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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 83
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#524* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 259 | |
Titre du dossier | Madrid, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 8 (1935–1938) |
dodis.ch/46343
Die Rückkehr auf meinen Posten erfolgte ohne jeden Zwischenfall, doch wurde die Fahrt durch Militärkontrollen und besonders durch lange Strecken sehr schlechter Strassen erheblich erschwert. Auch die internationale KontrollKommission bemühte sich in Le Perthus mehr als nötig um unsern Transport. Ein Vergleich zu meiner Reise durch das Weisse Spanien im Monat März ergibt, dass besonders die Strassen verhältnismässig dort viel besser sind als auf der roten Seite. Dort sieht man aber auffallend viel Männer und kriegsfähige Jungmannschaft in allen Dörfern und Städten, während die Felder weniger bebaut sind. Im Weissen Spanien war es umgekehrt. Während ich bei allen Tankstationen in Weiss-Spanien tanken konnte, stehen auf der roten Seite alle Tanksäulen ausnahmslos leer. Benzin ist nur auf umständliche Weise erhältlich. Im roten Spanien hungert man; besonders in den Städten. In Madrid darf man ruhig von Hungersnot reden. Im Weissen Spanien kaufte ich überall weisses Brot.
Barcelona war auffallend ruhig. Leere Barrikaden zeugten noch von den jüngsten blutigen Ereignissen. Das Konsulat hat sich in den Räumen der Schweizer-Schule sehr vornehm eingerichtet. Die Verteilung der Lebensmittel scheint mir musterhaft organisiert zu sein.
Ich besuchte den mir bereits bekannten Präsidenten Companys, zu dem man sich den Weg durch einen ganzen Kordon bewaffneter Prätorianer bahnen muss. Aus seiner Darlegung geht klar hervor, dass er rücksichtslos den Gedanken einer politisch-syndikalistischen Kollektivität verfolgt, die unter Betonung der regionalen, ökonomischen und sozialen Interessen zur Vereinigung des Proletariates führen soll. Einflüssen von aussen und spekulativen Einflüsterungen von Theoretikern und Propagandisten verschliesst er sein Ohr. Er händigte mir, mit einem prächtigen Blumenstrauss mit den katalanischen Farben für meine Frau, einen Geleitschein für die Weiterreise aus, der auf den Namen lautete: «Ministro de Suiza, camarada Carlos Egger.» In Valencia tauschte man ihn auf dem Staatsministerium mit der Bemerkung aus, sein Inhalt sei «verdaderamente curioso».
In Valencia hatte ich eine Unterredung mit dem neuen Minister des Äussern Giral. Sie drehte sich hauptsächlich um die bevorstehenden Verhandlungen in Genf. Die Ergebnisse werden für die innere spanische Politik entscheidend sein. Ich benutzte die Gelegenheit, um auf die endgültige Erledigung der Evakuierungsfrage zu drängen, musste aber feststellen, dass ein Minister des Innern zur Kriegszeit tagelang an den Fronten herumreist, ohne dass sein ihn vertretender Kollege die Ermächtigung zu der Unterschrift besitzt, die wir so dringlich benötigen.
Der General-Direktor des Staatsministeriums, Urena, gab unverholen seiner Genugtuung über meine Rückkehr nach Spanien Ausdruck, betonte aber, die Regierung sei in Valencia. Ich erwiderte, es dürfte wohl kaum möglich sein, eine Wohnung zu finden, wenn ich mit meiner Frau in der letzten Nacht auf unserer Konsularagentur habe biwakieren müssen, weil man vergeblich nach einer anderen Unterkunft gesucht habe. Er war verlegen entwaffnet.
Die neue Regierung Negrin ist zweifellos eine glückliche Zusammensetzung. Sie bedeutet einen merkbaren Ruck nach Rechts, wird aber gegen die Angriffe der Extremisten einen schweren Stand haben. Der Fall von Bilbao und eine Niederlage in Genf dürften zwangsmässig ihren Fall herbeiführen. Im «Radio-Madrid» höre ich bereits äusserst scharfe Angriffe und Verunglimpfungen der Regierung von Valencia.
In Barcelona und Valencia und, wie man mir sagt, auch in Madrid wird das Volk mit jedem Tag kriegsmüder. Die lange Dauer des Krieges und der Hunger zermürben die Geduld und die Begeisterung. In Barcelona wurde vor einigen Tagen das Gerücht über den Abschluss eines Waffenstillstandes verbreitet, man sagt durch die Regierung selbst, um durch diesen Versuchsballon die Atmosphäre der Volksempfindlichkeit festzustellen. Auf den Märkten habe man vor Freude die Körbe in die Luft geschleudert und auf den Strassen sei getanzt worden. Unter dem steten Donner der Geschütze ist die stumpfe Resignation in Madrid besonders sichtbar.
In Valencia und in Madrid hatte ich bereits Gelegenheit, mit den Vertretern des Intern. Roten Kreuzes Fühlung zu nehmen. Dr. Junod ist der bestimmten Auffassung, dass die Zahl der durch Francos Truppen ermordeten Zivilpersonen weit grösser sei als die der Roten. Die Falangisten seien genau so fanatisch und grausam wie die Anhänger der F.A.I., und wenn man weniger davon vernimmt, sei es, weil es sich bei ihnen meistens um die Abschlachtung ganzer Dorf- und Landbevölkerungen handelt, während die Exekutionsliste der Roten Namen aufweist, die man kennt und bei denen man aufhorcht und über die die Welt spricht. Die Zahl der Opfer und die Grausamkeiten seien aber auf beiden Seiten entsetzlich.
Die Einfahrt in Madrid geschah unter Einschlägen von Granaten, die nun auch in unsern bisher sichern Stadtteil fallen. Einen fast grösseren Eindruck (und das will doch etwas sagen) machten auf uns aber die Veränderungen in unserm Hause, das einer Karawanserei gleicht mit betrübenden Spuren früherer Einquartierungen. Im Garten sind Sand- Kartoffel- und Kohlensäcke aufgetürmt, die Salons sind von der Kanzlei belegt, in den ändern Zimmern schlafen Asylierte und Wächter, und zum wohnen können wir gerade über zwei Räume verfügen. Im Keller sind die Waren- und Verkaufsmagazine. Die übrigen Räume sind bis zur Diele vollgepropft mit Habseligkeiten unsrer Landsleute, vom Goyabild bis zur Bratenpfanne. Ich erwähne dies im Rahmen dieses Berichtes, weil Herr Walo van Greyerz2 jüngst noch in einem von Ihnen sicher auch beachteten Artikel «Bedenkliche Zustände in unsrer Diplomatie» zu schreiben wagte, die Landsleute in Madrid «müssten die schönen Möbel des Herrn Gesandten hüten». Das Gegenteil ist der Fall!
- 1
- Rapport politique: E 2300 Madrid, Archiv-Nr. 8.↩
- 2
- Note marginale de Motta: Dieser Herr von Greyerz!!↩
Tags
Guerre civile espagnole (1936–1939) République espagnole (1937–1938)