Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 6, Dok. 165
volume linkBern 1981
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E5330-01#1000/894#3778* | |
Dossiertitel | Egli Karl 1865, Von Wattenwyl Moritz 1867, Verbotener Nachrichtendienst (Oberstenaffäre) (1916–1916) | |
Aktenzeichen Archiv | 98/1916/133 |
dodis.ch/43440
Ich habe in Erfahrung gebracht, dass sich auf heute nachmittag eine Deputation des Grossen Rates von Waadt, Genf und Neuenburg bei Ihnen gemeldet hat, um bei Ihnen vorstellig zu werden betreffend der Angelegenheit mit den Obersten Egli und von Wattenwyl. Ich glaube, diese Herren und ihre Hintermänner sind sich nicht ganz klar bewusst der Bedeutung, welche ihr Vorgehen dieser Angelegenheit geben kann. Die Angelegenheit ist von mir so erledigt worden, wie ich nach meiner Sachkunde und meinem Gewissen als die rechte erachtet habe und wofür ich nach Niederlegung meines Kommandos, aber vorher nicht, die volle Verantwortung vor dem hohen Bundesrat und, wenn es sein muss, vor der hohen Bundesversammlung tragen will. Im übrigen habe ich von der von mir getroffenen Erledigung sofort den damaligen Herrn Bundespräsidenten Motta, den Chef des Politischen Departements, Herrn Bundesrat Hoffmann, und später auch Sie, der damals krankheitshalber abwesend war, unterrichtet. Sie alle drei haben mir ihre Billigung ausgesprochen, was natürlich für mich von sehr grossem Wert war. Ich habe der Angelegenheit die von mir getroffene Erledigung gegeben, weil ich diese aus allen Gründen nicht bloss als die geeignetste, sondern als die einzig im Interesse unseres Landes liegende erachtete. Ich habe die Herren, die sich keines Verbrechens oder schweren Vergehens schuldig gemacht haben, sondern nur grober Taktlosigkeit, die keinerlei nachteilige Folgen weder für unser Land noch für irgendeinen unserer Nachbarstaaten haben konnte, aus dem Armeestab entfernt. Damit ist das Übel geheilt und jeder Wiederholung radikal vorgebeugt worden. Im übrigen habe ich strenge Weisung gegeben, dass der seit ewigen Zeiten bestehende intime Verkehr mit den fremden Militärattaches und deren damit zusammenhängender freier Zutritt zu den Arbeitszimmern der Abteilungschefs des Generalstabes aufhört.
Im übrigen glaube ich mir im ganzen Schweizerland, im französisch sprechenden Teil desselben ganz gleich und vielleicht noch mehr als im deutschsprechenden, das Vertrauen erworben zu haben, dass ich unbefangen und unparteiisch, im wahren Sinne des Wortes neutral gegenüber allen unseren Nachbarn handle, dass kein einziger darauf rechnen darf, von mir besonders begünstigt zu werden, und keiner befürchten muss, dass ich irgendwie gegen ihn etwas unternehme.
Was können die Herren denn bezüglich dieser Vorkommnisse noch wollen? Man hat mir gesagt, man sei im Welschland nicht damit zufrieden, dass die Herren aus dem Generalstab wegversetzt worden sind, man erwarte oder verlange deren gänzliche Beseitigung aus der Armee. Hierüber zu entscheiden, bin ich ganz alleine kompetent, und ich bemerke bezüglich dieses Verlangens, dass ich in der Versetzung aus dem Generalstab hinaus in die Front eine genügend harte Bestrafung dieser Herren für ihre Unklugheit erblicke. Im übrigen würde ich auch eine weitere Bestrafung in dem hier vorliegenden Falle niemals ausgesprochen haben. Dasjenige, was hier in diesem Falle notwendig war, ist, dass die ganze Angelegenheit möglichst unbemerkt und auf eine Art erledigt wird, die berechtigt zu sagen, dass nichts Schlimmes vorgefallen ist, ja sogar die Möglichkeit gewährt zu sagen: die Herren sind aus dem Generalstab der Armee wegversetzt worden, weil eine Auffrischung desselben geboten war. Jede andere Erledigung als die von mir getroffene hätte gemeinen und bösartigen Cancans Tür und Tor geöffnet, und das ist dasjenige, was den Herren, die in Deputationen bei Ihnen, Herr Bundespräsident, erscheinen, zum Bewusstsein gebracht werden muss. Mag hier Schlimmes, oder, wie ich sage, mehr oder weniger ganz Harmloses vorgekommen sein, so bleibt sich ganz gleich, dass einfache Bürgerpflicht ist, die Sache totzuschweigen. Von ihr sprechen, oder auf irgendeine andere Art sie in die Öffentlichkeit zerren, hat in erster Linie zur Folge, dass das Vertrauen des Volkes in seine Behörden und ganz besonders in die Leitung der Armee erschüttert wird; und die andere Folge ist, dass unsere Beziehungen zu unsern Nachbarn dadurch gestört werden. Das ist der ausschlaggebende Gesichtspunkt, von dem aus diese Sache angesehen und behandelt werden muss. Aber - und das ist das Unglück unseres Landes - wir sehen diese Dinge vom Standpunkt unserer persönlichen Sympathie an. Frankreich kann jenen Herren, welche die Deputation an Sie abgeordnet haben, dankbar sein, aber die Schweiz nur dann, wenn die Herren der Deputation sich zu meiner Anschauung der Dinge bekehren. Das, was die Herren Obersten Egli und von Wattenwyl getan haben, ist etwas, das nicht Vorkommen sollte; das sei rückhaltlos anerkannt. Aber die ganze schlimme Bedeutung bekommt die Sache erst dann, wenn sie von uns zu einer «cause célèbre» gemacht wird.
Ich glaube, die Herren können von mir wissen, dass ich mich niemals zu irgendeiner Parteilichkeit zugunsten irgendeines unserer Nachbarn werde hinreissen lassen, aber ich glaube, ebensogut können sie von mir wissen, das ich niemals die geringste Pression auf mich ausüben lasse.
Ich wiederhole, Herr Bundespräsident, meine dringende Bitte, zu verhindern, dass Unverstand aus dem, was Unverstand von ändern begangen hat, ein schweres Unheil für unser Land herbeiführt.
- 1
- Lettre: E 5330 1/466.↩
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