegen würden. Zugleich ersuchte ich Herrn Taylor, das Sekretariat des Comité einzuladen, mir die Protokolle und die Beschlüsse der Konferenz vom 3. August zu übersenden. Ich habe weder eine Bestätigung des Empfangs dieses Schreibens, noch in der Folge das erwähnte Material über die Konferenz vom 3. August erhalten.
Ihre Mitteilungen über die am 13. und 14. Februar 1939 stattgehabte weitere Konferenz des Comité Intergouvememental habe ich entnommen, dass dort lediglich die Organisation der direkten Auswanderung aus Deutschland besprochen worden ist, eine Frage, an der die Schweiz auch in ihrer Rolle als blosses Transitland kaum beteiligt ist. Den Umstand, dass wir zu dieser Konferenz nicht eingeladen worden sind, hatten wir so verstanden, dass keine technisehen Fragen zur Sprache kamen, die unser Land berühren. Es hat nun aber den Anschein, als ob unser Schreiben an Herrn Taylor missverstanden worden sei. Nachdem der schweizerische Vertreter in Evian ausdrücklich erklärt und die Gründe dafür auseinandergesetzt hatte, dass die Schweiz nur ein Transitland sein könne für die Emigranten, dass sie ihre Dienste als solches aber anerbiete, dürfte es doch wohl verstanden werden, dass sie zögerte, einem ständigen Organismus als ständiges Mitglied beizutreten, in dessen Sitzungen in der Regel Fragen behandelt werden sollten, zu deren Lösung sie nicht beitragen kann. Dies umsomehr, als sie ja, wie gesagt, die Mitarbeit für den Fall in Aussicht gestellt hat, in dem ihre Mitwirkung bei der Behandlung von technischen Fragen notwendig und erwünscht ist. Dazu kommt noch, dass die Schweiz einer sehr grossen Zahl von Emigranten den vorübergehenden Aufenthalt bis zu ihrer endgültigen Auswanderung bewilligt, dem humanitären Gedanken, der Herrn Präsident Roosevelt zur Einberufung der Konferenz von Evian veranlasst hat, also in weitgehendem Mass und bis an die Grenze dessen, was uns zugemutet werden kann, praktischen Ausdruck gegeben hat. Sind doch 10 - 12000 Emigranten hier aufgenommen worden, von denen 3000 mittellos sind, für die die schweizerischen Juden, deren Zahl nur etwa 18000 beträgt, bis zu 300000 Franken im Monat auslegen müssen. Die praktische Mitwirkung bei der sachlichen Lösung des Problems durch die Schweiz dürfte, alle Verumständungen in Betracht gezogen, deshalb unter allen Staaten in vorderster Linie stehen.
Ich weiss, dass der Bundesrat den Bestrebungen zur Lösung der Flüchtlingsfrage auf internationalem Boden auch in Zukunft seine vollste Aufmerksamkeit und Unterstützung zuteil werden lassen wird. Er legt Gewicht darauf, dass die praktische Mitwirkung der Schweiz an der Lösung des Problems, sofern eine solche als Transitland in Frage kommen kann, weiterhin bis an die Grenze des Möglichen aufrecht erhalten bleibe. Dazu ist aber leider zu sagen, dass wir bis heute zo ziemlich von überall her im Stich gelassen worden sind. Man hat wohl von allem Anfang an die Menschlichkeit namentlich der Nachbarstaaten Deutschlands appelliert, den Verfolgten die Grenzen zu öffnen, hat aber bis jetzt nirgends wirksam in Ländern, die für die Einwanderung aufnahmefähig sind, die Türe geöffnet, sodass wir als Binnenland, mit gerade heute besorgniserregender Überfremdung und moralisch sowie finanziell schwer belastender Arbeitslosigkeit, vollgestopft sind mit Elementen, deren längerdauernder Aufenthalt ihnen und uns nur schwere Unzukömmlichkeiten bringen kann. An der Konferenz des Comité Intergouvememental vom 13. und 14. Februar ist gemäss der Tagesordnung wiederum nur von der Auswanderung aus Deutschland gesprochen worden, nicht aber von der Weiter Wanderung der in den Nachbarstaaten Deutschlands bereits angehäuften Emigranten. Wenn eine Regelung der ersteren gewiss auch in dem Sinne eine Entlastung ist für die Nachbarländer Deutschlands, als der Einwanderungsdruck auf sie nachlassen wird, so ist doch zu bemerken, dass wir zahlreichen Emigranten Einlass gewährt haben im Vertrauen darauf, dass man uns für deren Weiter Wanderung dann auch an die Hand gehen werde. Wenn ein ständiger, gesicherter Abfluss ermöglicht werden kann, so könnten wir unsere praktische Mitwirkung an der Lösung des Problems als Transitland für weitere Emigranten sicherlich mit Gewinn für die Grundidee des Herrn Präsidenten Roosevelt weiterhin zur Verfügung stellen und würden dies sogar sehr gerne tun. Es wäre zu wünschen, dass diese Frage auf die Traktandenliste einer kommenden Konferenz gesetzt würde.
