Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 98
volume linkBern 1981
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1501#3257* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1501 92b | |
Dossier title | Errichtung der SSS, II und III (1914–1916) | |
File reference archive | C.21.11.4 |
dodis.ch/43373
In der französisch-englischen Kollektivnote vom 14. Januar laufenden Jahres2, die wir Ihnen in einer Kopie beilegen, wird ausgeführt, dass für den Fall, als der Bundesrat kein absolutes Verbot der Ausfuhr der eingeführten Rohstoffe nach dem feindlichen Ausland erlassen könnte, die französische resp. englische Regierung sich auch mit ernsthaften Garantien zufriedenstellen würde, die von Einzelfirmen oder Syndikaten gegeben würden, deren gute Treue und Honorabilität vom Bundesrat zu garantieren wäre.
Unser Bestreben ging nun zunächst dahin, ein Syndikat für die Einfuhr von Metallen und Kautschuk zu gründen, einmal deshalb, weil, wie Sie der Note entnehmen, für diese von den beiden Regierungen ein absolutes Ausfuhrverbot, mit Ausschluss jeder ausnahmsweisen bundesrätlichen Ausfuhrbewilligung, beansprucht wird und sodann deshalb, weil sich der Einfuhr dieser Artikel die grössten Schwierigkeiten entgegenstellen.
Dieses Syndikat ist nun im Begriff, sich zu bilden; an der Spitze stehen die grössten schweizerischen Firmen der Elektrizitäts- und Maschinen-Branche, Brown, Boveri & Co., Maschinenfabrik Oerlikon, Gebrüder Sulzer, Lokomotivfabrik Winterthur etc. Die Bildung erfolgt in der Form einer Genossenschaft nach Titel XXVII des Schweiz. Obligationenrechts. Die Statuten sind ausgearbeitet und liegen hier bei3.
Ich verweise dabei insbesondere auf folgende Bestimmungen, die die Grundlage des ganzen Einfuhrgeschäftes bilden und gleichzeitig die Beziehungen der Genossenschaft und damit indirekt des schweizerischen Bundesrates zu den auswärtigen Regierungen regeln.
In § 3 wird die Mitgliedschaft dahin begrenzt, dass nur Selbstverbraucher aufgenommen werden können; die zweideutigen Zwischenhändler sind damit ausgeschlossen. Im übrigen ist laut § 4 die Genossenschaft frei, Mitglieder aufzunehmen oder abzulehnen. Der Verwaltungsrat entscheidet darüber endgültig; er hat es somit in der Hand, nicht vertrauenswürdige Elemente fernzuhalten.
In § 7 wird zunächst die Verpflichtung zum ausschliesslichen Bezug der auf der Liste der Genossenschaft stehenden Materialien durch die Vermittlung derselben aufgestellt; gleichzeitiger Bezug aus ändern Quellen ist ausgeschlossen. Sodann wird die Verpflichtung der Genossenschafter zur ausschliesslichen Verwendung in der Schweiz, beziehungsweise in der eigenen Fabrikation geordnet. Hiebei wird nun die wichtigste Frage behandelt, das Schicksal der Produkte. Von ihr hängt es ab, ob der Bezug von Rohmaterialien eine effektive oder nur eine mehr formelle Bedeutung hat, denn wenn unsere Industrie wirklich leben soll, so muss sie in der Verwendung ihrer Produkte frei sein. Dabei ist nun die Formel als praktisch und vernünftig erfunden worden, die in den Verhandlungen mit England vorgeschlagen worden ist4. Sofern der Hauptwert des Produktes im Konterbande-Material liegt, kann es nicht ins feindliche Ausland ausgeführt werden, sofern er dagegen in der Arbeit oder in anderm Material liegt, kann es beliebig ausgeführt werden. Hierauf ist in den Verhandlungen das grösste Gewicht zu legen. Es kann sich bei den Importen von Konterbandematerialien in der Schweiz nicht darum handeln, der Schweiz zu verbieten, mit dem feindlichen Ausland überhaupt Geschäfte zu machen; das kann man wohl den eigenen Landesangehörigen verbieten, aber nicht einem neutralen Staate, der keine «Feinde» kennt und der allen gegenüber in geordneten Handelsbeziehungen bleiben will und muss. Es handelt sich vielmehr einzig darum, zu verhüten, dass das Konterbandematerial ins «feindliche Ausland» kommt und dort als solches Verwendung findet. England und Frankreich fürchten, dass wenn z.B. Kupfer ins feindliche Ausland gelange, es dann zu Munitionszwecken Verwendung finde, das ist verständlich; unverständlich aber wäre es, deswegen Maschinen, bei denen Kupfer Verwendung fand, vom «feindlichen Ausland» fernzuhalten, wenn es der Natur der Sache nach ausgeschlossen erscheint, dass die Maschine demoliert und das Kupfer verwertet wird. In dieser Beziehung darf darauf hingewiesen werden, dass die Kollektivnote vom 14. Januar selbst darauf abstellt «que les prix du cuivre en certains pays belligérants sont assez élevés pour permettre aux articles manufacturés d’être exportés et ensuite fondus pour servir à un usage de guerre». Wo diese Gefahr nicht besteht, ist daher auch kein Grund vorhanden, die «articles manufacturés» vom Export auszuschliessen.
