Classement thématique série 1848–1945:
X. FABRICATION, EXPORTATION D'ARMEMENTS
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 12, Dok. 426
volume linkBern 1994
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| Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
| Signatur | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13437* | |
| Dossiertitel | Beschlussprotokoll(-e) 11.10.-14.10.1938 (1938–1938) |
dodis.ch/46686 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 14 octobre 19381 1719. Waffenfabrik Solothurn A.G. Herstellung von Kriegsmaterial
Procès-verbal de la séance du 14 octobre 19381
Durch Volksabstimmung vom 20. Februar 1938 wurde der neue Verfassungsartikel (41) betreffend Herstellung, Beschaffung und Vertrieb von Kriegsmaterial angenommen und alsdann die dem Bundesrat vorbehaltenen Ausführungsvorschriften (Verordnung über Herstellung, Beschaffung und Vertrieb, Einfuhr und Ausfuhr von Kriegsmaterial vom 8. Juli 19382; Verfügung des eidg. Militärdepartements vom gleichen Tage) auf 1. September 1938 in Kraft gesetzt. Danach hat zukünftig jedermann, der Kriegsmaterial hersteilen will, eine Bewilligung einzuholen; das eidg. Militärdepartement entscheidet über deren Erteilung, eine Weiterziehung an den Bundesrat ist möglich (Art. 8 und 15 der erwähnten Verordnung vom 8. Juli 1938).
Ein Gesuch zur Herstellung von Kriegsmaterial ist unter anderem eingereicht worden von der Waffenfabrik Solothurn A.G. Es ist bekannt, dass deren Aktienkapital sich im Besitz der Rheinmetall-Solo befindet und dass das deutsche Reich bei dieser Firma eine Aktienmajorität von 60% besitzt. Rheinmetall ist also eine Staatsfabrik unter dem Namen einer A.G., zum mindesten ist sie vollständig vom Reich kontrolliert. Demzufolge ist aber auch die Waffenfabrik Solothurn A.G. in Wirklichkeit eine Unternehmung im Mitbesitze des deutschen Staates.
Nach Art. 8, lit. c, der Verordnung vom 8. Juli 1938 ist eine Bewilligung zur Fabrikation von Kriegsmaterial abzulehnen, wenn diese den Interessen der Landesverteidigung oder des öffentlichen Wohles zuwiderlaufen würde. Die Beantwortung dieser Frage scheint hier, wo es sich um einen unter dem unmittelbaren Einfluss einer ausländischen Regierung stehenden Betrieb handelt, von grundsätzlicher Bedeutung zu sein, weshalb das Militärdepartement die Stellungnahme des Bundesrates einholen möchte, bevor formell über das Gesuch der Waffenfabrik Solothurn A.G. entschieden wird. Es scheint das umso eher angezeigt, als die Ansichten der bereits begrüssten Departemente, nämlich der Politischen und des Justiz- u. Polizeidepartements, auseinandergehen.
Die Tatsache, dass es sich hier in Wirklichkeit um ein ausländisches Unternehmen handelt, schliesst an sich nach der Verfassungsbestimmung und den Ausführungsvorschriften die Fabrikationsbewilligung nicht aus, allein es erhebt sich die Frage, ob sich dies mit unseren Landesinteressen vereinbaren liesse. Das Militärdepartement möchte das in Übereinstimmung mit dem Justiz- und Polizeidepartement, dessen Begründung hier wiederholt wird, verneinen:
«Einmal ist die Erteilung einer Bewilligung mit einer staatlichen Aufsicht über das Unternehmen verbunden. Die Kontrolle erstreckt sich auf die Befolgung der an die Erteilung der Bewilligung geknüpften Bedingungen, auf den ganzen Betrieb des Unternehmens, insbesondere auch auf den Absatz des produzierten Materials. Die Kontrollorgane sind berechtigt, das Unternehmen zu besichtigen, in den Geschäftsgang Einsicht zu nehmen und alle nötigen Aufschlüsse zu verlangen (Art. 14 der Vo; A.S.54,318). Sie können sogar in die Lage kommen, Geschäftsbücher zu beschlagnahmen. Alle diese Massnahmen erscheinen in einem ändern, besondern Lichte, wenn sie einem Betrieb gegenüber ergriffen werden müssen, der tatsächlich einer fremden Regierung gehört und ihren Weisungen unterstellt ist. Dass das Unternehmen in die Form einer A.G. gekleidet ist, deren Aktien einer ebenfalls privatrechtlich organisierten Gesellschaft gehören, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen. Wir können uns alsdann leicht vor die Wahl gestellt sehen, entweder aus Rücksicht auf die Beziehungen zu dieser Regierung auf die Aufsicht mehr oder weniger zu verzichten oder dann die Aufsichtstätigkeit in eine peinliche Lage versetzt zu werden. Wenn z.B. Aufsichtsmassnahmen verschärft oder neue Bedingungen gestellt werden müssten, würde die fremde Regierung dies wohl als ein Zeichen besonderen Misstrauens oder als unfreundliches Vorgehen ihr gegenüber auslegen. Die Notwendigkeit der Kontrolle eines solchen, der Leitung einer fremden Regierung unterstehenden Unternehmens hat u. E. etwas Stossendes und birgt die Gefahr von Konflikten in sich.
