Language: German
7.9.1916 (Thursday)
Proposition du Chef du Département politique, A. Hoffmann
Verständigung mit Deutschland betreffend Warenaustausch
Proposal (P) • very confidential
Rapport sur l’accord économique conclu entre l’Allemagne et la Suisse.
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Printed in

Jacques Freymond et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 212

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Bern 1981

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dodis.ch/43487
CONSEIL FÉDÉRAL
Proposition du Chef du Département politique, A. Hoffmann1

Verständigung mit Deutschland betreffend Warenaustausch

Streng vertraulich

Wir beehren uns, Ihnen beigelegt die Vorlagen zu einer Verständigung betreffend den Ausfuhrverkehr mit Deutschland zu unterbreiten, wie sie aus den Verhandlungen der beidseitigen Delegierten hervorgegangen sind.

Wir bemerken zur Erläuterung folgendes:

1. Die Grundlage der Verständigung bildet ein Abkommen2,

laut welchem beiderseits Ausfuhrbewilligungen für eigene Produkte und Fabrikate erteilt werden, soweit die Waren nicht durch eigene zwingende Landesbedürfnisse oder durch bestehende vertragliche Verpflichtungen in Anspruch genommen werden. Unter den «bestehenden vertraglichen Verpflichtungen» sind unsere Bindungen gegenüber den Entente-Staaten auf Grund der S.S.S.-Vorschriften verstanden. Wir können also zu nichts verpflichtet werden, was uns in Widerspruch mit diesen Vorschriften setzt. Leitendes Prinzip ist somit: jeder der beiden Staaten gibt das und soviel davon, als er kann und darf.

Von den von Deutschland zu liefernden Waren werden in diesem für die Veröffentlichung bestimmten Abkommen zwei Kategorien, Kohlen und Eisen, besonders erwähnt. Die Kohlen sind uns in einer Quantität von 253000 Tonnen monatlich und in den in Anlage 5 aufgeführten Qualitäten zu liefern. Es soll noch versucht werden, statt der vorgesehenen 10000 Tonnen Braunkohlenbriketts 12000 zu erhalten. Die Bedarfszusammenstellung ist das Resultat von Verhandlungen mit den verschiedenen Interessentengruppen.

Eisen und Stahl ist uns in den zur Deckung des schweizerischen Bedarfs erforderlichen Mengen zugesichert, und zwar werden diese von einer zu gründenden schweizerischen Zentralstelle für Metalle, deren Statuten und Geschäftsreglement3 in Anlagen 6 und 7 aufgeführt sind, ermittelt und von dieser Zentralstelle die Verteilung besorgt.

In § 3 ist, und zwar auf schweizerischen Vorschlag, ein Sicherheitsventil geöffnet für den Fall, dass, wie es in der Vergangenheit geschehen, durch militärisches Dazwischentreten oder aus ändern Gründen die Sendungen deutscher Waren verzögert oder diese zurückgehalten werden sollten. In einem solchen Falle werden wir von Rechts wegen entsprechende Massnahmen treffen können, ohne dass deswegen der Vorwurf der Repressalie oder des Vertragsbruches erhoben werden könnte.

In § 4 ist die Frage erledigt, die die grössten Schwierigkeiten geboten hat: die Behandlung der für deutsche Rechnung in der Schweiz lagernden Bannwaren. Bekanntlich ist in der deutschen Note vom 8. Juni l.J.3 deren Herausgabe verlangt worden und haben wir uns ohne Erfolg bemüht, in Paris die gänzliche oder teilweise Freigabe dieser Lager zu erwirken. Die deutsche Regierung hat nicht ausdrücklich auf das Begehren um Ausfuhrbewilligung verzichtet, und sie hat, um ihren Rückzug zu decken, alle Anstrengungen gemacht, wenigstens die Fortdauer der Verhandlungen über diesen Punkt zu behaupten. Wir haben das abgelehnt und uns darauf beschränkt, eine möglichst schonende Form für die Verweigerung der Ausfuhrbewilligungen zu wählen und im übrigen auf die Beschlagnahme, Requisition oder Expropriation dieser Waren zu verzichten, sowie zu erklären, dass sie bei endgültiger Einstellung der Feindseligkeiten ohne eine besondere Gegenleistung herausgegeben werden.