Ein weiterer hochwichtiger Punkt ist derjenige der Veredlung. Auch hier ist zu sagen, dass so, wie die Verhältnisse liegen, ein Import der Rohstoffe ohne die Möglichkeit, sie zum Teil zu exportieren, um sie im veränderten, oder manufakturierten Zustand (als Halbfabrikate) zurückzuerhalten, für die Industrie nur von untergeordnetem Werte wäre. Die schweizerische Industrie ist wegen der Kleinheit des Landes durchaus unselbständig; sie kann nicht leben, ohne einen Teil der Materialien im vorgearbeiteten Zustande aus dem Auslande zu beziehen; sie ist ebensowenig imstande, gewisse Umwandlungen der Rohmaterialien selbst vorzunehmen (z.B. Bronze oder Messing aus Kupfer anzufertigen). In normalen Zeiten kann man Messing, Bronze etc. aus dem Ausland beziehen, heute ist das nicht möglich, ohne das entsprechende Quantum Kupfer abzugeben. Bei dieser Veredlung muss man nun das Vertrauen in die schweizerische Regierung haben, dass sie in der Aufstellung der detaillierten Bedingungen dafür sorgt, dass die Exporte zum Zwecke der Veredlung nicht missbraucht werden. Man wird also zeitliche Grenzen aufstellen, man wird das quantitative Verhältnis von rohem und veredelten Metall regeln und sich die nötigen Garantien in Ausfuhrbewilligungen für das veredelte Metall geben lassen.
In § 7 wird das Recht der Genossenschaftsorgane festgesetzt, von den Büchern, Belegen und Fabrikationsstätten zum Zwecke der Kontrolle der getreuen Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen Einsicht zu nehmen. In § 9 ist das Recht zur Verhängung von Konventionalstrafen bei Verletzung dieser Pflichten vorgesehen; sie können bis zur doppelten Höhe des Wertes der per nefas ausgeführten Waren ausgesprochen werden. Für die Konventionalstrafe haftet zunächst die Kaution von 10% des Wertes der eingeführten Waren, eventuell die Bankgarantie (vgl. § 7). Überdies kann das Mitglied aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden.
Der Rest der Statuten interessiert uns, weil die innere Organisation der Genossenschaft betreffend, nur sekundär.
Wir möchten Sie nun bitten, auf Grund dieser Statuten die Verhandlung mit der dortigen Regierung aufzunehmen und so rasch als möglich durchzuführen. Die Regierung hätte dabei zu erklären, dass auf Grund der in den Statuten formulierten Verpflichtungen der Genossenschaftsmitglieder und auf Grund der vom Bundesrate zu bestätigenden bona fides und Honorabilität des Syndikats und seiner Organe der Import der in das Verzeichnis aufgenommenen und allfällig später aufzunehmender Konterbandeartikel in die Schweiz gestattet werde. Wir geben uns dabei der Hoffnung hin, auf dieser Basis zu einer Verständigung zu gelangen und sind überzeugt, dass dann der Handelsverkehr in durchaus loyaler, die Interessen unseres eigenen Landes, wie auch die legitimen Interessen der kriegführenden Staaten ausreichend berücksichtigender Weise sich abspielen würde.
Indem wir Ihnen die Angelegenheit warm empfehlen, danken wir Ihnen zum voraus für Ihre schätzenswerten Bemühungen und versichern Sie unserer vorzüglichen Hochachtung.
Tags
Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)