Language: German
31.10.1936 (Saturday)
Le Vorort de l’Union suisse du Commerce et de l’Industrie au Délégué du Conseil fédéral pour le Commerce extérieur, W. Stucki
Letter (L)
Selon le Vorort, il faut trouver des solutions différenciées pour les accords de clearing avec la Bulgarie, Roumanie, Yougoslavie et Turquie.

Classement thématique série 1848–1945:
IV. QUESTIONS FINANCIÈRES GÉNÉRALES
1. Investissements suisses à l’étranger et accords de clearing; problèmes de compétence entre DPF et DEP
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Printed in

Jean-Claude Favez et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 308

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Bern 1989

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Cover of DDS, 11

Repository

dodis.ch/46229
Le Vorort de l’Union suisse du Commerce et de l’Industrie1 au Délégué du Conseil fédéral pour le Commerce extérieur, W. Stucki
2

Wir erhielten Ihr Schreiben vom 30. Oktober3 betreffend die Clearingabkommen mit den Ost-Staaten und haben daraus ersehen, dass Sie in den wichtigsten Punkten, die in unserer Eingabe vom 24. Oktober4 enthalten sind, eine andere Auffassung haben. Aus Ihrem Schreiben ersehen wir vor allem, dass Sie das Clearingabkommen mit der Türkei zu kündigen beabsichtigen5, und schliessen daraus, dass wohl auch die übrigen Abkommen gekündigt werden sollen, obschon Sie sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäussert haben. Sie gestatten uns vielleicht angesichts dieser Ihrer abweichenden Stellungnahme nochmals eine kurze Begründung unserer eigenen Auffassung:

Hinsichtlich des Schicksals des bulgarischen Clearings6 kann ein Zweifel nicht bestehen, weil in diesem Fall der Beweis erbracht ist, dass auf dem Wege eines Clearings weder die Abtragung des Saldos noch das laufende Geschäft durchgeführt werden kann. Im Falle Jugoslawiens7 und Rumäniens8 sind wir grundsätzlich der Auffassung, dass darnach getrachtet werden sollte, den Clearingverkehr möglichst bald durch private Kompensationen zu ersetzen. In beiden Fällen erblikkten wir aber für den Übergang zum neuen System in den heute noch vorhandenen Saldi zu unsern Gunsten die grössten Schwierigkeiten und sind überzeugt, dass die Abtragung dieser Guthaben auf dem Wege des Clearings sich leichter erreichen lasse als durch private Kompensation. Je kleiner die ausstehenden Guthaben in einem Clearing sind, desto leichter und unbedenklicher ist der Übergang vom Clearing zum System der Privatkompensation. Nun haben wir aber in Jugoslawien heute noch die Aussenstände von nahezu 8 Mio. Fr., wovon 2,7 Mio. einbezahlt sind, und in Rumänien von rund 14 Mio. Fr. Wir glauben, dass in beiden Fällen der Übergang zur privaten Kompensation unter diesen Verhältnissen nur möglich wäre, wenn wir auf die Hereinbringung unserer Aussenstände auf lange Zeit oder zum Teil vielleicht überhaupt verzichten würden. Eine solche Verantwortung könnte aber der Vorort nicht auf sich nehmen. Würde diesen beiden Ländern gegenüber schon heute zur privaten Kompensation übergegangen, so müsste, wenn die Gefährdung der Aussenstände vermieden werden soll, für jedes Land ein wichtiger Stapelartikel (für Jugoslawien Getreide, eventuell Holz, und für Rumänien flüssige Brennstoffe) für die Abtragung der alten Guthaben reserviert und damit der privaten Kompensation entzogen werden. Nun ist es aber leider eine notorische Tatsache, dass die Balkanstaaten ausgerechnet diese Artikel nicht dazu geben, um alte Schulden abzutragen, sondern nur für neue Geschäfte. Wir geben zu, dass durch die Privatkompensation die Zahlung von Überpreisen für den Staat dahinfällt. Diese Überpreise können aber nur für die neuen Exporte übernommen werden, sodass der Übergang zum neuen System auch aus diesem Grunde gleichbedeutend ist mit einem Verzicht auf die Hereinbringung der Aussenstände.

