Classement thématique série 1848–1945:
IV. LES RELATIONS ÉCONOMIQUES ET FINANCIÈRES AVEC LES PUISSANCES ALLIÉES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 22
volume linkBern 1984
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7350#1000/1104#4* | |
Dossier title | Frankreich (1914–1918) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/44233 Aide-Mémoire du Département de l'Economie publique1 2 RÉSUMÉ ÜBER DEN GEGENWÄRTIGEN STAND UNSERER WIRTSCHAFTLICHEN BEZIEHUNGEN ZU FRANKREICH
1. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich sind geregelt einerseits durch die Handelsübereinkunft vom 20. Oktober 1906 und andererseits durch das Wirtschaftsabkommen vom 25. März 1919.3 In der Handelsübereinkunft, die von Frankreich auf den 10. September 1919 gekündigt wurde und die also bis zu diesem Zeitpunkte noch voll in Kraft ist, sind die Zollansätze festgelegt. Eine Änderung derselben ist nach den Bestimmungen des Vertrages nur möglich vermittelst zwölfmonatlicher Voranzeige.
Das Abkommen vom 25. März 1919 setzt unter anderm die Kontingente der schweizerischen Waren fest, welche in Frankreich eingeführt werden können. Der Abschluss dieser Vereinbarung erfolgte selbstverständlich in der Voraussetzung, dass die im Handelsvertrag festgelegten Zollansätze keine Veränderung erleiden.
2. Durch das Dekret vom 13. Juni 1919 wurden die französischen Einfuhrverbote für die meisten Waren aufgehoben. Die französische Regierung behielt sie indessen gerade für diejenigen Artikel bei, an deren Einfuhr in Frankreich die Schweiz das grösste Interesse hat: Uhren, Bijouterien, Textilwaren aller Art.
Gleichzeitig aber, durch Dekret vom 14. Juni, führte Frankreich auf allen Waren Zollzuschläge ein4, die auf dem Warenwerte berechnet wurden und teilweise zu Zöllen führten, welche das zehn- und mehrfache der bisherigen betrugen. Für gewisse schweizerische Exportartikel wirkten diese Zölle direkt prohibitiv. Die Zollerhöhungen stellen natürlich eine schwere Verletzung des Handelsvertrages von 1906 dar und gleichzeitig auch eine Verletzung des Abkommens vom 25. März 1919, letzteres insofern, als die Ausnützung der Einfuhrkontingente für die Waren, die noch dem Einfuhrverbot unterstellt blieben, durch die Zollerhöhungen erschwert oder verunmöglicht wurde. Der Bundesrat hat bei der französischen Regierung gegen dieses Vorgehen protestiert.
3. Die Dekrete vom 13. und 14. Juni sind nunmehr ersetzt worden durch zwei neue Dekrete vom 7. und 8. Juli, welche sofort nach ihrer Publikation in Kraft traten. Das erstgenannte Dekret hebt alle Einfuhrverbote, soweit sie noch bestanden, auf, mit Ausnahme gewisser Lebensmittel. Das zweite Dekret ersetzt die Surtaxes ad valorem durch Wertvermehrungskoeffizienten, welche im Maximum die Zahl 3 betragen können. Auf Grund dieses neuen Dekretes werden also die im Handelsvertrag von 1906 festgelegten spezifischen Zölle durch Multiplikation mit den Wertsteigerungskoeffizienten erhöht; sie können im schlimmsten Fall das Dreifache des Vertragszolles erreichen.
Die Dekrete vom 7. und 8. Juli beseitigen, bzw. mildern, die schlimmsten Übelstände, welche durch die Dekrete vom 13. und 14. Juni hervorgerufen worden waren.
Es ist selbstverständlich nicht zu bestreiten, dass die von Frankreich dekretierten Zollerhöhungen an sich nicht ohne innere Berechtigung sind, indem die früheren Zollansätze im Hinblick auf die Steigerung des Warenwertes nicht mehr die ursprüngliche Wirkung hatten, sowohl in protektionistischer als in fiskalischer Beziehung.