§ 5 hängt mit der wichtigen Frage zusammen, welche Bedingungen an die Verwendung der eingeführten deutschen Waren geknüpft werden. Im allgemeinen steht Deutschland auf dem Standpunkt, dass sie nicht zu «Kriegsmaterial» verwendet oder als solches ausgeführt werden dürfen. Was nun aber «Kriegsmaterial» ist, war bisher sehr schwierig zu entscheiden und wurde von Fall zu Fall von den deutschen Organen sehr willkürlich bestimmt. Die Entscheidung wird nun einer schweizerischen Ausfuhrkommission übertragen, deren Zusammensetzung und Funktionen in Anlagen 3 und 4 umschrieben werden. Die Kommission ist die genaue Parallele der für aus oder durch Entente-Länder eingeführte Waren rücksichtlich der Ausfuhr nach den Zentralmächten eingesetzten, aus je einem Vertreter der Handelsabteilung, des Volkswirtschaftsdepartements und des Kompensationsbureaus und zwei Vertretern der S.S.S. gebildeten Ausfuhrkommission. Wir verweisen dabei auf die Umschreibung des Begriffs «Kriegsmaterial» in Anlage 3 Ziffer 1 und auf den wichtigen Grundsatz in Ziffer 8 daselbst, wonach mit Ausnahme von Waffen, Munition, Munitionsbestandteilen, Pulver und Sprengstoffe die Benützung deutscher Kohlen zur Herstellung der Produkte kein Grund ist, die Wiederausfuhr Letzterer nach den Entente-Staaten zu untersagen. Damit wird den Missbräuchen, die zur Zeit mit deutschen «schwarzen Listen» getrieben werden, entgegengetreten. Dass die schweizerischen Betriebe, die für die Entente Waffen, Munition, Pulver oder Sprengstoffe fabrizieren, das nicht mit deutscher Kohle tun dürfen, daran wird niemand Anstoss nehmen können.

In § 6 werden die früheren Absprachen aufgehoben und uns gleichzeitig für die in der Note vom 8. Juni l.J. geltend gemachte Kompensationsschuld von I6 1/2 Millionen, welche Schuld durch Vorleistungen Deutschlands, hauptsächlich auch für Heeresbedürfnisse entstanden war, per Saldo quittiert.

Nach § 7 ist das ganze Abkommen gültig bis 1. April 1917 abgeschlossen. Es ist verstanden, dass es auf 1. August rückbezogen werden soll, so dass also die für August entfallende Kohlenrate tunlichst nachgeliefert werden soll.

Es ist vorgesehen, dass dieses «Abkommen über den Ausfuhrverkehr» veröffentlicht werden soll; ebenso wird der Inhalt von Anlage 3, «Zusammensetzung und Funktionen der Kommission für Ausfuhr von Kriegsmaterial», in der Hauptsache veröffentlicht werden können.

2. Strikte konfidentiell hat dagegen die Note4zu bleiben, durch welche einzelne Bestimmungen des Abkommens näher präzisiert und ausgeführt werden, ebenso die Anlagen, auf welche in dieser Note verwiesen wird. Es gilt dies namentlich von den beidseits zugesicherten Warenmengen, die aus inner- und ausserpolitischen Gründen nicht in die Öffentlichkeit dringen dürfen.

Wir bemerken über diese Note und die zugehörigen Anlagen folgendes:

a) In Anlagen 1 und 2 werden die Mengen der wichtigsten Waren angegeben, deren Lieferung beidseitig zugesichert wird.

Unserseits handelt es sich in der Hauptsache um Agrarprodukte, deren Ausfuhr dem Volkswirtschaftsdepartement untersteht; die Mengen sind unter genauesten Berechnungen des Inlandkonsums und der Produktionsfähigkeit festgestellt worden.

Zum Kapitel Heeresbedarf bemerken wir, dass zunächst der sog. laufende Heeresbedarf im Betrage von Fr. 1 730000 zuzüglich 4000 Tonnen Walzstahl und 1700 Tonnen Pressstahl im Werte von Fr. 2 700000 laut Liste I freigegeben wurde, sodann wurde die Lieferung des von der Kriegstechnischen Abteilung weiter verlangten Kriegsmaterials im Betrage von Fr.7198000 zuzüglich weiterer 36000 Schuss Munition laut Liste II zugesagt, und endlich ist in den Verhandlungen auch die Lieferung von 36 weiteren Haubitzen samt zugehöriger Munition laut Liste III grundsätzlich in Aussicht gestellt worden, sobald einmal die gegenwärtig überaus dringenden anderweitigen Bedürfnisse des Deutschen Reiches und seiner Bundesgenossen befriedigt sein werden.

b) In Ziffer 3 der Note wird vorgesehen, dass die Schweiz die Ausfuhr von Schrott (Alteisen) nur insoweit zulassen wird, als hierüber eine Verständigung mit der Kaiserlichem Gesandtschaft erzielt wird. Diese Bestimmung geht zu weit, wenn unter «Schrott» nicht nur das bei der Verarbeitung des Eisens abfallende Eisen, sondern Alteisen in jeder Form und ohne Rücksicht auf die Provenienz und den Zeitpunkt der Einfuhr in die Schweiz (vor oder nach dem Kriege) verstanden wird. Damit wäre uns der Export jeglichen Alteisens nach Italien verunmöglicht, während wir durch das italienische Austauschabkommen vom 7. Mai 1915 gehalten sind, solches nach Italien auszuführen.

