Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
3. Trafic d’armes et de matériel de guerre
3.1. Importations
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 13, doc. 43
volume linkBern 1991
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E5155#1968/12#40* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 5155(-)1968/12 11 | |
Titre du dossier | Akten Gazda (1939–1939) | |
Référence archives | 00 |
dodis.ch/46800
Mit Schreiben vom 13. Oktober 19382 seitens des Vertreters von Vickers Armstrong erhielten wir einen Vorschlag für eine Lizenzerteilung betreffend das Flugzeug «Spitfire».
Es handelt sich um das neueste Jagdflugzeug, das für die englische Armee gegenwärtig in Serie gebaut wird und dessen Leistungen ungefähr die gleichen sein dürften wie die Jagdflugzeuge «Messerschmitt» mit DB-Motor, die wir in Deutschland bestellt haben.
Im Spätsommer hat bekanntlich eine Reise nach England stattgefunden mit Vertretern der Abteilung für Flugwesen und Fliegerabwehr und der K.T.A., wobei die dabei befindlichen Piloten das Flugzeug Spitfire fliegen konnten und sehr befriedigt waren. Der Vollständigkeit halber sei doch noch erwähnt, dass die Maschine, besonders wenn man den Lizenzbau ins Auge fasst, zwei wesentliche Nachteile hat:
a) Man kann heute nur den englischen Rolls-Royce-Motor verwenden und wäre demzufolge gezwungen, diese Motorfabrikation in der Schweiz ebenfalls aufzunehmen. Der Hispano-Motor lässt sich auf Spitfire nicht einbauen.
b) Die ganze Konstruktion rechnet naturgemäss nicht mit Millimetern, sondern mit engl. Zoll und um eine Fabrikation in der Schweiz aufzunehmen, muss alles vom Zoll auf die Millimeter übersetzt werden, eine Angelegenheit, die nicht so leicht ist wie man gelegentlich vermutet und die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.
Der erwähnte Lizenzvorschlag ging ein in einem Zeitpunkt, als die Lieferungsverträge mit Messerschmitt schon nahezu perfekt waren. Kurz nachher fuhr die Delegation nach Amerika und von unserer Seite ist darum hinsichtlich der Spitfire-Lizenz nichts geschehen.
Wir erhalten nun, datiert vom 27. Februar3, ein Schreiben von Vickers-Armstrong, worin man uns anfragt, ob wir nunmehr weitere Informationen benötigen, mit ändern Worten, wir sollen dazu Stellung nehmen, ob wir uns für die Lizenz interessieren oder nicht.
Dieser zuletzt erwähnte Brief hängt zusammen mit den Bestrebungen des Herrn G.4, Aufträge für die zu gründende Pilatus A.G. zu erhalten. Er behauptet, dass er von der englischen Regierung einen Auftrag für 200 Spitfire erhalte, sobald die Pilatus nachgewiesen habe, dass sie in der Lage sei, Spitfire zu bauen.
Er, G., sei der einzige, der infolge seiner guten Beziehungen zum englischen Luftministerium eine Lizenz für die Fabrikation erhalten könne. Wir, resp. der Unterzeichnete persönlich solle nun der Pilatus behilflich sein, eine Anzahl Spitfire zu bauen, damit dann nachher die grosse Bestellung komme. Die Sache sei aber ausserordentlich delikat, es dürfe gar niemand etwas von der Sache wissen, weder hier in der Schweiz noch in England, und ganz besonders Vickers dürfe es nicht wissen.
Die Herstellung einer ersten kleinen Serie von Spitfire (womit der Nachweis erbracht werden soll, dass man die Maschinen in der Schweiz fabrizieren könne) werde keine Schwierigkeiten machen, indem man einfach von Vickers die fertigen Bestandteile beziehe und sie denn zusammensetze. Dieses Verfahren wäre gelinde gesagt eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, denn damit, dass man fertige Teile aus dem Ausland kommen lässt, hat man nicht den Beweis erbracht, dass man in der Lage sei, die Sachen auch zu fabrizieren, wobei es ganz besonders darauf ankommt, vorzudemonstrieren, wie rasch man in der Lage sei, Lieferungen auszuführen. Die Absicht ist wohl die, auf Grund dieses sozusagen Befähigungsnachweises eine Bestellung zu erhalten, ohne sich darum zu bekümmern, dass nachher mindestens ein Jahr verstreichen dürfte, bis man nur die Fabrikationseinrichtungen für eine Seriefabrikation in der Schweiz geschaffen hätte.
