Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ETATS
II.2 ALLEMAGNE
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-II, Dok. 31
volume linkBern 1984
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#103* | |
Dossiertitel | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 20 (1919–1919) |
dodis.ch/44242
Le Chef de la Section des Renseignements de l’Etat-major général de l’Armée suisse, K. Iselin, au Département politique1
LAGE IN DEUTSCHLAND
Von einer absolut einwandfreien und zuverlässigen Persönlichkeit, die namentlich die Verhältnisse in Süddeutschland genau kennt, erhalten wir folgende Mitteilungen über die Lage:
«Wenn auch gegenwärtig in Deutschland ziemlich Ruhe herrscht und man annehmen könnte, dass die innere Lage anfange sich zu stabilisieren, so sind wir immer noch weit davon entfernt, mit Zutrauen und Hoffnungen in die Zukunft zu blicken.
Der Kommunismus macht in Deutschland nicht nur gewaltige Reklame, sondern namentlich gewaltige Fortschritte. Täglich rekrutiert er eine grosse Anzahl neuer Anhänger, die zu allem entschlossen sind, denn schlechter als jetzt kann es ihnen nicht mehr gehen. Wir rechnen auf den Herbst oder anfangs Winter mit aller Bestimmtheit auf eine neue revolutionäre Offensive, die bedeutend gefährlicher und umfangreicher sein wird als die bisherigen Putsche. Ob sie durch einen allgemeinen Generalstreik eingeleitet wird, oder ob irgendwelche nicht befriedigte politische Forderungen als Grund angegeben werden, hat weiter keine Bedeutung. Wir werden allerdings dieser Bewegung Meister werden, aber es wird viel Blut kosten und es ist fraglich, ob diese Sache auf Deutschland beschränkt bleiben wird.
Die Gründe zu dieser Ausbreitung der kommunistischen Idee sind verschiedene:
1. Die gewaltige Kohlennot in allen Industriegebieten. Täglich müssen Betriebe wegen Kohlenmangel geschlossen oder eine grössere Anzahl Arbeiter entlassen werden. Die finanzkräftigen Betriebe beschäftigen ihre Leute so gut es geht, nur um sie nicht durch Entlassung in die Hände der Kommunisten zu treiben. Es gibt Fabriken, die seit Wochen Maschinen zusammensetzen, wieder demontieren und wieder montieren!
2. Die Hungersnot. Der Nährzustand der armen Bevölkerung ist unbeschreiblich. Täglich sterben in den Städten Leute Hungers. Die Untersuchungen über den Gesundheitszustand in den Schulen haben furchtbare Resultate ergeben. Das Aussehen unserer Jugend ist bejammernswert. Unsere Volkskraft ist auf Jahrzehnte vernichtet.
3. Die Eisenbahnnot. Die Transportverhältnisse sind unter aller Beschreibung. An den wenigen Orten, wo noch Rohmaterialien vorhanden sind, ist man nicht in der Lage, dieselben nach den Industriezentren zu befördern wegen dem Mangel an Rollmaterial und wegen der ewigen Streike.
Die grösste Gefahr jedoch, der wir heute gegenüberstehen, ist die, dass wir riskieren, dass die Bauern zu den Revolutionären übergehen und zwar infolge der furchtbaren landwirtschaftlichen Bedingungen des Friedensvertrages. Die Abgabe von Vieh und Mutterstuten an die Entente ist für unsere Landwirtschaft von so einschneidender Bedeutung, dass wir nicht glauben, dass wir die Bauern dazu bringen, diese Tiere abzuliefern. Es wird zu eigentlichen Aufständen kommen, was natürlich den Kommunisten sehr willkommen ist, und wir müssen riskieren, dass schliesslich die Bauern mit den Revolutionären gemeinsame Sache gegen die Regierung machen.
Ein weiterer Punkt, der uns viel Mühe macht, sind die Universitäten.Dort sind die intellektuellen Führer der Revolution zu finden. Dieser Gefahr treten wir dadurch entgegen, dass wir für den nächsten Winter alle deutschen Universitäten für alle Ausländer (mit wenigen Ausnahmen wie Schweiz etc.) schliessen. (Diese Ausländer werden dann voraussichtlich versuchen, an die Schweizer Universitäten zu kommen. Caveant Consules!).
Die Propaganda der Kommunisten ist ausserordentlich geschickt. Es ist festgestellt, dass durch die französische Okkupationsarmee viel Propaganda nach Frankreich gelangt. Zwischen deutschen Kommunisten und französischen Posten findet ein reger Verkehr statt.»
- 1
- E 2300 Berlin, Archiv-Nr. 20/2. Rens no 22.280. Distribution: Generalstabschef, Generalstabschef i.V., Operationssektion, S.M.D., Polit. Departement (Auswärtiges), Kdo. Bewachungstruppe, Kdo. Grenzdet. Nordostschweiz.↩
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