Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 445
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#465* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 223 | |
Dossier title | London, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 13 (1919–1919) |
dodis.ch/44190
In der Unterredung, die ich letzten Mittwoch, den 11. I.M., mit Lord Curzon hatte, wurden folgende Punkte berührt:
1.) A nschluss Österreichs an Deutschland. Ich hatte Gelegenheit, einen Teil der Angaben zu verwerten, die mir das Ihrer Depesche vom 27. v.M., lll.My.3, angebogen gewesene Memorandum brachte. Ich bemerkte, wie vorteilhaft es für die verbündeten und verassociierten Regierungen wäre, wenn sie, durch eine Milderung ihrer finanziellen Friedensbedingungen, die Partei, die gegen den Anschluss an Deutschland ist, stärken und das Land zu einer politischen und volkswirtschaftlichen Anlehnung an die Entente-Staaten veranlassen würden. Die Rückäusserungen Lord Curzon’s erweckten leider in mir den Eindruck, dass die Verbündeten den psychologischen Augenblick zu einem wirksamen Eingreifen verpassen werden, was für uns um so gefährlicher ist, als sie den mit so überwältigender Mehrheit kundgegebenen Wunsch des Vorarlbergs, der Schweiz einverleibt zu werden, scheinen ausser Acht lassen zu wollen;
2.) Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund. Ihr Telegramm Nr. 92 gab mir Veranlassung, Lord Curzon zu fragen, wie sich die britische Regierung zur Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund verhalte. Lord Curzon antwortete, sie erachte, es läge im wohlverstandenen Interesse der Verbündeten selbst, dass diese Aufnahme beförderlichst erfolge, wenn möglich sofort nach Unterzeichnung des Friedensvertrags. Ein dahingehender Antrag sei von Grossbritannien der Pariser-Konferenz unterbreitet; diese aber habe noch keine Entscheidung getroffen. In der englischen Presse sprachen sich namentlich der «Observer» und die «Westminster Gazette» in dem gleichen Sinn einer möglichst baldigen Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund aus. Ich lege den betreffenden Artikel der «Westminster Gazette» vom 12.1. M. bei;
3.) Lord Curzon hält es für ausgeschlossen, dass es mit der deutschen Delegation, wie sie es gewünscht hätte, noch in letzter Stunde, zu mündlichen Unterhandlungen komme. Er meint nach wie vor, Deutschland werde den Friedensvertrag in der etwas abgeänderten Form unterzeichnen, aber nicht durch ihre gegenwärtige Delegation, sondern durch eine später zu bezeichnende.
Da Mr. Lloyd George in klarer Einsicht der wirklichen Interessen der Verbündeten ein gewisses Entgegenkommen den deutschen Wünschen gegenüber befürwortet hatte, ist er der Gegenstand massloser Angriffe in einem Teil der französischen Presse geworden. Diese Kritiken haben nicht dazu beigetragen, die Beziehungen der britischen und französischen Regierung freundlicher und inniger zu gestalten. Der in solcher Vollständigkeit ganz unerhoffte Sieg über den Feind scheint den Franzosen in den Kopf gestiegen zu sein, was sie namentlich für uns nicht zu angenehmen Nachbaren machen wird. Der Druck, den Frankreichauf die Schweiz bei jeder Gelegenheit auszuüben versuchen wird, dürfte nicht behaglicher sein als der, der zeitweise von dem übermächtigen, aber weniger büreaukratischen und anpassungsfähigeren Deutschland, ausging. Und dabei hatten wir in Frankreich ein gewisses Gegengewicht, das wir nun, in der nächsten Zukunft, in dem geschwächten Deutschland, Frankreich gegenüber nicht finden werden. Es ist daher für uns notwendig, die Freundschaft Grossbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika zu pflegen, um ungerechtfertigten Ansprüchen Frankreichs wirksamer entgegentreten zu können.
Auch seitens der Vereinigten Staaten von Amerikasind Hiebe gegen Grossbritannien gefallen. In ihrem Feldzug gegen den Wilson’schen Völkerbund haben die republikanischen Senatoren der Vereinigten Staaten erklärt, der Völkerbund diene den Interessen Grossbritanniens, im Gegensatz zu denen der Vereinigten Staaten. Das britische Reich verfüge im Völkerbund über sechs Stimmen, während die Vereinigten Staaten nur eine hätten. Hiebei wird übersehen, dass für jeden wichtigen Beschluss des Völkerbunds Einstimmigkeit erforderlich ist, und dass dieser Grundsatz der Einstimmigkeit von England mit Widerstreben gerade deshalb angenommen wurde, um den Vereinigten Staaten die Monroe-Doktrin zu gewährleisten. In den Reden der Senatoren sind auch Anspielungen auf die irische Frage gemacht worden, die hier, als einen wunden Punkt betreffend, besonders schmerzlich empfunden wurden. [...]4
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