Dazu kommt die Rücksicht auf die Neutralität unseres Landes. Wohl schliesst Art. 41 BV die Duldung eines Rüstungsunternehmens, das Ausländern gehört oder von ausländischem Kapital abhängig ist, nicht ohne weiteres aus. Aber man darf nicht übersehen, dass hier wesentliche Unterschiede bestehen können. Ein wirklich privates Geschäft auf Schweizerboden wird einer Beeinflussung seitens seines «Heimatstaates» weniger ausgesetzt sein und seine Massnahmen noch einigermassen frei treffen können. Wenn dagegen eine Regierung ein Rüstungsunternehmen selbst betreibt oder mindestens entscheidend kontrolliert, so ist es naheliegend, dass es ihren militärischen und politischen Interessen zu dienen hat. In einem Land, das seiner geographischen Lage nach Kriegsschauplatz der Kämpfe seiner Nachbarstaaten werden könnte und dessen Neutralität gerade die Benützung seines Gebietes als Durchgangsland ausschliessen soll, erscheint eine der Regierung eines dieser Nachbarländer unterstehende Waffenfabrik sehr bedenklich. In politisch aufgeregten Zeiten könnte es kaum ausbleiben, dass die ändern Nachbarstaaten ein solches Unternehmen mit Misstrauen betrachten und z.B. befürchten würden, es sei damit bereits einseitig für einen geplanten Durchzug eine Materialreserve geschaffen worden. Es wäre auch denkbar, dass daraufhin die Regierungen dieser ändern Staaten das Begehren stellen, in unserm Lande ebenfalls Rüstungsbetriebe eröffnen zu dürfen; solche Begehren abzuschlagen würde dann schwer fallen. Solchen Möglichkeiten und den Folgen, die sich daraus für die Wertung unserer Neutralität ergeben müssten, lässt sich nur dadurch begegnen, das jede Bewilligung für eine einer fremden Regierung unterstehende Rüstungsindustrie verweigert wird.»
Allerdings macht das Politische Departement diesen Erwägungen gegenüber geltend, dass nach dem neuen Rechtszustand die Mittel vorhanden sind (Kontrolle, Entzug der Bewilligung usw.), unverzüglich einzugreifen, sobald sich Missbräuche zeigen, die unser Land in internationale Verwicklungen hineinziehen könnten. Das Militärdepartement ist aber der Meinung, dass eine, wie oben festgestellt wurde, im Mitbesitze eines fremden Staates stehende Waffenindustrie in unserem Lande durchaus unerwünscht ist und dass schon aus dieser grundsätzlichen Erwägung die Bewilligung nicht erteilt werden soll. Nur so wird von vorneherein eine klare Sachlage geschaffen. Das Militärdepartement glaubt auch, dass dieser Standpunkt in Würdigung unserer Neutralitätspolitik vom Ausland wird verstanden werden. Darüber hinaus ist es sicherlich auch klüger, den Schwierigkeiten, die wohl auch nach den Ausführungen des Politischen Departements aus dem Bestehen eines derartigen Unternehmens entstehen könnten, von vorneherein den Riegel zu schieben; das bedingt die Verhinderung jeder Fabrikation von Kriegsmaterial durch Unternehmen, die von fremden Regierungen abhangen. Ob im vorliegenden Fall eine bloss formelle Loslösung aus der beanstandeten Abhängigkeit ein Zurückkommen auf die Stellungnahme des Bundesrates ermöglichen könnte, mag vorläufig dahingestellt bleiben.
Die vorgeschlagene Verweigerung der Fabrikationsbewilligung wird sich volkswirtschaftlich ungünstig auswirken, sie ist aber in Kauf zu nehmen in der Meinung, dass höhere Interessen dieses Opfer nötig machen.
Antragsgemäss wird daher beschlossen :
Der Bundesrat erklärt sich mit der grundsätzlichen Stellungnahme des Militärdepartementes und daher mit der Ablehnung des von der Waffenfabrik Solothurn gestellten Fabrikationsgesuches einverstanden.


