Darin: Schweizerischer Entwurf für die Gestaltung des ständigen Schiedsgerichtshofes. Annex vom
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 185
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#559* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 47 | |
Dossier title | Nr. 479. Berichte der schweizerischen Delegation (1907–1907) | |
File reference archive | B.231-2 |
dodis.ch/43040
Die schweizerische Delegation an der zweiten Haager Friedenskonferenz an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departementes, E. Müller1
In der gestrigen Sitzung obbezeichneter Kommission wurde die allgemeine Debatte über die Frage des Permanenten Gerichtshofes zu Ende geführt. Die Hauptergebnisse der Sitzung sind die folgenden:
In erster Linie wurde mit aller nur wünschbaren Deutlichkeit festgestellt, dass die Anrufung des zu errichtenden ständigen Gerichts durchaus freiwillig sein soll. Der Schiedsgerichtshof, wie er jetzt besteht, soll erhalten bleiben und stets denjenigen Parteien offenstehen, welche ihn dem ständigen Gerichte vorziehen. Die ersten Delegierten von Amerika, Grossbritannien, Frankreich und Deutschland sprachen sich in diesem Sinne aus und derjenige von Rumänien verlangte, dass diese Freiwilligkeit ausdrücklich in der Konvention festgelegt werde. Die deutsche Delegation erklärte sich bereit, den mexikanischen Vorschlag anzunehmen, wonach das ständige Gericht zuständig sein soll, wenn seine Jurisdiktion nicht durch den Schiedsvertrag wegbedungen ist.
Es ergab sich sodann aus den Beratungen, dass die einen Staaten das Hauptgewicht auf die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit, die ändern auf die Errichtung eines permanenten Gerichts legen. Für einen allgemeinen Schiedsvertrag sprachen sich namentlich aus Belgien, Brasilien, Portugal und Serbien, die beiden ersteren in der Weise, dass sie den Grundsatz der Permanenz des Gerichts direkt anfochten als mit dem Wesen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unvereinbar. Der belgische Delegierte Beernaert versuchte nachzuweisen, dass der Gerichtshof, wie er 1899 konstituiert wurde, den an ihn gestellten Anforderungen durchaus gerecht geworden sei und auch in Zukunft die besten Dienste leisten könne. Es wurde ihm aber von verschiedenen Seiten entgegengehalten, dass seine vorzügliche Verteidigung der Konvention von 1899 nur gerechtfertigt wäre, wenn es sich um die Abschaffung der bestehenden Institution handeln würde - was aber tatsächlich gar nicht der Fall ist.
Im Namen der französischen Delegation gab Bourgeois eine Erklärung ab, die sich mit der Auffassung der Mehrheit der Delegationen decken dürfte. Er sagte im Wesentlichen: Das Princip des Obligatoriums und dasjenige der Permanenz beherrschen die ganze Frage; bei jedem dieser Principien sind zwei Gebiete auseinanderzuhalten; beim Obligatorium hat man es auf der einen Seite mit den durchaus unpolitischen, rein juristischen Verhältnissen zu thun, die einer unverklausulierten Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden könnten, auf der ändern Seite mit Verhältnissen, bei denen die Entscheidung über die Möglichkeit richterlicher Entscheidung stets den Parteien zu lassen ist. In der Frage der Permanenz besteht ein ähnlicher, im Wesentlichen paralleler Gegensatz; es giebt Fälle, bei denen ein ständiges, ausschliesslich aus Juristen gebildetes Gericht die geeignetste Instanz ist. Anderseits giebt es Streitigkeiten, die nur von den Parteien ad hoc gewählten Richtern übertragen werden können. Auf alle Fälle aber muss die Jurisdiktion der Gerichte auf dem völlig freien Willen der Parteien beruhen.
Bei derAbstimmung über die Frage, ob die Errichtung eines ständigen Gerichtes neben oder innerhalb dem 1899 geschaffenen Gerichtshöfe wünschbar sei, ergaben sich 27 Ja und 12 Stimmenthaltungen. Mit Ja hatten alle Grossmächte ausser Österreich gestimmt. Der Stimme enthielten sich ausser unserer Delegation und der österreichischen die folgenden Staaten: Belgien, Brasilien, Dänemark, Spanien, Griechenland, Norwegen, Rumänien, Serbien, Schweden und die Türkei. Mehrere Delegationen hatten ihre Stimmenthaltung damit begründet, dass eine bestimmte Meinungsäusserung erst möglich sei, wenn Klarheit darüber bestehe, wie die kleineren Staaten in dem ständigen Gerichte vertreten sein sollen.
Da dies in der Tat der springende Punkt in der ganzen Frage ist und nach der gestrigen Abstimmung die ziemlich allgemeine Annahme eines ständigen Gerichts wahrscheinlich ist, glauben wir, dass es in unserem Interesse liege, unter der Hand, nicht als Delegation, dahin zu wirken, dass, falls der Gerichtshof zu Stande kommt und die Schweiz glauben sollte, sich davon nicht fern halten zu können, dieser eine Organisation erhalte, welche uns einigermassen günstig ist. Wir haben deshalb versucht, einigen Delegationen, die auf die fragliche Konvention einen Einfluss haben, den in unserm Schreiben No. 3542 bereits erwähnten und diesem Bericht als Annex beigeschlossenen Vorschlag3 zu suggerieren. Die Vorteile dieses Projektes bestehen darin, dass jeder Staat eine Stimme hat, dass die willkürlichen und politisch bedenklichen Staatengruppen dahinfallen und dass das in vielen Verfassungen angewendete Rotationssystem allen Staaten wenigstens für eine gewisse Zeit die Vertretung im Gerichte sicherte. Als Delegation würden wir diesen oder einen ähnlichen Vorschlag nur bringen, wenn einerseits die fast allgemeine Annahme des Gerichts sicher wäre, anderseits unser Projekt nicht von anderer Seite aufgenommen worden wäre.