Trotzdem müssen wir gegen diese Zollerhöhungen energisch Stellung nehmen. Die französische Regierung hat sich über unsern Handelsvertrag einfach hinweggesetzt, ungeachtet unseres Protestes; sie hat die Wertsteigerungskoeffizienten einseitig, ohne mit uns in Verbindung zu treten, nach ihrem Gutdünken festgelegt und dadurch die schweizerische Exportindustrie, welche auf den Handelsvertrag vertraute, plötzlich vor ein fait accompli gestellt. Der Wertsteigerungskoeffizient für die Stickereien wurde z.B. auf 3 festgesetzt, für die meisten Maschinen auf 2,8 – 3, für fertige Uhren auf 1,5 etc. Darüber, ob diese Koeffizienten überall der tatsächlichen Wertsteigerung entsprechen, kann man in guten Treuen verschiedener Ansicht sein. Auf jeden Fall bringt das neue Regime eine wesentliche Erschwerung für unsern Export nach Frankreich. Dies trifft in ganz besonderm Masse zu in den Fällen, wo es sich um alte Bestellungen handelt, die unter der Voraussetzung erteilt und übernommen wurden, dass die vertraglichen Zollansätze Anwendung finden. Die Ausführung dieser Bestellungen stösst nun auf grosse Schwierigkeiten und gibt zu zahlreichen Reklamationen und Beschwerden seitens der schweizerischen Exporteure und der französischen Importeure Anlass. Man hatte zum mindesten erwarten dürfen, dass die französische Regierung für die Einführung der neuen Zollansätze eine gewisse Übergangsfrist, bzw. gewisse Übergangsbestimmungen, vorgesehen hätte. Sie hat das indessen nicht getan.
4. Bekanntlich hat Frankreich während des Krieges die Einfuhr und den Transit von Waren verboten, welche mehr als 5% «feindliches» Material oder feindliche Arbeit enthalten. Wir hatten als selbstverständlich angenommen, dass mit der Aufhebung der Blockade und der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen der Entente und Deutschland diese Bestimmung dahinfalle. Merkwürdigerweise ist die französische Regierung anderer Auffassung. Sie wendet die erwähnten einschränkenden Vorschriften heute noch an, und zwar nicht nur für die Einfuhr in Frankreich, sondern sogar für den Transit. Dies hat zur Folge, dass die schweizerische Industrie, besonders die Maschinenindustrie, nach wie vor in ihrem Export nach und durch Frankreich ausserordentlich gehindert ist. Die Aufhebung der Einfuhrverbote hat für uns auch aus diesem Grunde – abgesehen von den Zollerhöhungen – nur beschränkten Wert. Frankreich sollte die Bestimmungen betreffend die 5% feindliches Material unbedingt fallen lassen.
5. Die schlimmste Bedrohung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich bildet das Projekt des Duc de la Trémoille.5 Es stösst nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Frankreich selber, mit Recht auf die schärfste Opposition, sowohl wegen der ganzen Tendenz, die darin zum Ausdruck kommt, als auch wegen der einzelnen Bestimmungen, die in vielen Fällen, technisch und wirtschaftlich betrachtet, undurchführbar und für die Schweiz vollständig unannehmbar sind. Der Gesetzesentwurf ist von der französischen Deputiertenkammer diskussionslos angenommen worden, während der Senat sich damit noch nicht befasst hat. Wir haben durch Vermittlung unserer Gesandtschaft in Paris gegen dieses Gesetzesprojekt Einsprache erhoben.6
Art. 1 des Entwurfes sieht vor, dass die Einfuhr und Durchfuhr von Waren, die eine Fabrik- oder Handelsmarke tragen, nur unter der Bedingung gestattet ist, dass die Ware die genaue und vollständige Bezeichnung des Landes, in welchem sie erzeugt wurde, in französischer Sprache trage. Dabei wird verlangt, dass diese Bezeichnung mit der Fabrik- oder Handelsmarke ein Ganzes bilde und aus Buchstaben von der nämlichen Art, Ausdehnung und Sichtbarkeit bestehe. Für viele schweizerische Exportartikel ist nun das Anbringen einer solchen Bezeichnung aus technischen Gründen nicht oder nur mit grossen Schwierigkeiten und Kosten möglich, weil auf dem Artikel kein Platz dafür vorhanden ist und man, um diesen zu schaffen, den ganzen Fabrikationsprozess ändern müsste (z.B. Giessereiprodukte und andere Erzeugnisse der Metallindustrie). Solche Waren würden also von der Einfuhr in Frankreich und vom Transit durch dieses Land einfach ausgeschlossen.