Es ist einleuchtend, dass der Unterzeichnete es ablehnen musste, seine Person in dieser Weise einzusetzen, ganz abgesehen davon, dass er den Standpunkt vertrat, er sei gar nicht dazu kompetent. Letzteres ist ganz selbstverständlich, denn was Herr G. wollte, war nichts anderes, als dass die K.T.A. der Pilatus A.G. eine Bestellung der Spitfire übertrage, dass aber niemand offiziell wissen dürfe, dass dieser Auftrag gar nicht für die Schweiz bestimmt sei.
Herr G. hat in seinem Aktendossier ein Schreiben vom Luftministerium in London, worin deutlich zum Ausdruck gebracht ist, dass das Luftministerium nichts dagegen hätte, wenn für Bedürfnisse der schweizerischen Regierung eine Lizenz abgegeben würde, dass aber er, (G.) sich auch diesbezüglich mit der Fabrikationsfirma, d.h. mit Vickers verständigen musste und hier liegt nun für ihn der schwierige Punkt. Er hat bei Vickers sondiert und dabei festgestellt, dass diese Firma es ablehnt, mit Drittpersonen zu verhandeln, wenn Geschäfte in Frage kommen, die die Schweizer Regierung betreffen und den Standpunkt vertritt, die Firma habe selbst bereits der K.T.A. Vorschläge für eine Lizenz unterbreitet und sie beharre darauf, direkt mit der K.T.A. zu verhandeln. Sie weiss auch, dass wir es unsererseits nicht lieben, Geschäfte, die für die Schweizer Regierung bestimmt sind, mit Agenten zu behandeln.
Der Unterzeichnete hatte seinerzeit dem G. gesagt, wir hätten einen Lizenzvorschlag von Vickers, worauf er behauptete, das sei gar nicht möglich, sich dann aber nachher in London davon überzeugen musste, dass dies tatsächlich der Fall sei, und er verlangte nun von uns, wir sollen Vickers mitteilen, dass wir nicht auf diese Lizenz reflektieren, die Firma gleichzeitig aber veranlassen, dass die Pilatus A.G. die Lizenz erhalte, wobei es deutlich zum Ausdruck kam, dass die Fiktion aufrecht erhalten werden sollte, diese Lizenz solle für die Zwecke der schweizerischen Regierung angewendet werden. Wenn dann nachher die Lieferungen effektiv für die englische Regierung bestimmt seien, so stellt sich Herr Gazda wahrscheinlich vor, dass Vickers vor einem fait accompli stehen würde und das übrige werde dann das Luftministerium schon besorgen.
Ganz abgesehen davon, dass es sehr unklug wäre, sich in ein solches Gespinst von Fiktionen und - man darf eigentlich sagen - Lügen zu engagieren, so kommt noch ein anderes Moment hinzu. Alle unsere Lieferanten wissen seit lange, und wir haben dem auch schon zum Beispiel in Kommissionssitzungen öfters Ausdruck gegeben, dass wir, sofern es sich um Lizenzfabrikation handelt, einen speziellen Wert darauf legen, dass die betreffenden Lizenzverträge von uns abgeschlossen werden. Es handelt sich dabei aber naturgemäss stets nur um Lizenzen für die Schweiz und nicht um exklusive, die auch gültig wären für andere Länder. Wir glauben nun, dass es einen sehr sonderbaren Eindruck machen würde, wenn wir nun plötzlich ein ganz anderes Verfahren einschlagen würden und glauben annehmen zu dürfen, dass man vermuten würde, es werde da irgend etwas unreelles gemacht.
Wir haben dem G. gesagt, wir hätten gar keine Veranlassung, heute Vickers inbezug auf die Lizenz zu schreiben. Wenn uns Vickers anfrage, ob wir nun definitiv eine solche Lizenz abschliessen wollen, so könnten wir nur antworten, wir für unsere eigenen Bedürfnisse hätten momentan nicht die Absicht; anderseite hätten wir aber gar nichts einzuwenden, wenn Vickers an die Pilatus A.G. die Lizenz für Lieferungen an Dritte abgebe in der Meinung, dass, sofern wir späterhin uns doch für Spitfire interessieren würden, wir dann direkt mit Vickers in Beziehung treten. Von einer solchen Behandlung wollte aber G. unter keinen Umständen etwas wissen, damit sei ihm in keiner Weise geholfen, was wir begreifen, da damit seine ganze Konstruktion unhaltbar würde. Er machte uns darauf einen ändern Vorschlag: wir sollten die Lizenz übernehmen und sie dann der Pilatus übertragen, was wir naturgemäss auch nicht können, da wir ja Lizenzen nur für eigene Bedürfnisse kaufen und, wenn etwas anderes beabsichtigt wäre, notwendigerweise die Lizenzgeberin begrüsst werden müsste, was wiederum nicht in die Kombination des G. passt.
