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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 7-I, doc. 157
volume linkBern 1979
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#11370* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 03.02.-07.02.1919 (1919–1919) |
dodis.ch/43902 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 3 février 19191 429. Sozialistenkongress
Procès-verbal de la séance du 3 février 19191
In seiner Sitzung vom 17. Januar hat der Bundesrat beschlossen, den sich zum Internationalen Sozialistenkongress einfindenden Delegierten und Journalisten einen 14tägigen Aufenthalt zu bewilligen.2
Der Kongress musste infolge verschiedener Umstände zunächst vom 20. Januar auf den 27. gleichen Monats und alsdann auf den 3. Februar verschoben werden. Die Erkundigungen, welche über die einzelnen Kongressteilnehmer eingezogen werden mussten, bevor das politische Departement die zuständigen schweizerischen Vertretungen zum Visieren der Pässe ermächtigen konnte, waren mit den allgemeinen Verkehrsschwierigkeiten mitverantwortlich für die eingetretene Verzögerung. In der Hauptsache ist dieselbe jedoch wohl auf ungenügende Organisation von Seiten des Kongresskomitees und mangelnde Orientierung der Teilnehmer zurückzuführen. Auch scheint der Kontakt mit den schweizerischen Sozialisten, denen naturgemäss die Vorbereitungen in der Schweiz zufielen, gefehlt zu haben. Letztere haben sich bis zum heutigen Tage noch nicht entschlossen, ob sie an der Konferenz überhaupt teilnehmen wollen. Die Vorverhandlungen, welche inzwischen bereits stattgefunden haben, und die Listen der einreisenden Teilnehmer lassen jedoch schon jetzt erkennen, dass die Internationale Sozialistenkonferenz in zwei koordinierte Kongresse zerfällt: Gewerkschaftlicher Kongress und politischer Kongress.
Das Ziel des Gewerkschaftskongresses, ursprünglich war überhaupt nur ein solcher vorgesehen, scheint zu sein, eine Magna Charta der zukünftigen internationalen Arbeitsgesetzgebung festzulegen. Henderson hofft beispielsweise, dass sich aus den Beratungen als eines der wichtigsten Resultate die Festsetzung eines Existenzminimums für Arbeiter ergebe.
Der politische Kongress wird sich mit der Völkerliga, Abrüstung und mit dem Krieg im Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Fragen befassen, wie AusSchaltung des Wirtschaftskrieges, Schadenersatz etc. Mit letzterem in enger Beziehung steht die Schuldfrage. Branting hat sich bereits mit Bestimmtheit gegenüber einem französischen Interviewer namens Veran dahin geäussert, dass diese in den Debatten zur Sprache kommen soll; auch Huysmans hält dieselbe für unumgänglich. Weiterhin scheint sich der Kongress auch mit territorialen Problemen befassen zu wollen. Besondere Delegationen wünschen eigens nur zu diesem Zwecke herzukommen; bereits haben sich Indier aus München und Leipzig zum Kongresse gemeldet; weiterhin beabsichtigt aus Deutschland eine Delegation nach Bern zu reisen, um für die Autonomie Elsass-Lothringens einzutreten; die Zionisten gedenken ebenfalls ihre Wünsche persönlich zur Geltung zu bringen. Soll auch diesen Kategorien die Einreise gestattet werden, falls sie Sozialisten sind, oder selbst wenn sie keiner sozialistischen Organisation angehören? Wenn wir auch letzteren den Zutritt gestatten, bieten wir damit die Möglichkeit, dass sich die Sozialistenkonferenz, die sich mit denselben Fragen wie die Friedenskonferenz in Paris befassen und demnach von grösster Bedeutung sein wird, zu einer zweiten Friedenskonferenz auswächst. Es muss alsdann mit der Eventualität gerechnet werden, dass uns daraus später ein Vorwurf gemacht werden könnte.
Die vorstehenden Ausführungen lassen mit Sicherheit darauf schliessen, dass der Kongress nicht schon nach dem vorgesehenen 14tägigen Termin beendigt sein kann. Die Kongressleitung selbst rechnet mit einer längeren Dauer; wie man hört, sucht sie Stenographen für eine Tätigkeit von mehr als einem Monat. Es entsteht somit die Frage, ob gegebenenfalls eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die vom Bundesrate bestimmte Frist von 14 Tagen bewilligt werden soll. Politische und technische Momente sind dabei in Erwägung zu ziehen.
Innenpolitisch dürfte der Kongress unserem Lande eher zum Vorteile gereichen, da er in der Mehrheit nicht von extremen revolutionären Sozialisten besucht ist und somit mässigend auf unsere sozialistischen Kreise wirkt; dies ist wohl mit ein Grund, weshalb sich Platten und Konsorten sträuben, am Kongresse teilzunehmen. Immerhin darf nicht vergessen werden, dass ganz extreme Sozialisten wie Haase, ein intimer Freund des bolschewistischen Botschafters Joffe, in Bern eingetroffen sind und wir keine Sicherheit haben, dass diese Leute ihren Aufenthalt nicht auch zu revolutionären Intrigen in der Schweiz benützen. Eine zuverlässige Kontrolle über fragliche Kongressteilnehmer dürfte namentlich in einer grösseren Stadt wie Bern kaum möglich sein.
Aussenpolitisch scheint sich für unser Land folgende Situation zu ergeben:
Gelangt der Berner Kongress zu praktischen Resultaten und zu nützlichem Einfluss auf die Friedenskonferenz, so gereicht es unserem Lande zur Ehre, ihm das Gastrecht gewährt zu haben, und dürfte er in der Folge auch für uns fruchtbar sein. Anderseits ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der Sozialistenkongress mit der Friedenskonferenz ganz oder teilweise in Widerspruch gerät und seine Tagung der letzteren, oder einzelnen der daran teilnehmenden Staaten unerwünscht erscheint. Dies könnte zur Folge haben, dass von uns verlangt würde, allen oder einzelnen Kongressteilnehmern die weitere Aufenthaltsbewilligung zu entziehen. Es würde sich aus einer derartigen Forderung für unser Land aussen- und innenpolitisch eine heikle Lage ergeben. Über Nutzen und Schaden des Kongresses im allgemeinen, und insbesondere im Hinblick auf die Schweiz, lässt sich heute noch kein Urteil fällen. Jedenfalls ist aber schon jetzt seine internationale Bedeutung so gross, dass es zurzeit angezeigt erscheint, dessen Weitertagung nicht zu unterbinden.
Aus diesem Grunde wäre die Aufenthaltsbewilligung der Kongressteilnehmer zu verlängern, jedoch um nicht mehr als jeweilen 14 Tage.
Nach gewalteter Beratung und nachdem das politische Departement den in Ziffer 3 verlangten Nachweis der Rückreisemöglichkeit fallen gelassen, wird beschlossen:
1. Der Kongress wird auf Zusehen hin noch weiter gestattet.
2. Das Einreisevisum wird nur zwecks Teilnahme an dem Sozialistenkongress gewährt.
3. Von der Fremdenpolizei ist den Kongressteilnehmern die Aufenthaltsbewilligung bis auf weiteres jeweilen um 14 Tage zu verlängern.
4. Das politische Departement ist mit der Verständigung des Kongresssekretariates von der unter 3) aufgeführten Bestimmung betraut.
- 1
- E 1004 1/270. Etait absent: F. Calonder.↩
- 2
- Cf. E 1004 1/270, no 164; voir aussi documents nos 90, 93.↩
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