Die Art. 2 bis 4 handeln von den Ursprungszeugnissen. In der Schweiz hatte man damit gerechnet, dass mit der Aufhebung der Blockade die inquisitorische Kontrolle, welche Frankreich während des Krieges und unter Berufung auf die durch den Krieg [bedingten Zustände] ausgeübt hat, aufhöre und man in bezug auf den Ursprungsnachweis wieder zu normalen Verhältnissen zurückkehren werde, d.h. zur Anerkennung der von den schweizerischen Handelskammern ausgestellten Ursprungszeugnisse. Man hätte dies umso eher annehmen dürfen, als die Zuverlässigkeit der schweizerischen Ursprungszeugnisse durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen (Bundesratsbeschluss vom 30. Aug. 1918 und Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 30. Sept. 1918) noch wesentlich erhöht worden ist.
Statt dessen soll nun, nach dem Gesetzesvorschlag, die Tätigkeit ausländischer Organe zur Überwachung des schweizerischen Wirtschaftslebens noch ausgebaut, verschärft und gewissermassen zur ständigen Einrichtung erhoben werden. Während bisher die französischen Konsulate frei waren in der Visierung von Ursprungszeugnissen, wäre in Zukunft das Gutachten der den Konsuln beigegebenen französischen Kommissionen allein massgebend, und die schweizerische Industrie müsste es sich gefallen lassen, dass diese Kommissionen ihre Betriebe inspizieren und in ihre Handels- und Fabrikationsgeheimnisse eindringen. Das ist unannehmbar. Dazu kommt, dass die Vorschriften betreffend Ursprungszeugnisse nach dem Gesetzesentwurf nur Anwendung finden sollen auf die Länder des europäischen Kontinentes, während z.B. England und Amerika dieser Bedingung nicht unterstellt werden, sofern sie Gegenrecht halten (Art. 3 Ziff. 1).
Nach Art. 3 Ziff. 2 des Dekretes können die Ursprungszeugnisse ersetzt [werden] durch Kollektivmarken, die von der französischen Regierung genehmigt sind. Diese Bestimmung, welche auf den ersten Blick als eine wesentliche Erleichterung erscheint, hat auch ihre schwerwiegenden Nachteile. Auch in der Schweiz bestand eine Zeitlang die Meinung, dass man mit einer schweizerischen Nationalmarke eine wirksame Ursprungskontrolle allgemein durchführen könne. Die Erfahrung zeigte indessen, dass dies nicht der Fall ist, d.h., dieses System lässt sich eben nur anwenden auf Artikel, bei welchen eine zuverlässige, beweiskräftige Herkunftsmarke leicht angebracht werden kann. In der ganzen Textilindustrie z.B. ist die Anbringung einer solchen Marke technisch kaum möglich, weil es sich hier nicht um einzelne unteilbare Stücke handelt. Die Ware erleidet im Verlaufe des Fabrikationsprozesses mancherlei Umwandlungen, wird zerschnitten usw., so dass die Marke nicht mehr zur Geltung kommen kann. Auch bei der Uhrenindustrie und ändern Industriezweigen bestehen grosse technische Schwierigkeiten.
Auch da, wo technisch die Möglichkeit der Anbringung einer Marke vorhanden wäre, bestehen Bedenken gegen dieses System. Es führt zu einer differenziellen Behandlung zuungunsten derjenigen Firmen, die aus diesem oder jenem Grunde der für die Führung der Handelsmarke gebildeten Vereinigung nicht angehören und birgt natürlich auch die Gefahr in sich, dass die Vereinigungen, welche für ihre Marken die Anerkennung einer fremden Regierung anstreben, sich von der letzteren gewisse Bedingungen diktieren lassen, deren Annahme nicht im allgemeinen Landesinteresse liegt und von welchen die Behörden vielleicht nicht einmal Kenntnis erhalten. Auf jeden Fall liegt unter Umständen auch in diesem System eine gewisse Gefährdung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Landes.
Die weitern Bestimmungen des Gesetzesentwurfes erschweren namentlich den Veredlungsverkehr und führen ebenfalls zu bedenklichen Konsequenzen.
6. Was die Einfuhr aus Frankreich nach der Schweiz anbetrifft, so bestehen, nachdem nun durch das Dekret vom 12. Juli 1919 die meisten Ausfuhrverbote beseitigt worden sind, keine besondern Schwierigkeiten mehr, abgesehen von der in Frankreich herrschenden Transportkrisis.
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Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)