In diesem Punkte muss also bei der Genehmigung des Abkommens unsererseits ein Vorbehalt gemacht werden.

c) In Ziffer 5 haben wir vorgesehen, dass für Keks, Zwieback, Kinder- und Suppenmehl ausschliesslich Mehle schweizerischer Provenienz verwendet werden. Es ist aber möglich, dass man uns trotzdem von seiten der Entente Schwierigkeiten machen oder das Kontingent kürzen könnte. Für diesen Fall müssen wir die Lieferung dieser Artikel einstellen können, ohne dass Deutschland deswegen Gegenmassregeln treffen dürfte.

d) In Ziffer 10 und dem zugehörigen Sonderabkommen über Hüttenaluminium, Aluminiumlegierungen und Produkte des elektrischen Ofens sowie elektrische Energie verpflichtet sich der Bundesrat:

1. Zur Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für Hüttenaluminium, das mit deutschem Rohmaterial von Neuhausen und Gebr. Giulini hergestellt wird, wogegen bis 20% für den eignen Bedarf zurückgehalten werden können,

2. zur analogen Regelung der Ausfuhr von Silico- und Ferro-Aluminium.

3. zur Reservierung von Karbid und aller sonstigen Produkte des elektrischen Ofens, die von einem in Anlage 8 aufgeführten Konsortium von Privatfirmen erzeugt werden, wogegen bis zu 20% für eigenen Bedarf und für Luxemburg zurückgehalten werden können;

4. zum Schutze der laufenden Verträge über Ausfuhr elektrischer Energie nach Deutschland und allfälliger weiterer im Rahmen der derzeitig bestehenden gesetzlichen Vorschriften zu Stande kommender privater Verträge.

e) Voraussetzung für das Zustandekommen der Verständigung ist eine Vereinbarung mit schweizerischen Banken über eine Kreditbewilligung von 50 Millionen Franken an deutsche Banken, mit Rückdiskontierung der schweizerischen Nationalbank. Hierüber haben Verhandlungen mit der Generaldirektion und dem Ausschuss der Nationalbank stattgefunden, und erstere hat am 1. ds.Mts. beschlossen, den bereits auf Grund einer Verständigung mit französischen Bankinstituten den schweizerischen Banken gewährten Diskontokredit für fremde Tratten, die zur Bezahlung in der Schweiz getätigter Warenkäufe Verwendung finden sollen, von 50 Millionen auf 100 Millionen zu erhöhen.

f) In Ziffer 12 wird eine Vereinbarung zwischen der badischen Staatsbahn und den Bundesbahnen Vorbehalten, zufolge welcher aus deutschem Besitz das zum Schmieren von Lokomotiven und Wagen erforderliche Öl verwendet werden kann, das notwendig ist für den Transport von Eisen und Kohlen aus zu bestimmenden Zentralpunkten nach der Schweiz und die entsprechenden Leerzüge.

g) In Ziffer 14 wurde eine Garantie dafür geschaffen, dass nicht, wie es in Deutschland wiederholt geschehen, seitens der Behörden ohne jede Voranzeige und ohne Respektierung der abgeschlossenen Verträge in die Preisabreden der privaten Verkäufer eingegriffen werden darf.

Die übrigen Bestimmungen dieses Anhanges zum Abkommen, der Gegenstand des Notenwechsels bilden würde, scheinen uns einer näheren Erklärung nicht zu bedürfen.

Wir erachten die Verständigung im allgemeinen als befriedigend. Mit dem System der Einzelaufrechnungen wird gebrochen; jeder der beiden Kontrahenten gibt, was er entbehren kann, wobei freilich für die wichtigsten Warenkategorien bestimmte Quantitäten in Aussicht genommen werden. Es darf erwartet werden, dass bei legaler Durchführung ohne allzu drückende Opfer unsererseits eine wesentliche Erleichterung der Volksernährung, eine ausreichende Befriedigung der Bedürfnisse unserer Landwirtschaft sowie von Industrie und Gewerbe und eine befriedigende Deckung des Heeresbedarfs bis zum 1. April nächsten Jahres möglich sein werden. Wir sind dabei auf unsere eigenen Füsse gestellt und es werden uns keine Zumutungen gemacht, die mit den gegenüber der Entente eingegangenen Verpflichtungen im Widerspruch stehen. Endlich werden wir auch von einer sehr bedeutenden Kompensationsschuld befreit, die zum mindesten vom moralischen Standpunkte aus lästig und nicht unbedenklich war.

Wir stellen den Antrag, der Bundesrat möge grundsätzlich der vorgeschlagenen Verständigung mit der deutschen Regierung die Genehmigung erteilen, unter gleichzeitiger Ermächtigung der zuständigen Departemente, bezüglich einzelner Detailpunkte Vorbehalte geltend zu machen5.

1
E 1001 1/EPD 1916.
2
Reproduit en annexe.
3
Non reproduit. Cf. E 2001 (B) 1, 93. 3, Cf. rf 186.
4
Non reproduit. Cf. EVD KW Zentrale 1914-1918/5 + 6.
5
Cette proposition a été acceptée par le Conseil fédéral dans sa séance du 29 septembre 1916. Cf. E 1004 1, 263, no 2071.