Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 27
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.36-03#1000/1737#60* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.36-03(-)1000/1737 5 | |
Dossier title | Kriegsanleihen der Schweiz (und anderer Länder) in den USA (1914–1914) | |
File reference archive | IX.A5 |
dodis.ch/43302
Nach der telephonischen Unterredung bin ich, Ihrem Aufträge gemäss, zu Herrn Hamlin gegangen und habe ihn über die vertrauliche Anfrage von Bern2 betr. ein Goldanleihen von max. 50 Millionen Franken auf zwei Jahre fest um Rat gefragt. Herr Hamlin meinte, dass hierüber Secretary McAdoo zu begrüssen sei, der erst morgen früh zurückkehre. Er persönlich glaubte, dass eine solche Anleihe keine Schwierigkeit begegnen dürfe, riet mir aber, heute sogleich mit Herrn Paul Warburg, seinem Kollegen in der «Federal Reserve Board», zu reden, der über die kommerzielle Seite einer Anleihe sich zu äussern vermöge und dem er mich vorstellte. (Warburg war früher im Hause Kuhn, Loeb & Cie in New York.)
Warburg fand ich im Besitze einer telegraphischen Anfrage des Schweiz. Bankvereins London an die Hannover National Bank New York, ob letztere ein Anleihen und Golddepot von zunächst 500.000 $ des Bankvereins bewilligen könne, die Schweizerische Nationalbank gedenke auf dieser Anleihe (oder besser auf diesem Kredit des Bankvereins) eine Nationalemission zu veranstalten. Er las mir das lange Telegramm sowie die verneinende Antwort.
Warburg erklärte rundweg, dass die Aufnahme einer Goldanleihe gegenwärtig ganz ausgeschlossen sei. Es könne sich nur um ein Golddepot handeln (evtl. gegen Verkauf schweizerischer Papiere), das nicht gewährt würde. Die Vereinigten Staaten seien selbst mehr geniert als man glaube; die ganze Getreide- und Baumwollernte könne nicht verschifft werden, und trotz dem Wunsche der Schweiz, einen Freundschaftsdienst zu leisten, könne die Union nur demjenigen Gold geben, der ihr Luft mache, d. h. der Getreide oder Baumwolle abnehme.
Er schien mich auf eine Kombination von Gold gegen Getreide führen zu wollen, und da im Telegramm des Bundespräsidenten, das hierunter in Abschrift vorliegt3, von Getreide die Rede ist, sagte ich, dass wir evtl. über Ankauf von Getreide sprechen könnten, und fügte bei, ob sich nicht eine Kombination Gold gegen Getreide aufstellen Hesse. Warburg hält die Idee für kommerziell verwendbar und glaubt, dass man auf einer solchen Basis verhandeln könnte. Er gibt ein Beispiel:
Die Eidgenossenschaft kauft für 10 Millionen Getreide, dafür gewährt die hiesige Regierung eine Anleihe von 10 Millionen, zahlbar in Gold: hingegen dürfe kein Geld von der Schweiz gezogen werden bis 6 Monate nach Friedensschluss. Mittlerweile aber könne die Schweiz auf diese Anleihe (ein Golddepot), die in New York verbliebe, ziehen gegen Verschiffungspapiere, zur Bezahlung des Getreides. Die Schweiz hätte sowohl für den Getreidetransport als auch für das Schiff selbst Garantie zu leisten. Sechs Monate nach Friedensschluss wäre das Gold unser. Warburg meinte schliesslich allerdings, dass in diesem Beispiele unser Getreide erst nach 6 Monaten bezahlt würde: ich entgegnete, dass dagegen die beste Garantie vorläge und Zinsen bezahlt würden. «Zinsen spielen gar keine Rolle unter diesen Verhältnissen», war die Entgegnung.
Alsdann schienen gewisse Befürchtungen vorzuliegen, ob die Schweiz nicht doch in den Krieg verwickelt würde und wir zur französischen Regierung nicht bessere Beziehungen unterhielten gegenwärtig als zu Deutschland. Ich entgegnete, wie Sie sich denken können, energisch, dass unser Bundesrat nicht vergebens die ganze Armee aufgeboten und zugleich eine strikte Neutralitätserklärung4 erlassen habe. Es schien mir aber doch, als hätten die immer wieder auftauchenden Zeitungsmeldungen von Verletzung der schweizerischen Neutralität gewissen Glauben gefunden. Warburg meinte, dass im Moment, in dem die Schweiz in irgendeiner Weise in den Krieg verwickelt werde, auch an Durchführung obiger oder ähnlicher Kombinationen nicht mehr bedacht werden könne.
Ich habe dann noch Informationen eingezogen über Warburg, der mir den Verdacht erweckte, als denke er gar zu alldeutsch. Auch dachte ich, es sei interessant zu wissen, in welchem Verhältnis er zu McAdoo stehe: Warburg ist gebürtiger Hamburger, erst seit ca. 4-5 Jahren amerikanischer Bürger und ein ganz intimer Freund von McAdoo.
Kurz: Aufnahme einer Goldanleihe sei ausgeschlossen. Es solle in Bern zunächst gefragt werden, wie man sich eine solche Anleihe denke, auf welcher Basis man verhandeln könne. McAdoo selbst werde keine definitive Antwort geben können bevor man nähere Details von Bern habe. (Es handelt sich also in der Hauptsache darum zu wissen, was Bern für eine evtl. Anleihe geben will: schweizerische Papiere würden abgelehnt: nur Kauf von Getreide oder Baumwolle käme in Betracht.)
Trotz Warburg werde ich morgen McAdoo begrüssen - um aus offiziellem Munde etwas zu vernehmen. Sollten Sie dies für überflüssig halten, so wollen Sie mich benachrichtigen, wenn möglich vormittags.
Es wäre vielleicht doch vorsichtig, die Ausführungen von Warburg durch Banken in New York kontrollieren zu lassen.
Auf dem Staatsdepartement habe ich einstweilen in dieser Sache nichts getan, da Hamlin riet, dass McAdoo zuerst zu sehen sei.
Tags
United States of America (USA) (General)