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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 7-I, doc. 114
volume linkBern 1979
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E21#1000/131#10556* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 21(-)1000/131 352 | |
Titre du dossier | Bericht Büro Süd-Tessin des Armeestabes über irridentistische Umtriebe im Tessin (1919–1919) | |
Référence archives | 06.2.6 |
dodis.ch/43859
Anlässlich des November-Streiks, der zeitlich mit den im Tessin abgehaltenen Siegesfeiern zusammenfiel, wurde vielfach betont, dass sowohl die Tessiner Truppe als [auch dieJ Bevölkerung einen hohen Grad patriotischer Gesinnung an den Tag gelegt habe. Dem oberflächlichen Beobachter musste sich die Überzeugung aufdrängen, dass in der Tat der viel erwähnte Irredentismus im Tessin in das Reich der Fabel zu verweisen sei, denn gerade das Zusammentreffen der Siegesfeier einerseits und die treue geschlossene Pflichterfüllung von Truppen und Bevölkerung anderseits hätte den Beweis des Nichtvorhandenseins italienischer Infiltration zur Evidenz geleistet. Ein Grossteil der tessinischen Bevölkerung dürfte auch weiterhin diesem Wahn verfallen bleiben und in angestammter latenter Mentalität der hier sich vollziehenden gefährlichen Machenschaften der italienischen Organe und italienfreundlichen Personen und Körperschaften gegenüberstehen.
Der kleinere Teil der tessinischen Bevölkerung, der wirklich noch patriotisch gesinnt ist, hat nicht ohne Besorgnis dem nichtneutralen Treiben dieser fremden und verirrten einheimischen Elemente zugesehen. Die kühler Zusehenden haben auch erkannt, dass die vaterländische Novemberbewegung eigentlich dem deutschen Bolschewismus galt und andere Früchte gezeitigt hätte, sofern es sich um die verkehrte Front gehandelt haben würde.
Mittlerweile sind hinsichtlich der Gefahr aus dem Norden oder Osten hier ruhigere Verhältnisse eingetreten. Um so kräftiger hat die Agitation für Italien auf verbreiterter Basis eingesetzt und treibt in den jüngsten Tagen herrliche Blüten. Zu den führenden Elementen gehört in erster Linie das Konsulat mit seinen Verzweigungen Pro Patria etc. etc., dann eine Anzahl ital. Professoren am hiesigen Lyceum, mit Francesco Chiesa an der Spitze, die Amici délia Francia, Nat.-Rat Bossi und zahlreiche andere Redaktoren im Dienste der in ital. Händen sich befindlichen Lokalpresse. In Conferenzen, Versammlungen, durch die Presse, kurz gesagt, mit allen Mitteln wird dem engern Anschluss nach unten das Wort gesprochen. Die Jugend wird systematisch unsern Traditionen entfremdet und ergeht sich in Verherrlichungen der Nachbarnation. Wie weit diese Verseuchung durch die Arbeit des Rektor Francesco Chiesa gedeihen konnte haben wir im Resultat des «Congresso goliardico ticinese», der jüngster Tage hier stattfand, erleben können. Als Kraftproben legen wir Ihnen einen Ausschnitt aus der «Gazzetta Ticinese» sowie Copie eines öffentl. angeschlagenen Plakates bei.
Bei dieser Sachlage muss es uns nicht in’s Staunen versetzen, wenn auch von jenseits der Grenze Ermunterungen zum engern Zusammenschluss in mehr oder weniger verschleierter Form auftauchen.
Hiervon legt u.a. ein Artikel der in Mailand erscheinenden «Perseveranza», die wir ebenfalls beifügen, Zeugnis ab.
Gegenüber dieser systematischen Wühlarbeit ist die gute tessinische Presse sozusagen machtlos und nicht ohne Bedenken muss jeder gute Schweizer den künftigen Verhältnissen im Tessin entgegensehen.
Tags
Irrédentisme au Tessin (1876–1942)
Italie (Politique) Mouvement communiste Grève générale (1918)