Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 106
volume linkBern 1981
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| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1501#3257* | |
| Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1501 92b | |
| Dossier title | Errichtung der SSS, II und III (1914–1916) | |
| File reference archive | C.21.11.4 |
dodis.ch/43381
Im Anschluss an meine Schreiben vom 27. Februar2 und 9. März und meine Telegramme vom 13., 23. und 26. l.M. beehre ich mich mitzuteilen, dass ich heute morgen eine zweite Besprechung mit Sir FrancisOppenheimer hatte. Leider hatte er mir zu erklären, es sei ihm unmöglich, morgen schon, wie er es vorhatte, nach Bern zu reisen. Dagegen hoffe er des bestimmtesten, in den ersten Tagen nächster Woche fortkommen zu können, allerdings via Paris, wo er ein paar Tage sich aufhalten müsse, um mit den zuständigen französischen Beamten über unsere Verhältnisse zu konferieren, so dass sein Aufenthalt in Paris für die Verhandlungen in Bern förderlich sein werde, nachdem die britische Regierung wünsche, in der Regelung dieser Angelegenheit im Einvernehmen mit Frankreich vorzugehen.
Schon bei seinem ersten Besuche bei mir, am 23. I.M., hatte Oppenheimer bemerkt, die britische Regierung halte die Konstituierung von einzelnen Bezugssyndikaten nicht für genügend, um die nötige Garantie zu geben. Er habe gegen Spezial-Syndikate nichts einzuwenden, was aber verlangt werden müsse, sei die Errichtung eines allgemeinen, diese einzelnen Syndikate kontrollierenden Organs, das er sich aus Vertretern schweizerischer, vom Ausland absolut unabhängiger Banken gebildet denke. Auf seine Frage, ob ich solche Banken in der Schweiz kenne, wies ich auf die Schweizerische Nationalbank und die Kantonalbanken hin, von denen fast alle Staatsinstitute seien, daher nicht einmal von ihren Aktionären abhängig; die Kantonalbanken seien auch am besten in der Lage, über die kommerziellen und industriellen Bedürfnisse der Kantone, wo sie ihren Sitz hätten, Auskunft zu geben. Auf diesen Gedanken Sir Francis’ wies ich in meinem chiffrierten Telegramm vom 23. l.M. hin.
Oppenheimer, der den Entwurf der Statuten der «Genossenschaft für Schweizerische Metalleinfuhr»3 studiert hat, bemerkte unter anderm, dass die Strafbestimmungen gegen solche Firmen, die das Ausfuhrverbot übertreten würden, viel schärfer sein müssten, um der britischen Regierung die nötige Sicherheit zu bieten. Der niederländische Trust sehe viel schwerere Penalitäten vor und funktioniere zur vollständigsten Zufriedenstellung der englischen Regierung. Was in den Niederlanden möglich gewesen sei, dürfte auch in der Schweiz, bei gegenseitigem guten Willen, zu erreichen sein.
Wir sprachen auch von den schweizerischen Ausfuhrsverboten, und Oppenheimer verlangte, wir sollen uns verpflichten, von erteilten Ausfuhrsbewilligungen der britischen Regierung Anzeige zu machen. Ich erklärte des bestimmtesten, von der Übernahme einer solchen Verpflichtung könne offiziell nicht die Rede sein. Er solle sich nur das Gegenstück vergegenwärtigen: Welche Aufnahme seitens der britischen Regierung mein Gesuch fände, sie solle uns Mitteilung der Ausfuhrsbewilligungen machen, die sie zu erteilen für gut finde. Ich fügte jedoch bei, dass es vielleicht möglich sein werde, in ausser-offizieller Weise einen Ausweg zu finden, z.B. durch Inanspruchnahme gewisser Organe des zu gründenden Trustes, wie es in den Niederlanden geschieht, wo die Regierung sich auch nicht in dem gewünschten Sinn verpflichten wollte und konnte. Ich erinnere bei diesem Anlasse überhaupt daran, dass die niederländische Regierung als solche den Verhandlungen fernblieb und sich darauf beschränkte, zu bezeugen, dass die Mitglieder des Trustes vertrauenswürdige Leute seien.
Ich benutzte die Gelegenheit, um Sir F. Oppenheimer auf alle unsere Schwierigkeiten betreffend Einschiffung von Gütern in den Vereinigten Staaten und anderswo aufmerksam zu machen; er bemerkte, dass sobald bekannt sei, dass alle an den Schweizerischen Trust zu adressierenden Waren von Grossbritannien nicht beanstandet würden, alle Gesellschaften ohne weiteres so adressierte Waren annehmen würden; was mich zu der Erwiderung veranlasste, er sehe also, wie dringend es sei, die Verhandlungen in Bern endlich aufzunehmen und möglichst rasch zu einem erspriesslichen Ende zu bringen.
Sie werden in Sir F. Oppenheimer einen ausserordentlich jüdisch aussehenden Herrn finden, der aber ausserordentlich intelligent und geschäftsgewandt ist. Nebst englisch spricht er sehr geläufig französisch und deutsch, was ihm in den Verhandlungen mit den schweizerischen Interessenten sehr zustatten kommen wird. Sir Francis spricht seine Meinung hie und da etwas scharf aus, ist aber im Grund konzilianter Natur, was mir im Haag lobend bestätigt wurde, und ich glaube, er geht mit dem festen Vorsatz nach Bern, die Verhandlungen, wenn immer wie möglich, zu einem für beide Teile befriedigenden Abschluss zu bringen.
Es dürfte gut sein, wenn Sie ihm, in Bestätigung dessen, was ich ihm ausführte, von Anfang an auseinandersetzen wollten, dass es sich für uns nicht darum handelt, in die Lage versetzt zu werden, aus den kriegerischen Verwicklungen der Anderen ökonomische Vorteile zu erzielen, sondern nur darum, unsere so schwer geprüfte Industrie und unsern so sehr geschädigten Handel in ihren legitimen Interessen so weit als möglich zu schützen, damit sie in diesen schweren Zeiten nicht zu Grunde gehen und unsere Arbeiter wenigstens teilweise weiter ihr Brot verdienen können und nicht auf die Strasse gesetzt werden müssen. Aus gewissen seiner Andeutungen glaubte ich nämlich zu entnehmen, dass er sich ein falsches Bild unserer gegenwärtigen Bestrebungen auf dem ökonomischen Gebiete mache.
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Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)