Sie werden verstehen, dass ich etwas überrascht war über den nicht sehr freundlichen Brief, den Herr Vizedirektor Pell am 18. April der Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe geschrieben hat5 und der wie folgt lautet:
«In view of the fact that the Government of Switzerland has not continued its membership of the Intergovernmental Committee, I am afraid that no purpose will be served by continuing our correspondence.»
Das heisst also wohl: Wer in unserem Komitee sich nur für die technische Mitarbeit, die für ihn einzig in Betracht fallen kann, zur Verfügung stellt, mit dem wollen wir überhaupt nichts zu tun haben, auch wenn er die wirklich humanitäre praktische Mitwirkung offeriert. Herr Pell scheint mir mit diesem Brief etwas daneben geraten zu sein. Die Schweizerische Zentralstelle für Flüchtlingshilfe hatte ja nur um Auskunft gebeten, ob die bisherigen Anstrengungen des Comité Intergouvememental, einwanderungsbereite Länder zu finden, Erfolg gehabt hätten, und hat dabei Auskunft erteilt über das, was die Schweiz bisher getan hat.
Wenn wir bis heute nicht an das Sekretariat des Comité Intergouvememental gelangt sind mit dem Ersuchen um Auskunft über Weiterwanderungsmöglichkeiten, so geschah dies deshalb, weil wir bisher keinen Überblick hatten über die Zusammensetzung der zu uns gezogenen Emigranten. Eine Erhebung ist nun abgeschlossen worden über die ca. 3000 mittellosen Emigranten. Für die Erfassung der anderen ist ein Bundesratsbeschluss in Vorbereitung. Doch sind dafür noch organisatorische Vorarbeiten zu leisten. Bis wir so weit waren, hatte es keinen Sinn, das Sekretariat, das wohl von allen Seiten mit Anfragen bestürmt wird, zu behelligen. Ich denke mir das weitere Vorgehen wie folgt: Wir werden die Zusammensetzung der 3000 mittellosen Emigranten nach Geschlecht, Alter, Beruf, u.s.w. dem Sekretariat bekanntgeben und es ersuchen, uns mitzuteilen, wie wir nach seinen Erfahrungen die Weiter Wanderung dieser Leute an die Hand nehmen sollen. Wenn die Erhebungen über die anderen Emigranten, die wie gesagt noch vorbereitet werden müssen, abgeschlossen sein werden, werden wir das gleiche tun.
Was die Auffassung über unsere künftige Mitwirkung an den Sitzungen des Comité Intergouvememental betrifft, so kann ich mir die bisherige Einstellung des Londoner Bureaus nur erklären aus einem Missverständnis über unser Schreiben vom 28. Juli 1938. Nachdem unserem Wunsche, uns die Protokolle und die Ergebnisse der ferneren Konferenzen zuzustellen, nicht Folge gegeben worden ist, waren wir ja auch gar nicht in der Lage, die Arbeiten des Comités zu verfolgen und die Notwendigkeit und Nützlichkeit unserer ferneren Teilnahme zu prüfen. Ich wäre Ihnen deshalb zu grossem Dank verpflichtet, wenn Sie Sir Herbert Emerson und die anderen massgebenden Persönlichkeiten des Comité Intergouvememental in geeigneter Weise aufklären und dafür besorgt sein wollten, dass uns das Material der bisherigen Konferenzen zugestellt wird, um dem Bundesrat die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob und in welcher Weise er sich an künftigen Konferenzen vertreten lassen solle.
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Attitudes face aux persécutions