Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 193
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9903* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 09.09.-12.09.1907 (1907–1907) |
dodis.ch/43048 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 9. September 19071 4749. Obligatorische Schiedssprechung
Der Schiedsgerichtsausschuss (comité d’examen pour l’arbitrage obligatoire), in welchem 18 Staaten vertreten sind, hat am 4. September beschlossen, das obligatorische Schiedsgericht einzuführen.
a) für die Anwendung und Auslegung von Verträgen über folgende Materien:
1) Tonneninhalt der Schiffe.
2) Nachlass verstorbener Seeleute.
3) Internationale Arbeiterschutzgesetzgebung.
4) Mittel, um Zusammenstösse zur See zu verhüten.
5) Literarkonventionen.
6) Mass- und Gewichtsverträge.
7) Gegenseitige und unentgeltliche Unterstützung von Armen und Kranken; ausserdem
b) für Entschädigungsforderungen, wo die Verpflichtung zur Schadloshaltung anerkannt ist.
Diese Bestimmung wurde mit 12 gegen 5 Stimmen (Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Griechenland und die Schweiz) angenommen.
«Unsere Delegation», bemerkt das Politische Departement in seinem Bericht vom 7. September, «hätte - aus politischen Gründen - gern dafür gestimmt, wenn wir nicht die Instruktionen des Bundesrates telegraphisch bestätigt hätten, welche dahin gehen, dass die Schweiz die obligatorische Schiedssprechung ohne die bekannte Klausel, welche ihre Lebensinteressen, ihre Unabhängigkeit und ihre Ehre wahrt, nicht annehmen könne.
Der vom Prüfungsausschuss angenommene Entwurf soll nunmehr zur Entscheidung an die Vollkommission gehen, und die schweizerische Delegation ersucht nochmals den Bundesrat, die Frage zu prüfen, ob nicht doch die Schweiz den Staaten, welche das Obligatorium für die erwähnten Fälle angenommen haben, beitreten sollte.
Unsere Delegation bemerkt diesfalls:
‹Nous vous prions d’examiner encore une fois s’il convient, politiquement parlant et en tenant compte de l’opinion publique suisse, de nous allier irrévocablement, sur cette matière, avec lesdites Puissances. Nous ne vous cacherons pas que la Confédération a déjà un peu, dans la conférence, la réputation de se trouver, vis-à-vis de l’Allemagne, dans une position quelque peu analogue à celle du Portugal à l’égard de la Grande-Bretagne.›
Erwägungen solcher Art können nicht den Bundesrat bestimmen, einen Standpunkt aufzugeben, den er bis jetzt für richtig und den Interessen der Schweiz entsprechend gehalten hat. Wenn wir die Einführung des verbindlichen Schiedsgerichts für eine beschränkte Anzahl von Fällen bekämpfen, die später vermehrt werden sollen, so geschieht dies gerade, um die Selbständigkeit der Schweiz zu wahren, nicht um diesen oder jenen Mächten Heerfolge zu leisten. Der Umstand, dass Deutschland in dieser Frage sich ebenfalls ablehnend verhält, kann für uns kein Grund sein, eine Einrichtung anzunehmen, die nach unserer Überzeugung den kleinen Staaten gefährlich werden kann. Die Erfahrungen, die wir auf diesem Gebiete mit Italien gemacht haben, bestärken uns in dieser Ansicht.
Was man uns im Haag nachdichtet, wir gingen mit Deutschland durch dick und dünn, wie Portugal mit Grossbritannien, widerlegt sich durch die Tatsache, dass in sehr wichtigen Fragen die Schweiz einen dem Deutschland’s entgegengesetzten Standpunkt eingenommen hat. So in den Fragen betreffend die Errichtung eines ständigen Schiedsgerichts und die Eintreibung von Forderungen mit Waffengewalt (Antrag Porter).»
Antragsgemäss wird beschlossen:
Es sei der schweizerischen Delegation von diesen Bemerkungen Kenntnis zu geben und die ihr bereits gegebenen Instruktionen in Sachen der verbindlichen Schiedssprechung zu bestätigen2.
Protokollauszug ans Politische Departement zur Vollziehung unter Aktenrückschluss.
- 1
- E 1004 1/229. Abwesend: Müller, Forrer, Comtesse.↩
- 2
- Das Politische Departement telegraphierte der Delegation gleichentags: Conseil fédéral maintient son point de vue au sujet arbitrage obligatoire. Vous voterez donc jusqu’au bout contre arbitrage obligatoire pour n’importe quel cas. Par contre vous accepterez toute proposition n’impliquant que l’obligation d’étudier question (E 2200 London 16/2).↩
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Hague Peace Conferences (1899 and 1907)