Wir ergänzen noch, dass der Unterzeichnete vor einigen Wochen mit Herrn Minister Dr. H. Sulzer eine Aussprache hatte, der uns die positive Frage stellte, ob die K.T.A. in der Lage sei, bei der Pilatus A.G. eine Anzahl Spitfire zu bestellen. Wir haben dies verneint schon deswegen, weil wir uns dann in dieser ganzen «unklaren» Situation hätten engagieren müssen. Auf welcher Rechtslage hätte die Pilatus fabrizieren wollen, doch nur auf Grund einer Lizenz, die Vickers nicht geben will, wenn es sich um Material für uns handelt, oder auf Grund einer Lizenz von Vickers, die wir übernehmen, wobei wir dann das Recht gehabt hätten, einen Dritten mit der Ausführung zu betreuen, aber nur für unsere Bedürfnisse. Damit wäre wiederum nicht die Basis für Lieferungen, die die Pilatus nach dem Ausland machen will, geschaffen.
Wir haben den Herrn Chef des eidg. Militärdepartementes mündlich über die obigen Verhältnisse orientiert und auch mitgeteilt, dass wir eine entsprechende diesbezügliche Anfrage von Vickers, wie wir uns zu der Lizenz stellen, vermutlich erhalten werden. Dieses Schreiben von Vickers ging nun ein und wir legen es in Abschrift und Übersetzung bei. Man sieht, dass es sehr vorsichtig abgefasst ist.
Im weitern wurde auch Herr Bundesrat Obrecht, der verschiedentlich mit G. Besprechungen hatte, von Unterzeichneten orientiert und desgleichen der Herr Departementssekretär und sein Stellvertreter.
Der Herr Departementssekretär hat den Unterzeichneten beauftragt, sofern eine solche Anfrage eingehe, dass dem Departement ein eingehender Bericht erstattet werde, damit dazu Stellung genommen werden könne.
Diesen erwähnten Bericht haben wir mit obigem nunmehr gegeben und möchten, was eine Antwort an Vickers anbelangt, folgendes ausführen:
Momentan hat die Flugwaffe für die Spitfire kein Interesse, schon deswegen, weil noch im Laufe dieses Monats die Ablieferungen der unseres Wissens gleichwertigen Messerschmitt-Maschinen beginnen sollen. Worüber wir uns mit möglichster Beschleunigung entscheiden müssen ist die Frage, was für Flugzeuge anschliessend an die jetzt in Gang kommende Fabrikation der Morane-Jagdflugzeuge in der Schweiz gebaut werden sollen. Diese Morane-Type ist in Frankreich weiter entwickelt worden und es wäre nicht abwegig, für die Fortsetzung inbezug auf Jagdflugzeuge diese Entwicklung mitzumachen, damit man möglichst eine konstante Richtung einhält, denn es ist sehr unerwünscht, bei jeder neuen Serie wieder ganz andere Baukonstruktionen zu verwenden, obschon das nicht immer zu vermeiden ist.
Trotz dieser obigen Überlegungen wäre es nicht ausgeschlossen, dass man sich später doch für Spitfire interessieren dürfte, denn auch diese Maschinen werden zweifellos weiter entwickelt und aus diesem Grund müsste unsere Antwort an Vickers gerade so vorsichtig abgefasst werden wie die Anfrage der Firma. Wir würden vorschlagen, in unserer Antwort ungefähr folgende Gesichtspunkte zum Ausdruck zu bringen:
Gegenwärtig sei für die nächste Zeit das Fabrikationsprogramm für Jagdflugzeuge festgelegt, es sei aber nicht ausgeschlossen, dass wir uns vielleicht schon in einigen Monaten doch mit der Spitfire-Angelegenheit näher befassen könnten und dass wir dann gern auf die Angelegenheit zurückkommen. Es wäre auch erwünscht, zu vernehmen, ob man in nächster Zeit eventuell 2 oder 3 solcher Maschinen erwerben könnte, um sich mit dem Material näher vertraut zu machen, da ja die Flugversuche, die von unseren Piloten im letzten Herbst vorgenommen wurden, nur einen ersten unvollständigen Einblick gestattet haben.
Wir ersuchen das E.M.D., uns Weisung zu geben, wie wir uns in der Angelegenheit verhalten sollen. Wir fügen bei, dass seinerzeit von Herrn G. verlangt wurde, dass wir niemanden über die Verhältnisse orientieren, weil dies grosse Schwierigkeiten in England verursachen könnte, haben ihm aber damals erklärt, auf alle Fälle seien wir gezwungen, in erster Linie unseren Vorgesetzten Departementschef zu orientieren. Wie oben erwähnt, mussten wir aber weitergehen, da wir ohne eine solche weitere Orientierung die ganze Angelegenheit nicht hätten behandeln können.
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