Das sind, nochmals kurz zusammengefasst, die Gründe, die uns zwingend zu sein scheinen. Dabei bitten wir Sie, Herr Minister, nochmals versichert zu sein, dass wir, nicht weniger als Sie, eine möglichst rasche Liquidation der Clearingabkommen mit Jugoslawien und Rumänien begrüssen würden. Diese Einstellung hindert uns aber nicht, die grossen Bedenken, die einer Liquidation unter den heutigen Verhältnissen im Wege stehen, zu würdigen. Wenn wir somit zum Schlüsse gelangen, dass, unter den heutigen Voraussetzungen, eine sofortige Ersetzung des Clearings durch das System privater Kompensationen für Jugoslawien und Rumänien nicht in Frage kommen kann, vermögen wir aber auch keinen Grund dafür zu ersehen, warum unsererseits diese Clearing gekündigt werden sollen. Damit wird das gesamte Vertrags Verhältnis neu zur Diskussion gestellt und dem Vertragsgegner die Gelegenheit geboten, mit neuen Forderungen an uns heranzutreten. Es ist uns bis jetzt noch nie begegnet, dass die Schweiz durch neue Verhandlungen ihre Situation zu verbessern vermochte, und wir sind überzeugt, nachdem wir selbst im Fall einer Kündigung unsererseits mit diesen Ländern doch wieder ein Clearingabkommen abschliessen müssen, dass die Kündigung nur dazu dienen wird, uns zu neuen Konzessionen dem Vertragsgegner gegenüber zu zwingen. Dagegen hätten Besprechungen ohne formelle Kündigung, die sich nur auf ganz bestimmte Punkte bezogen hätten, den Vorteil, dass nicht das gesamte Vertrags Verhältnis zur Diskussion gestellt würde, ohne die Schweiz damit der Möglichkeit zu berauben, schliesslich doch noch zur Kündigung zu schreiten. Im Falle Rumäniens hätte die Kündigung erst am 30. November auf Ende des Jahres zu erfolgen, ebenso im Falle Jugoslawiens. Der Monat November würde jedenfalls noch zur Verfügung stehen, um mit beiden Ländern ohne formelle Kündigung die entstehenden Differenzen zu bereinigen.

Was den Fall der Türkei9 betrifft, so müssen v/ir Ihnen gestehen, dass uns dieser Entschluss, den Clearing zu kündigen, sehr überrascht. Wir sind uns vollkommen bewusst, dass im Falle der Türkei das laufende Geschäft leider ohnehin mehr oder weniger als erledigt zu betrachten ist, abgesehen von der Abwicklung einiger noch auf längere Frist laufende Lieferungen der Maschinenindustrie. Würde man hier zum System der Privatkompensation übergehen, so wäre es wahrscheinlich um die Hereinbringung unseres Saldos von annähernd 7 Mio. Fr. für immer geschehen. Es könnte sich noch ein sehr bescheidenes neues Geschäft durchführen lassen, aber an eine Hereinbringung des Saldos auf dem Wege der Privatkompensation ist unmöglich zu denken. Wenn somit die Hereinbringung des Saldos die Hauptsache ist, so ist nicht ersichtlich, wie diese Hereinbringung durch eine Kündigung des Clearings erleichtert werden sollte, nachdem wir ja in unserm eigenen Interesse nach vollzogener Kündigung doch wieder ein neues Clearingabkommen eingehen müssten, welchen Anlass die Türkei sicherlich dazu benützen würde, um uns die in allen ihren Abkommen übliche freie Devisenspitze von 40% aufzunötigen und dazu wohl auch noch die Finanzverpflichtungen, die sie bis jetzt aus der freien Spitze bestritten hat, ebenfalls noch in den Clearing einzubeziehen. Wie Sie sich erinnern werden, hat der Vorort im Herbst 1935 einen Vorstoss im Sinn einer Kündigung gemacht in der Meinung, den Anlass zu benutzen, um die Spitze von 30 auf 20% herabzusetzen. Auf dringendes Anraten der Schweizerischen Gesandtschaft in Istanbul wird man im Hinblick auf die soeben angedeuteten Möglichkeiten von einer Kündigung Umgang genommen. Nach unserer vollendeten Überzeugung hätte im Verkehr mit der Türkei eine Kündigung nur dann einen Sinn, wenn wir heute den Clearing durch ein anderes Verrechnungssystem ersetzen könnten. Das ist aber aus den angedeuteten Gründen sozusagen unmöglich, ganz abgesehen davon, dass der türkische Clearing seinerzeit auf das ausdrückliche Verlangen der türkischen Regierung abgeschlossen werden musste und dass es heute noch die anerkannte Politik der Türkei ist, ihren Zahlungsverkehr mit dem Ausland auf dem Wege von Clearingabkommen zu regeln. Eine formelle Kündigung unsererseits hätte somit lediglich zur Folge, dass wir uns einer viel schwierigeren Verhandlungssituation gegenüber befinden würden. Wir möchten Sie dringend bitten, von einem solchen Schritt abzusehen. [...]

1
Lettre signée par le vice-président, E. Wetter, et par le 1er secrétaire, O. Hulftegger.
2
(Copie): E 7110 1967/32, International 900. Clearing mit den Ost-Staaten.
3
Non retrouvé.
4
Non reproduit.
5
Cf. no 306.
6
Cf. no 306, n. 2.
7
Cf. no 306, n. 4.
8
Cf. rubrique II.22.1: Roumanie, relations commerciales et accord de clearing.
9
Cf. rubrique 11.24.1: Turquie, accords de commerce et de clearing.