Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 450
volume linkBern 1981
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7350#1000/1104#27* | |
Old classification | CH-BAR E 7350(-)1000/1104 25 | |
Dossier title | Washington (1914–1918) | |
File reference archive | 2.1 |
dodis.ch/43725 La Division des Affaires étrangères du Département politique à la Légation de Suisse à Washington 1
Delegierter War Trade Board hat folgende Note übermittelt: Amerika sei bereit, Abkommen bis Ende Oktober zu verlängern unter entsprechender Ausdehnung der Kontingente. Dagegen betrachte die amerikanische Regierung ihre Ver pflichtung zu weiterer Stellung von Schiffen für Transporte von Brotgetreide mit 30. September für dahingefallen. Man werde indessen auch weiterhin die Verschiffung für die Schweiz bestimmter Waren auf neutralen Schiffen fördern, welche von der Schweiz gechartert würden. W.T.B. habe im Frühling von schweizerischer Gesandtschaft Mitteilung erhalten, dass die Versendung von 30 Tonnen monatlich vom Zeitpunkt jener Mitteilung ab genüge und dass die Schweiz angesichts der neuen Ernte keine Nachlieferung des bis 30. September nicht gelieferten Restes gegenüber den versprochenen 240000 Tonnen verlange.
Die Vereinigten Staaten hätten seither regelmässig diese 30000 Tonnen geliefert und bis 30. September über 200000 Tonnen verschifft. Um aber der Schweiz ihr Wohlwollen auch weiterhin zu beweisen, seien die Vereinigten Staaten bereit, von jetzt ab einen Dampfer regelmässig im Dienst zu halten.
Dieser Erklärung gegenüber bemerken wir folgendes:
Minister Sulzer bestreitet entschieden die Richtigkeit der ihm zugeschobenen Mitteilung. Seine damalige Abmachung mit McCormick ging dahin, dass für die Monate April, Mai und Juni ein Minimum von je 30000 Tonnen geliefert werde, wobei W.T. B. spätere vermehrte Verschiffungen in Aussicht stellen zu können glaubte angesichts erwarteter Besserung Tonnage-Situation. Minister Sulzer erkundigte sich vor Abreise hierüber, erhielt aber Bescheid, dass bis auf weiteres vermehrte Lieferung unmöglich. Von einem Verzicht auf die bis Ende September nicht gelieferten Mengen war von keiner Seite je die Rede. Wir verstehen nicht, dass die Vereinigten Staaten uns wieder auf Charterung neutraler Schiffe verweist, nachdem den Regierungen der Entente und der Vereinigten Staaten aus den schwebenden Tonnage-Verhandlungen bekannt ist, dass neutrale Schiffe für Schweiz überhaupt nicht mehr verfügbar, da auch Spanien sämtliche Schiffe für sich beansprucht. Die Lage der Schweiz bezüglich Schiffsraum ist heute geradezu alarmierend. Laut neuesten Berichten aus London will Entente mit endgültigen Entscheidung dieser Frage bis nach Verhandlungen mit Washington zuwarten. Letztere können erst Anfang November beginnen, da wegen Schiffsverspätung Minister Sulzer nicht wie erwartet Mitte Oktober, sondern erst Ende Oktober dort eintreffen kann. Wir müssen deshalb um so bestimmter damit rechnen können, dass uns Amerika auch weiterhin Schiffe liefert und nicht plötzlich ein völliger Unterbruch entsteht, der später schwer wieder eingeholt werden kann. Wir bitten, bei der amerikanischen Regierung in diesem Sinne vorstellig zu werden. Da auf «Espagne» kein Platz verfügbar, erfolgt Abreise Sulzer-Rappard erst 19. Oktober.
Soeben trifft Ihr Kabel 72
ein, worauf wir anschliessend antworten:
Gehen mit Ihren Angaben Total-Lieferung Brotgetreide der Vereinigten Staaten per 30. September mit 144892 Tonnen einig. Inbegriffen ist Dampfer «Westkonk», der vom amerikanischen Consul in Bordeaux übernommen wird und uns nachgeliefert werden muss. Während Vertragsperiode haben wir keinerlei Brotgetreide von anderer Seite bezogen. Wir haben einzig von Südamerika 7900 Tonnen Mais erhalten, die wir jedoch schon im April letzten Jahres daselbst gekauft haben, die jedoch nicht auf Kontingent Brotgetreide gehen und nicht einmal sechs Prozent unseres Maiskontingentes ausmachen.
Unsere Ernte würde Bedarf für drei Monate decken bei absolut ungenügender Brotration, welche kleiner als die deutsche ist. Ausserdem ist Kartoffelversorgung bis Sommer 1919 ungenügend wegen Kartoffelernte-Ausfall von 25 Prozent gegen Vorjahr und Ausbleiben anderweitiger früher grosser Zufuhr. Beiläufig beträgt Schweizer Konsumenten-Kartoffelration nur 250 Gramm per Tag gegenüber 400 Gramm in Deutschland.
Milchration in Mitte Winter unter halbem Liter und Käse per Tag dauernd nur 8 Gramm sowie Fett nur 15 Gramm per Tag geben klare Einsicht in die vollständig ungenügende Verpflegung der breiten Massen, namentlich der Arbeiter.
Aus dieser täglich gefährlicher werdenden Situation können nur folgende Massnahmen retten:
Erstens Erhöhung der Brotabgabe um ein Drittel. Zweitens, als Ersatz für fehlende Kartoffeln, Verwendung eines wesentlichen Teiles der Inlandgetreideernte in Form von Mehlspeisen und Teigwaren, erhöhte Einfuhr von Mais.
Diese Massnahmen erfordern von jetzt ab ununterbrochene monatliche Einfuhr von 40000 Tonnen Brotgetreide, 12000 Tonnen Mais, ferner 8000 Tonnen Hafer zur Aufrechterhaltung des Pferdebestandes für Armee und Landwirtschaft.
Minister Sulzer wird dieses Programm noch mündlich begründen. Wir bitten aber amerikanische Regierung schon jetzt auf schwere Konsequenzen aufmerksam zu machen, welche aus Verlangsamung oder gar Unterbruch der regelmässigen Zufuhren entstehen müssen. Bitten Depesche bestätigen.